Der Lehrerstand (WAB 77) „Die Zeit weiset auf einen Stand“

Vierstimmiger Männerchor a cappella mit Solo-Quartett in Es‑Dur

fünf Abschnitte: „Kräftig und mäßig geschwind“; „Gemütlich“ (Solo-Quartett); „Bewegt“; „Mäßig“; „Frisch“

Text: vielleicht Ernst Marinelli
EZ: um 1847 in St. Florian
W: Michael Bogner („Gewidmet dem hochverehrten Herrn Michael Bogner, Schullehrer in St. Florian von Anton Bruckner.“)
UA: ?
Aut.: verschollen; Stift St. Florian, Archiv/Liedertafel St. Florian (No. 150, Stimmen-As., Widmungsexemplar)
ED: Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/2, S. 16–22 (1928)
NGA: Band XXIII/2 (Angela Pachovsky/Anton Reinthaler, 2001)

Der aktuelle Anlass für die Komposition ist nicht überliefert, er ist jedoch verbunden mit der Person von Schulmeister Bogner. Als wahrscheinliche Möglichkeiten bieten sich an: Bruckner wollte damit seinen Dank für die gute Unterkunft bei Bogner zum Ausdruck bringen, eine Feier im Familienkreis (z. B. den 45. Geburtstag Bogners) oder die Überreichung einer Auszeichnung (etwa des „Bestätigungsdekretes“) verschönern. Eine allfällige Wiedergabe erfolgte wahrscheinlich durch eine sangesfreudige Schar aus dem Umkreis Bruckners (Lehrer, Kirchensänger, junge Kleriker), die sich auf privater Basis zusammengefunden hatte, sicher nicht durch die erst seit 1887 bestehende vereinsmäßig organisierte Liedertafel St. Florian.

Bruckners erstes größeres Werk für Männerchor liegt im Trend seiner Zeit. Der recht unbeholfene Text thematisiert als „Standeslied“ gesellschaftliche Position („der wenig gilt, doch allen nützt“; „mehrmals war er der Toren Spott“), Bedeutung, Ideale und Gottvertrauen. Der junge Komponist bemühte sich um originelle Züge, dezente Effekte und ausdrucksmäßige Differenzierung in formal-tonaler Anlage und Deklamation. Schon der 1. Teil zeigt eine beachtenswerte „Steigerungsdramaturgie“ (Rentsch, S. 301): An den viertaktigen Verweis „auf einen Stand“ („Kräftig und mäßig geschwind“) schließt sich ein „auskomponiertes Crescendo“ an, das in der Tonikaparallele c‑Moll endet (T. 10). Die entscheidende rhetorische Frage „Ist jener Stand euch nicht bekannt?“ erfolgt im p „etwas schneller“ und klingt mit einer Fermate samt kurzer Pause aus. Die Antwort („Es ist der wackre Lehrerstand“) ertönt harmonisch überraschend mittels eines im ff („Tempo I“) einsetzenden B‑Dur-Septakkords und darauffolgender Es‑Dur-Kadenz.

Der Chor liegt seit 2013 auf der CD Weltliche Männerchöre (Männerchorvereinigung Anton Bruckner Privatuniversität Linz) vor.

Literatur

ERICH WOLFGANG PARTSCH, FRANZ ZAMAZAL

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 2.6.2017

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Erstdruck

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft