Psalm 114 (WAB 36) „Alleluja! Liebe erfüllt mich“
Vertonung von Psalm 114 (116) für fünfstimmigen gemischten Chor (S, 2 A, T, B) und 3 Pos. in G-Dur
EZ: | vor dem 30.7.1852 in St. Florian |
W: | Ignaz Assmayr („[…] P. T. Sr Hochwohlgeborn dem hochverehrtesten Herrn Herrn Ignaz v. Assmair k. k. Hof-Kapellmeister als schwachen Versuch von A Bruckner Stiftsorganist v. St. Florian“) |
UA: | 1852 in St. Florian (in einer Probe); 1.4.1906 in Linz (August Göllerich) |
Aut.: | Privatbesitz (Reinschrift, mit dem Widmungsbrief an Assmayr vom 30.7.1852); Stift St. Florian, Bruckner‑Archiv (19/4b, Arbeitspartitur; 19/4a, autografer Text) |
ED: | Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/2, S. 151–177 (1928; Faksimile) |
NGA: | Band XX/1 (Paul Hawkshaw, 1997) und Revisionsbericht zu XX/1–6 (2002) |
Mit der Widmung war diese Psalmvertonung als Namenstagsgeschenk (31.7.) für Hofkapellmeister Assmayr gedacht, dem Bruckner schon zu Jahresbeginn 1852 sein Requiem in d‑Moll (WAB 39) unterbreitet hatte. In seinem (erst 1957 entdeckten) Begleitschreiben vom 30.7.1852 berichtet Bruckner über seine ihm sehr unbehagliche Situation im Stift und seinen Wunsch nach einem größeren Aufgabenkreis.
Bruckner zeigt in dieser Komposition gleichsam alle ihm schon zur Verfügung stehenden Stilmittel vor: Den alten Kirchenstil (im viermaligen „Alleluja“ des Beginns), an der Wiener Klassik orientierte weiche Melodik („Liebe erfüllt mich“), expressive Intervallsprünge, Seufzer-Melodik und den für den Themenkreis „Tod“ traditionellen Einsatz der Posaunen („Es umgaben mich die Schmerzen des Todes“), imitatorische Einsätze („Barmherzig ist der Herr und gerecht“) sowie, als Krönung, eine feurige Doppelfuge („Ich will gefallen dem Herrn“), die in einen Orgelpunkt und ein machtvolles Unisono aller Singstimmen („... im Lande der Lebendigen“) einmündet.
Wie Hofkapellmeister Assmayr dieser Psalm des St. Florianer Organisten gefiel, ist nicht bekannt; einen kleinen Erfolg, den Bruckner in seinem Begleitschreiben mit verhaltenem Stolz auch anführt, hatte er aber schon für sich buchen können. Als Postskriptum in Bruckners Brief an Assmayr heißt es: „NB. den Psalm habe ich im Stifts-Musikzimmer probiren lassen; es haben selbst Wiener mitgewirkt, die sogar Kunstkenner sind, u. er wurde mit vielem Beifalle aufgenommen.“ (Briefe I, 520730).
Literatur
- August Göllerich, Anton Bruckners 114. Psalm, in: Die MusikDie Musik. Stuttgart–Berlin–Leipzig 1901/02–1914/15 und 1922/23–1942/43. Zusatz ab 1934: Amtliches Organ der NS-Kulturgemeinde; Zusatz ab 1937/38: Organ des Amtes für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1939: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1940/41: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 6 (1906/07) H. 1, S. 36–45
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1, S. 136–142
- Wilfried Scheib, Der schwache Versuch Anton Bruckners, in: Magnum 15 (Dezember 1957), S. 47–50
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009
- Paul Hawkshaw, Revisionsbericht zu NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet) XX/1–6 (2002), S. 34