Linz

Hauptstadt des Bundeslandes Oberösterreichs und drittgrößte Stadt Österreichs, an der Donau gelegen. 1489–1493 Residenzstadt von Friedrich III. (1415–1493). Ab 1938 als Industrie-Standort bekannt, entwickelte Linz in den letzten Jahrzehnten ein reiches Kulturleben. 1974 Eröffnung des Brucknerhauses, 1975 Gründung der Kepler-Universität, 2003 Eröffnung des Lentos Kunstmuseums, 2009 Kulturhauptstadt Europas (gemeinsam mit Vilnius/LT). Veranstaltungsort der Linzer Klangwolke, Ars Electronica und der Brucknerfeste. 1869: ca. 49.600, 1900: ca. 59.000, 2019: ca. 206.900 EW.

Linz war noch Mitte des 19. Jahrhunderts eine Kleinstadt mit nicht einmal 27.000 EW. Die Stadt erstreckte sich nur ein Stück weit westlich und östlich des im Mittelalter groß angelegten Hauptplatzes und der Landstraße, die im Nord-Süd-Verlauf die Funktion einer Hauptverkehrsstraße einnahm. Es waren noch die Reste der Mauern zu erkennen, die den Stadtkern umschlossen hatten, wobei allerdings die Stadttore und -türme bereits verschwunden waren. Die wichtigsten Behördenzentren und Kirchenbauten befanden sich in der innersten Stadt: das Rathaus am Hauptplatz, das Landhaus an der südwestlichen Ecke sowie im Osten des ehemals ummauerten Bereichs die Stadtpfarrkirche und die Jesuitenkirche (Alter Dom), die ab 1785 die Funktion des Bischofsdoms einnahm.

Wesentliche infrastrukturelle Einrichtungen der Zeit, wie der 1858 errichtete Hauptbahnhof der Kaiserin-Elisabeth-Bahn (Westbahn) oder das städtische Allgemeine Krankenhaus (Grundsteinlegung 1863), lagen hingegen anfänglich nicht auf Linzer Stadtgebiet. Der angewachsene Verkehr Richtung Bahnhof war schließlich dafür verantwortlich, dass die Vorstadthäuser an den Hauptausfallstraßen Landstraße und Herrenstraße durch mehrstöckige Gebäude ersetzt wurden. Ein größeres Bauvorhaben war ab 1862 im Südosten des damaligen Stadtgebietes die Anlage eines ganzen Stadtteils, der heute noch die Bezeichnung „Neustadtviertel“ trägt. Insgesamt blieb die Zuwachsrate an Häusern klar hinter dem Bevölkerungswachstum zurück, was wesentlich zu den tristen Wohnverhältnissen der ärmeren Bevölkerungsschichten beitrug.

Eine räumliche Ausweitung der Stadt erfolgte erst 1873 mit der vom Landtag gegen den Willen der beiden Gemeinden verfügten Eingliederung der Vororte Lustenau und Waldegg, was eine mehr als Verdreifachung des zuvor sehr überschaubaren Stadtgebietes zur Folge hatte. Der Bau einer neuen Donaubrücke aus Eisen, die die seit dem Ende des Mittelalters bestehende (und immer wieder erneuerte) Holzbrücke ablöste, ermöglichte den durchgehenden Dampfschiffsverkehr auf der Donau. Die neue Brücke machte auch die Inbetriebnahme einer Straßenbahn möglich, die ab 1880 als Pferdetramway und ab 1897 elektrisch betrieben vom Hauptbahnhof über die Donau bis nach Urfahr geführt wurde, das 1882 selbst zur Stadt erhoben worden war. Nur von vorübergehender Bedeutung blieb die Einrichtung einer Pferdeeisenbahnverbindung von Linz nach Budweis (České Budějovice/CZ) bzw. Gmunden, die auf der Strecke Linz–Budweis 1832–1872 in Betrieb war.

Ein besonders spektakuläres und das Stadtbild prägendes Bauvorhaben der Zeit war die Errichtung des Neuen Domes, der mit 34.000 m² Grundfläche größer als der Wiener Stephansdom (St. Stephan) ist. Die Bauarbeiten dieses Großprojekts dauerten von 1862 bis in die 1930er Jahre an. Der 1901 vollendete Turm mit seinen knapp 135 Metern musste aus Rücksicht auf Wien jedoch etwas niedriger bleiben als jener des Stephansdom. Im katholischen Linz – 96,5 % der Bevölkerung waren katholisch – erfolgte der Bau der evangelischen Kirche 1844, wobei der Turm erst in den Jahren 1854–1862 ergänzt werden konnte. 1877 erhielt die kleine jüdische Gemeinde – in Linz zählte sie 650 Personen – eine repräsentative Synagoge.

Wirtschaftlich war Linz von zahlreichen Handels- und Gewerbebetrieben geprägt, die sich jedoch fast nur auf den Einzel- und Zwischenhandel beschränkten, während größere Handelsbetriebe fast gänzlich fehlten. Die im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit zu internationaler Bekanntheit gelangten Linzer Jahrmärkte spielten um die Mitte des 19. Jahrhunderts nur mehr eine untergeordnete Rolle und wurden 1892 gänzlich aufgelöst. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es im Raum des heutigen Linz zur Ansiedlung von zahlreichen Industriebetrieben: Das damals noch selbständige Kleinmünchen entwickelte sich auf Grund der Nutzung der Nebenflüsse der Traun zu einem Zentrum der Textilindustrie, wobei die Aktiengesellschaft der Kleinmünchner Baumwoll-Spinnereien und mechanischen Weberei zu einem der größten Baumwolle verarbeitenden Unternehmen der Monarchie aufstieg. In der 1840 gegründeten Linzer Schiffswerft waren 1869 bereits 500 Arbeitskräfte beschäftigt. Zu einem der größten Linzer Betriebe überhaupt entwickelte sich die Eisenbahnwerkstätte, die südlich der Gleisanlagen des Hauptbahnhofs situiert war. Im Bereich der Nahrungs- und Genussmittelindustrie war die 1850 gegründete Tabakfabrik, die im Gebäudekomplex der ehemaligen Wollzeugfabrik untergebracht war, das weitaus bedeutendste Unternehmen, das über 1.000 Arbeitskräfte beschäftigte. Linz entwickelte sich aber auch zu einem Zentrum der Bierproduktion: Sowohl die im westlichen Teil der Stadt situierte Actien-Brauerei als auch die im Osten gelegene Poschacher Brauerei waren Großbetriebe. Zu einem der bedeutendsten Betriebe in Linz stieg die Linzer Fabrik der Ludwigsburger Unternehmerfamilie Franck auf, die Kaffeeersatzmittel herstellte. In Urfahr waren – besonders durch die Zuwanderung böhmisch-jüdischer Branntweinhändler und -fabrikanten – Branntwein und Spirituosen erzeugende Betriebe angesiedelt, von denen die Unternehmen Mostny und Spitz überregionale Bedeutung erlangten.

Das Revolutionsjahr 1848 war in Linz ruhig verlaufen, das Verlangen nach politischer Mitgestaltung und den bürgerlichen Grund- und Freiheitsrechten hatte allerdings auch in Linz weite Kreise des Bürgertums erfasst. Die freigeistige Stimmung führte zur vorübergehenden Schließung des Jesuitenkollegs auf dem Freinberg. Auf kommunaler Ebene durfte man tatsächlich von einer revolutionären Umwälzung durch die Einführung eines relativ liberalen Wahlrechts sprechen: Im Juni 1848 konnte in der Landeshauptstadt Linz der Gemeindeausschuss von allen in der Stadt ansässigen männlichen österreichischen Staatsbürgern, die über ein Mindestalter von 24 Jahren verfügten, gewählt werden. Dieses Wahlverfahren wurde allerdings bereits zwei Jahre später durch ein Kurienwahlrecht ersetzt, das die Wahlberechtigten nach der Höhe ihrer Steuerleistung in mehrere Wählerklassen einteilte. Insgesamt wurde damit das Wahlrecht für den Gemeinderat (der den Gemeindeausschuss von 1848 ablöste) auf einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich auf das Besitz- und Bildungsbürgertum – insgesamt 1.600 Personen – eingeengt. Nach der Ära des Neoabsolutismus 1851–1861, in der überhaupt keine Gemeinderatswahlen stattfanden, wurde das Kurienwahlrecht mehrfach adaptiert und erweitert, blieb aber auf Gemeindeebene in seinen Grundsätzen bis zum Ende der Monarchie bestehen.

Zwischen den liberalen und freisinnigen Bürgern auf der einen Seite und den Katholisch-Konservativen auf der anderen kam es auch in Linz zu einem regelrechten Kulturkampf, der sich in Fragen das Verhältnis von Kirche und Staat betreffend entzündete. Der Spitzenrepräsentant der katholischen Seite war der Linzer Diözesanbischof Franz Joseph Rudigier, der 1869 wegen seiner unnachgiebigen Haltung sogar von einem Geschworenengericht verurteilt, sofort aber von Kaiser Franz Joseph I. begnadigt wurde.

Auf Basis des Vereinsgesetzes von 1867 formierten sich die politischen Parteien. Die größte Bedeutung für Linz hatte vorerst der Liberal-politische Verein, dessen Mitglieder den Linzer Gemeinderat dominierten. Zwischen der Stadtverwaltung und der 1851 konstituierten Oberösterreichischen Handels- und Gewerbekammer herrschte ein enger Konnex, der sich des Öfteren darin zeigte, dass ein und dieselbe Person über eine Kammerfunktion und ein Mandat in der Gemeindevertretung verfügte. Die im oberösterreichischen Landtag ab 1884 tonangebenden und im Katholischen Volksverein organisierten Katholisch-Konservativen blieben in der Linzer Stadtvertretung trotz ihrer Massenbasis und eines regen katholischen Vereinslebens auf Grund des Wahlrechts von geringerer Bedeutung. 1888 gründete der Rechtsanwalt Carl Beurle (1860–1919) den Deutschnationalen Verein, der eine radikalere nationale und antisemitische Position vertrat. Dieser jungen dynamischen Bewegung hatten die alten Liberalen kaum etwas entgegenzusetzen: 1897 schlossen sich beide Gruppierungen im Deutschen Volksverein zusammen, wobei sich die Deutschnationalen immer mehr durchsetzten und von 1900 bis zum Ende der Monarchie den Linzer Bürgermeister stellten. Die sozialdemokratische Bewegung nahm in Linz mit der Gründung eines Arbeiterbildungsvereins im Jahr 1868 ihren Anfang. Die seit 1891 in einer Landesorganisation geeinten Sozialdemokraten waren im Gemeinderat auf Grund des die Wählerstimmen ungleich gewichtenden Kurienwahlrechts erst ab 1905 und auch dann nur relativ schwach vertreten.

Wegen der wirtschaftsliberalen Ansichten der Stadtspitze waren wesentliche Einrichtungen der städtischen Infrastruktur von privaten Unternehmen geschaffen und betrieben worden, was auch das Beispiel des 1857 errichteten Gaswerks zeigt, das erst 1913 von der Stadt übernommen wurde. Im Jahr 1855 wütete eine Choleraepidemie in der Stadt, an der 1.000 Personen erkrankten, von denen über 500 der Seuche zum Opfer fielen. Seit 1876 arbeitete man – Erkenntnisse der Städtehygiene umsetzend – am Kanalnetz der Stadt, das zuerst die Innenstadt und dann die Vororte Lustenau und Waldegg umfasste. Relativ lange dauerte es, bis die Stadtvertreter zur Ansicht gelangten, dass die Errichtung und der Betrieb einer Wasserleitung nur in Eigenregie erfolgversprechend sei. 1893 wurden Wasserwerk und Wasserleitung in Betrieb genommen.

Einen wesentlichen Schwerpunkt der Kommunalpolitik stellte der Schulbau dar, der wegen des Bevölkerungswachstums und der Eingemeindungen forciert wurde. Kein Erfolg war der Stadtverwaltung im Bemühen beschieden, aus Linz eine Universitätsstadt zu machen: Es scheiterten Initiativen für juridische und medizinische Studien ebenso wie das Projekt einer technischen Hochschule. Zu einer nicht unerheblichen Aufgabe der Stadt war durch das Einquartierungsgesetz von 1879 der Bau von Kasernen für das Militär geworden.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war auch der Gedanke, Erholungsräume im Stadtgebiet zu schaffen, in Linz angekommen. Im Jahr 1857 erwarb die Stadt den 1829 vom Urfahrer Cafetier Bartholomeo Festorazzi (ca. 1785–1835) errichteten Volksgarten und machte daraus eine von der Bevölkerung bevorzugte Parkanlage, da sich dort mit dem mehrfach erneuerten Volksgartensalon einer der beliebtesten Veranstaltungsorte für Konzerte, Vorträge und dergleichen befand. Der 1865 gegründete Verschönerungsverein, der personell eng mit dem Gemeinderat verknüpft war, machte es sich zum Ziel, im Westen der Stadt, auf dem Freinberg, eine geschlossene Erholungslandschaft anzulegen. Die Erschließung des im 19. Jahrhundert noch nicht zum Linzer Stadtgebiet zählenden Pöstlingbergs erfolgte – schon im Hinblick auf den Tourismus – im Jahr 1898 mit der damals steilsten Adhäsionsbahn Europas.

Im gesellschaftlichen Leben von Linz spielte das Militär eine große Rolle. Die Konzerte der Militärkapellen vor dem Landhaus und im Volksgarten waren ein Treffpunkt der „besseren“ Linzer Gesellschaft (Militärmusik). Ein besonders beliebtes Freizeitvergnügen war das Promenieren auf der Landstraße und auf der Promenade. Auch die Ausflüge an den weitgehend unverbauten Stadtrand wie auf den Freinberg bzw. in die Umgebung von Linz und in den noch nicht eingemeindeten Ort St. Peter im Süden der Stadt, an dessen Stelle während der NS-Diktatur die Hermann-Göring-Werke entstehen sollten, waren begehrt.

Eine besondere Bedeutung kam den bürgerlichen Kultur- und Sportvereinen im öffentlichen Leben in Linz zu: Zu den bekanntesten zählten der 1862 gegründete Turnverein Linz und die auf das Jahr 1845 zurückgehende Liedertafel „Frohsinn“. Der bedeutendste Literat der Zeit war Adalbert Stifter, der – vom Brotberuf Schulinspektor – ab 1848 bis zu seinem Tod im Jänner 1868 ständig in Linz lebte. Eine tragende Rolle in der Linzer Kunstszene nahm er auch als Vizepräsident des 1851 gegründeten Oberösterreichischen Kunstvereins ein. Das Haus des Ehepaars August Daniel (1793–1868) und der Schriftstellerin Emilie von Binzer, das sich an der Promenade befand, war der Mittelpunkt des künstlerischen Linz. Zeitweise in Linz lebte der oberösterreichische Mundartdichter Franz Xaver Stelzhamer (1802–1874), dessen Hoamatgsang als Text der oberösterreichischen Landeshymne von dauerhafter Bedeutung blieb.

Bruckner kam schon von frühester Jugend an aus dem nahen Ansfelden nach Linz – erstmals am 7.6.1833 zur Firmung. Von Oktober 1840 bis Juli 1841 absolvierte er die Lehrerausbildung an der Präparandie Linz. Am Kulturleben der Stadt nahm er damals kaum teil, wie August Göllerich schrieb: „Da ihm der Besuch des Theaters versagt war, befriedigte er sein Bedürfnis nach künstlerischer Erbauung in den sonntäglichen Kirchenmusik-Aufführungen […] der Minoriten-Kirche, der […] Stadtpfarrkirche und des […] Domes“ (Göll.-A. 1, S. 142). Laut Othmar Wessely soll das Musikleben der Landeshauptstadt Bruckner später veranlasst haben, „sooft er konnte“ nach Linz zu kommen, „um Neues zu erfahren“ (Wessely 1964, S. 35).

Vermutlich wohnte er als Dom- und Stadtpfarrorganist zunächst im Florianer Stiftshaus (Landstraße 22) und bezog erst später seine Dienstwohnung auf dem Pfarrplatz. Er begann in der Christnacht 1855 seinen Dienst als Organist im Alten Dom und in der Stadtpfarrkirche (Gedenkstätten). Bis 1868 lebte er in Linz – im Oktober 1868 trat er seinen Dienst als Lehrer am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien an. Knappe 13 Jahre lebte Bruckner also fast durchgehend in der oberösterreichischen Landeshauptstadt.

Zwei Persönlichkeiten prägten das musikalische Leben von Linz in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts – einerseits Franz Xaver Glöggl (1764–1839), der verschiedenste musikalische Tätigkeiten (Thurnermeister, Theaterdirektor, Orchesterleiter und Operndirektor, Konzertdirigent, Dom- und Stadtpfarrkapellmeister, Musiklehrer, Musikalienhändler und Publizist) ausübte, andererseits Johann Baptist Schiedermayr, ein aus Bayern stammender Musiker, ausgezeichneter Organist und geschätzter Komponist, außerdem Musiklehrer und Theaterkapellmeister. Als weitere große Musikerpersönlichkeit ist außerdem Bruckners unmittelbarer Vorgesetzter, Domkapellmeister Karl Zappe, zu nennen, der seine Karriere als Orchestermusiker begann und 1834 Orchesterdirektor am Linzer Theater wurde. In den 1840er Jahren führte er bei seinen Benefizabenden Opern von Vincenzo Bellini (1801–1835), Ludwig van Beethoven, Carl Maria von Weber (1786–1826) und Giuseppe Verdi (1813–1901) mit internationalen Sängern erstmals in Linz auf.

Als älteste kulturelle Institution in Linz wurde am 4.10.1803 das Theatergebäude an der Promenade eröffnet. Wechselnde Pächter brachten dem Theater im 19. Jahrhundert eine äußerst wechselvolle Geschichte, aus der nur einzelne Direktionen mit bemerkenswerten künstlerischen Leistungen herausragen. Trotzdem wurde es zu einem Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. In seiner zweiten Linzer Direktion 1839–1843 brachte Josef Pellet (1810–1866) vor allem italienische Opern von Bellini und Gaetano Donizetti (1797–1848), aber auch französische und deutsche Opern. So leitete Zappe am 2.10.1840 die Linzer Erstaufführung von Beethovens Fidelio. Bruckners Präparandenkurs begann allerdings erst am 15.10.1840, an dem Heinrich Marschners (1795–1861) Der Templer und die Jüdin aufgeführt wurde. In der ebenfalls zweiten Direktion von Eduard Neufeld (eigentl. Johann Weißenhorn, * ca. 1798 [Ort?], † 28.5.1852 Linz) 1843–1849 erlebte die Posse, und hier vor allem jene von Johann Nestroy (1801–1862) eine Blütezeit. Die Oper hingegen konnte das Niveau der Ära Pellet nicht erreichen. Allerdings wurde 1848 mit Ernani erstmals ein Werk von Verdi in Linz aufgeführt. Im selben Jahr fand auch die Uraufführung der Oper Der Cid des Linzer Kapellmeisters Emil Mayer (1822–1868) statt. Nach der Revolution von 1848 begann 1849 eine wechselhafte Epoche in der Geschichte des Linzer Theaters. Das Publikumsinteresse wurde durch mehrere Umstände abgelenkt. Das öffentliche Vereinsleben wurde nach und nach reger und spielte sich vor allem in Gasthäusern und Vereinslokalen ab. Mit der Eisenbahn gelangte man nun schneller nach Wien und konnte daher dort Theateraufführungen besuchen.

Unter der Direktion von Franz Stöckl (1849–1852) erlebte die Oper eine neue Blütezeit, weiters fanden vortreffliche Possenaufführungen statt. Auf dem Spielplan standen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Verdis Nabucco sowie Opern von Donizetti, aber auch von deutschsprachigen Komponisten wie Weber, Albert Lortzing (1801–1851) und Conradin Kreutzer (1780–1849). Friedrich von Flotows (1812–1883) Martha wurde in Linz bereits zwei Jahre nach der Wiener Uraufführung gespielt, 1851 erlebte Giacomo Meyerbeers (1791–1864) Prophet eine begeistert aufgenommene Erstaufführung. 1852 trat E. Neufeld seine dritte, wenn auch nur sehr kurze Direktion an, 1852–1855 folgte Andreas August Pütz, der einen reichhaltigen Opernspielplan bot – mit I due Foscari und Rigoletto von Verdi – und erstmals Richard Wagners Tannhäuser ankündigte.

Wie oft Bruckner in seinen Linzer Jahren das Theater besuchte, ist fraglich. „Aus religiösen Gründen besuchte er in der ersten Zeit das Theater überhaupt nicht, da es ihm von den Geistlichen als eine ‚Brutstätte des Teufels‘ dargestellt wurde. Erst in späteren Jahren machte er bei Mozart-Opern, die damals sehr gut gegeben wurden, und wenigen anderen musikalisch wertvollen Werken eine Ausnahme.“ (Göll.-A. 3/1, S. 21). Nur einige wenige Aufführungsbesuche sind belegbar.

1855–1857 leitete Ida Schuselka-Brüning (1817–1903) das Theater. Das vielseitige Repertoire bot Klassiker, Volksstücke, Lustspiele und Possen, aber auch Opernuraufführungen von Linzer Komponisten, wie etwa Oswald von Wolkenstein des bereits erwähnten E. Mayer und Bianca Siffredi vom Linzer Kapellmeister Johannes Franz Dupont (1822–1876).

1857–1863 stand das Theater unter der Leitung von Eduard Kreibig (1810–1888). Seine Direktion zählt zu einer der besten der Linzer Theatergeschichte. Sogar A. Stifter äußerte sich darüber in der Linzer Zeitung: „In dieser Stadt in Hinsicht der Kunst sehr vereinsamt, habe ich im Theater oft eine Erhebung gefunden, die ich hier nicht erwartet hätte. Sie haben uns öfter, als man von einer Provinzbühne fordern könnte, großartige Werke vorgeführt und meistens sehr gut“ (zit. n. Schmidt, S. 31). Kreibig blieb auch einer der wenigen, dessen Direktion dem Linzer Theater keine finanziellen Verluste einbrachte. Er bot einen vielseitigen Spielplan, auf dem Klassikeraufführungen und publikumswirksame Possen ebenso wie Lokalstücke und französische Dramen nebeneinander bestehen konnten. Erstmals wurden in Linz mit zwei Offenbach-Einaktern Operetten aus Frankreich aufgeführt, 1861 folgte schon die 1860 uraufgeführte erste „Wiener“ Operette Das Pensionat von Franz von Suppé (1819–1895), 1862 Orpheus in der Unterwelt von Jacques Offenbach (1819–1880). In den sechs Jahren von Kreibigs Direktion wurden 68 Opern aufgeführt, u. a. am 12.10.1857 Troubadour und 1858 Macbeth von Verdi sowie am 12.2.1863 Tannhäuser von Wagner. Diese Aufführung ist eine der wenigen, von der bekannt ist, dass Bruckner sie besucht hat. Durch seinen Lehrer Otto Kitzler, der als 1. Kapellmeister am Theater engagiert war, wurde er in die Klangwelt der damaligen Moderne, in die Werke Wagners, Franz Liszts und Hector Berlioz‘ eingeführt (Neudeutsche Schule). Hier dürfte Bruckner auch Ignaz Dorn kennengelernt haben, der ab der Saison 1862/63 als Geiger am Theater angestellt war.

Kitzler hatte von Wagner persönlich die Erlaubnis erhalten, den Tannhäuser in Linz aufzuführen. Die Aufführung „war eine solche, daß im Ganzen die gehegten Erwartungen weit übertroffen wurden. Kapellmeister Kitzler ist für die große Mühe des Einstudierens dieses Werkes, wie hier noch nie ein schwierigeres über die Bretter gegangen, belohnt worden. Das gedrängt volle Haus folgte mit Spannung bis zum letzten Bogenstriche, und zeichnete ihn durch wi[e]derhohlten Hervorruf aus. Schon die Ouverture, welche gegen die hier herrschende Sitte, oder eigentlich Unsitte, in lautloser Stille angehört wurde, errang den lebhaftesten Beifall, ungeachtet der Schluß derselben durch die Unachtsamkeit der Ophcleiden ernstlich gefährdet wurde. Herr Zappe an der Spitze der Violinen, gebührt ein großer Theil des Verdienstes, daß die Aufführung der Ouverture so wie überhaupt der ganzen Oper in so zufriedenstellender Weise vor sich ging.“ (Abendbote 16.2.1863, [S. 2]). Die 2. Aufführung am 20.2. hinterließ einen noch tieferen Eindruck. Zu weiteren Aufführungen kam es nicht. Wagner hatte scheinbar nur zwei erlaubt, andererseits scheint das Vorhaben auch an Kreibig gescheitert zu sein, wie Kitzler berichtete: „Weitere Wiederholungen scheiterten an dem engherzigen Opfersinn vulgo Schmutz des Direktors Kreibig, der, weil er in 5 Wochen (zu Ostern) das Linzer Theater mit dem Grazer vertauschte, nicht zehn Louisd‘or für die weiteren Aufführungen bezahlen wollte.“ (Göll.-A. 3/1, S. 142f.).

Nach kurzen Direktionen von Carl Clement und Eduard Reimann (* ca. 1831 [Ort?], † 10.11.1898 Würzburg, Bayern/D) leitete Carl Pichler-Bodog (1833–1876) 1865/66 das Linzer Theater. Mit diesem fuhr Bruckner übrigens 1865 zur Aufführung von Tristan und Isolde nach München. Unter seiner Direktion wurden, neben zahlreichen Werken von Suppé und Offenbach, Verdis Traviata und zwei weitere Werke von R. Wagner aufgeführt: am 26.10.1865 Der Fliegende Holländer und am 28.2.1866 Lohengrin. Die Blätter für Theater, Musik und Kunst berichteten über die Aufführung des Fliegenden Holländer: „Die ehegestern an dem hiesigen landschaftlichen Theater erfolgte erste Aufführung der Oper: ‚Der fliegende Holländer‘, von Richard Wagner, war eine sehr gelungene. Unter den mitwirkenden Kräften verdienen Frl. König (Senta) und Hr. Sodoma (Holländer) für die meisterhafte Durchführung ihrer schwierigen Partien besonders hervorgehoben zu werden, sowie auch der Capellmeister Hr. Ruschak für die präcise und umsichtige Leitung alle Anerkennung verdient.“ (Blätter für Theater, Musik und Kunst 31.10.1865, S. 348). Auch die Aufführung des Lohengrin erhielt gute Kritiken: „Das zahlreich versammelte Publicum verfolgte vom Anfange bis zum Ende (von 7 bis 11 Uhr) die herrliche Musik mit größter Aufmerksamkeit und zeichnete nach jedem Actschlusse die in den ersten Partien beschäftigten Mitglieder und zumeist Frl. König (Elsa) und Frl. Wierer (Ortrud) durch Beifall und Hervorruf aus.“ (Blätter für Theater, Musik und bildende Kunst 9.3.1866, S. 79). Weitere Aufführungen von Bühnenwerken Wagners in Linz sollten erst ab 1885 folgen. Durch die Flucht des Direktors nach seiner Pfändung stürzte das Theater allerdings wieder in eine Krise.

Auf Pichler-Bodog folgte in den Jahren 1866/67 Hermann Sallmayer (1823–1886), der das klassische Drama sowie Operetten von Offenbach und Suppé spielte. Zuletzt ist schließlich noch Franz Thomé (1807–1872) zu nennen, der das Theater 1867–1870 leitete. Er brachte ebenfalls neue Operetten von Offenbach und Suppé, aber auch Opern von Ambroise Thomas (1811–1896) und Charles Gounod (1818–1893). Die Presse lobte allgemein das Niveau dieser Aufführungen.

Wesentlich enger als zum Theater gestalteten sich Bruckners Beziehungen zur Gesellschaft der Musikfreunde in Linz (ab 1864 Linzer Musikverein), die 1821 als Vereinigung von Berufsmusikern und Dilettanten in Gesang und Instrumentalspiel gegründet wurde. Jährlich fanden zwei Oratorienaufführungen und vier Konzerte mit sogenannten Mischprogrammen statt. An Oratorien standen vor allem Werke von Georg Friedrich Händel (1685–1759), Joseph Haydn und Felix Mendelssohn Bartholdy, aber auch beispielsweise Der Kreuzzug von Ludwig Paupie (1813–1864) auf dem Programm, weiters die großen Orchesterwerke von Haydn, Mozart und Beethoven. Bereits 1840/41 ist Bruckner als Besucher nachweisbar. Mit Karl Seiberl besuchte er Konzerte unter der Leitung von Zappe und lernte dabei Webers Freischütz- und Euryanthe-Ouvertüre sowie Beethovens Vierte Symphonie kennen. Unter Zappes Leitung gewannen die Programme wieder an Konturen, die Klassik erhielt wieder die „Oberhand, wiewohl auch zu dieser Zeit noch eine Trennung der einzelnen Sätze der Symphonien vorgenommen wurde“ (Göll.-A. 1, S. 155).

Ab 1839 stand der Verein unter der Leitung von Franz Xaver Mayr (* 6.2.1813 Linz, † 9.10.1849 Linz). 1847 wurde das Oratorium Paulus von Mendelssohn Bartholdy aufgeführt. Dass Bruckner das Konzert besuchte, wird von Wessely angenommen und ist zwar nicht nachweisbar, jedoch sehr wahrscheinlich. Bruckner notierte in seinen Studien in St. Florian ein Thema daraus (Stift St. Florian, Bruckner-Archiv, 20/5, fol. 2v). Auf Mayr folgten 1848 Emil Mayer (1822–1868) und 1853 Theodor Neubert-Abendroth. 1854 wurden Haydns Schöpfung und Beethovens Siebente Symphonie aufgeführt. In den Florianer Jahren Bruckners standen vor allem Werke von Mozart, Beethoven, Mendelssohn Bartholdy, aber auch von Meyerbeer auf dem Programm. Wie oft er Gelegenheit hatte, Konzerte des Linzer Musikvereins zu besuchen, ist nicht bekannt. „Bei den strengen Hausregeln war es dem Stiftsorganisten auch wohl nicht zu oft gegönnt, den abendlichen Konzerten des Linzer Musikvereins beizuwohnen“ (Göll.-A. 2/1, S. 219).

Ab 1856 leitete Anton M. Storch die Gesellschaft der Musikfreunde in Linz. In den folgenden Jahren wurden folgende Werke aufgeführt: 1857 das Stabat Mater von Alexis Lwoff (1798–1870), Christoph Columbus von Berlioz und das Oratorium Paulus von Mendelssohn Bartholdy. 1859 folgten Die erste Walpurgisnacht von Mendelssohn Bartholdy, wieder das Stabat Mater von Lwoff sowie Die Jahreszeiten von Haydn. Mit den Jahreszeiten von Haydn beendete Storch am Aschermittwoch 1860 seine künstlerische Leitung. Als Nachfolger wurde Engelbert Lanz bestellt. Unter seiner Führung wurden u. a. die Prometheus-Ouverture von Beethoven, das Klavierquartett von Mendelssohn Bartholdy und die Es-Dur-Symphonie von Haydn gespielt. 1861 erklang gemeinsam mit der Liedertafel „Frohsinn“ Athalia von Mendelssohn Bartholdy, 1862 das Oratorium Die heilige Nacht von Julius Schneider (1805–1885). 1863 legte E. Lanz die Leitung zurück. Am 22.10.1863 bat der Linzer Musikverein nun Bruckner, die Leitung zu übernehmen. In seinem Brief vom 6.11.1863 legte er seine künstlerischen Vorstellungen und Bedingungen dar: „Der Verein kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn ihm die Mittel beigeschafft werden, welche die ausübenden und unterstützenden Mitglieder sind.“ Könnten also ausreichend künstlerische Kräfte geworben werden, die sich mit Disziplin den Proben unterziehen wollten, dann könnte er auch durch seine artistische Leitung zur „Hebung in Beziehung auf die Kunst“ (Briefe I, 631106) mitwirken. Da seine Forderungen nicht erfüllt werden konnten, wurde Karl Weilnböck (1829–1891) als Nachfolger von Lanz bestellt. Ihm folgte 1865 Eduard Hauptmann, dann wieder Lanz.

In den nächsten Jahren standen u. a. die Kantate Des Heilands letzte Stunden (1865) von Louis Spohr (1784–1859) sowie Werke von Haydn und Mendelssohn Bartholdy (am 12.4.1866 Elias unter Leitung von Lanz und unter Mitwirkung der Liedertafel „Frohsinn“, am 22.12.1867 Walpurgisnacht unter Leitung von Lanz), ein Klavierkonzert von Mozart, Septett und C-Dur-Symphonie von Beethoven sowie die B-Dur-Symphonie von Robert Schumann auf dem Programm.

Die engsten Beziehungen bestanden zweifellos zur Liedertafel „Frohsinn“, der Bruckner durch viele Jahre verbunden war. Das musikalisch-kulturelle Angebot dieses Gesangvereines war sehr vielfältig. Neben der Pflege des deutschen Männergesangs standen von Anfang an auch vielfältige „Unterhaltungen“ im Mittelpunkt des Vereinslebens, wie es in der Chronik der Liedertafel „Frohsinn“ heißt: „Waren dann die Lieder verklungen, so gab es heitere Gespräche, launige Unterhaltung und schließlich öfter ein Tänzchen.“ (Kerschbaum, S. 5). Schon in den ersten Vereinsjahren standen Konzerte, Ausflüge, Mitwirkungen bei Messaufführungen, Wohltätigkeitskonzerte, Serenaden, Ständchen sowie verschiedenste Unterhaltungen – wie Abend- und Gartenunterhaltungen, häusliche Unterhaltungen, Damen- und Herrenabende – auf dem Programm. 1845–1855 stand Ferdinand Moritz Foßel (* 21.12.1809 Arnfels, Steiermark/A, † 14.1.1855 Linz), 1855–1860 A. M. Storch als Kapellmeister der Liedertafel vor.

Eine der ersten Veranstaltungen, der Bruckner wahrscheinlich beiwohnte, war ein Fest der Liedertafel zur Erinnerung an Mozarts 100. Geburtstag, das am 27.1.1856 im Theater stattfand. „Alle musikalischen Kräfte der Landeshauptstadt Linz vereinigten sich zu einem weihevollen Bunde, der der Verherrlichung des großen Meisters galt […]. Vor der Bühne stand Mozarts Büste, umgeben von Blumen und bekränzt mit Lorbeer; um sie gruppierten sich terrassenförmig die Sängerinnen, die Mitglieder der Liedertafel und das große, stark besetzte Orchester.“ (Kerschbaum, S. 22). In Bruckners Nachlass fand sich das Programmbuch zu diesem Konzert (Göll.-A. 2/1, S. 343). Im März 1856 wurde Bruckner als 2. Tenor ausübendes Mitglied der Liedertafel und wirkte daher sicherlich schon beim Gründungsfest am 30.3.1856 mit. Im September reiste er mit der Liedertafel zum Mozartfest nach Salzburg.

Die Liedertafel „Frohsinn“ hatte sich in ihrem nunmehr zwölfjährigen Bestehen schon zu einer fixen Institution des Linzer Kulturlebens entwickelt, wie die Kritik zum Gründungsfest am 22.3.1857 beweist: „Die raschen Fortschritte der Liedertafel unter der umsichtigen und thätigen Leitung des Chormeisters A. M. Storch machen jedes Concert derselben zu einem wahren Kunstgenuss. Die kunstbeseelte Sängerschar hat sich die Pflege des classischen Gesanges zur Hauptaufgabe gestellt und verfolgt ihr Ziel mit anerkennungswürdigem Eifer.“ (Kerschbaum, S. 24f.). Ein wesentlicher Bestandteil des Vereinslebens waren auch zahlreiche Faschingsveranstaltungen: Kostümfeste, Narrenabende, kostümierte Bälle usw., die meist unter einem aktuellen Motto standen.

Bereits am 2.9.1858 trat Bruckner – wie er angab – wegen gesundheitlicher Probleme als ausübendes Mitglied zurück, wie er in einem Brief an die Liedertafel erklärte, „daß seine Unfähigkeit zum Singen immer mehr und mehr zunimmt, namentlich durch die sich immer schneller einstellende, plötzliche Heiserkeit und durch beständigen Hustenreiz beim Singen“ und „ersucht aber zugleich, man möge ihn unter die Zahl der unterstützenden Mitglieder aufnehmen, und versichert den löbl. Verein, jederzeit mit Vergnügen Dienste zu leisten, wenn solche von ihm gewünscht werden sollten“ (Briefe I, 580902).

Zu den Höhepunkten des Jahres 1859 zählte der Besuch des Wiener Männergesang-Vereins im August sowie die Feier zum 100. Geburtstag von Friedrich Schiller (1759–1805) am 8.11.1859 in den Redoutensälen. Am 15.4.1860 wurde Der Rose Pilgerfahrt von Schumann aufgeführt. Am 7.11.1860 wurde Bruckner auf Antrag Joseph Hafferls als Nachfolger von Matthäus Kirchberger (1826–1861) zum 1. Chormeister der Liedertafel „Frohsinn“ gewählt. Am 20.12.1860 dirigierte er erstmals öffentlich.

Bei einem „costümierte[n] Herrenjuxabend“ (Kerschbaum, S. 32) am 9.2.1861 im Vereinslokal trat Bruckner kostümiert als Napoleon III. auf. Selbst in dieser lockeren Faschingsstimmung konnte die Liedertafel unter der Leitung ihres neuen Chormeisters bewundernswerte Leistungen vollbringen: „Der schönste Beweis, was die Liedertafel kann, ist der, dass inmitten der Luft, wo alle Fibern der Fröhlichkeit erregt sind, wo wir bei derlei Scherzabenden in gesanglicher Beziehung nur Mittelmäßiges zu hören gewohnt waren, eine solche Präcision in der Aufführung herrschte, […]. Möge sie in ihrem Kunststreben sich eng an ihren tief und gründlich gebildeten Chormeister Herrn Bruckner anschließen, in ihm erkennen wir den Mann, der sie zum Ruhme und zur Ehre führen kann.“ (Kerschbaum, S. 32). Ein weiteres Zeugnis seines Könnens bewies Bruckner bei den Sängerfesten in Krems und Nürnberg im Sommer 1861.

Auf Bruckner folgte 1861–1863 wiederum Lanz als Chormeister. Am 23.12.1861 wirkte die Liedertafel „Frohsinn“ bei der Aufführung von Haydns Jahreszeiten durch den Linzer Musikverein mit. In den folgenden Jahren erklangen auch immer wieder Werke von Bruckner. So etwa am 1.5.1862 anlässlich der Grundsteinlegung des Neuen Domes in Linz, bei der die Liedertafel „Frohsinn“ die Festkantate von Bruckner sang. 1863–1865 leitete K. Weilnböck die Liedertafel „Frohsinn“. Am 12.2.1863 wirkte die Liedertafel bei der Linzer Erstaufführung des Tannhäuser mit und sang in Kostüm die beiden Pilgerchöre, „und erntete bei überfülltem Hause reichen Applaus“ (Kerschbaum, S. 40). Ein Großereignis war auch das 1. Oberösterreichisch-Salzburgische Sängerfest, das im Juni 1865 in Linz stattfand. Bruckners zu diesem Anlass komponierter Chor Germanenzug errang hinter Rudolf Weinwurms Germania den 2. Preis. 1865–1868 leitete E. Hauptmann die Liedertafel „Frohsinn“, im Jänner 1866 wurde Josef Ruzek (1834–1891) neuer Chormeister. Am 22.3.1866 wurde Wagners Liebesmahl der Apostel in einem Konzert, in dem u. a. Clara Schumann mitwirkte, aufgeführt. Beim Gründungsfest am 7.4.1867 in der Volksfesthalle wurde u. a. der Pilgerchor aus Tannhäuser, beim Damenabend am 5.8.1867 im Volksgarten der Einzugsmarsch aus diesem Werk gesungen.

Im Jänner 1868 wurde Bruckner wieder zum Chormeister der Liedertafel „Frohsinn“ bestellt, gleichzeitig wurde R. Wagner zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. Am 13.2.1868 dirigierte Bruckner bei einem Herrenabend unter dem Motto „Ein vergnügter Abend!“ in Seegs Lokalitäten in Urfahr u. a. sein Vaterländisches Weinlied.

Für das Gründungsfestkonzert der Liedertafel „Frohsinn“ am 4.4.1868, hatte Bruckner von Wagner einen Chor erbeten. Neben dem Chor der Ritter und Edelfrauen aus dem 2. Akt von Wagners Tannhäuser erklang daher der Schlusschor aus seiner neuen Oper Die Meistersinger von Nürnberg, die erst im Juni desselben Jahres in München uraufgeführt werden sollte. Die Aufführung war ein großer Erfolg: „Das größte Verdienst möchten wir aber dem Chormeister der Liedertafel, unserem ausgezeichneten Domorganisten Herrn Bruckner, zuschreiben“ (Linzer Zeitung 7.4.1868, S. 329).

Beim Konzert beider Linzer Gesangvereine – Liedertafel „Frohsinn“ und Männergesang-Verein „Sängerbund“ – am 12.9.1868 auf dem Volksfestplatz dirigierte Bruckner den Doppelchor Oedipus auf Kolonos von Mendelssohn Bartholdy, Loreley von Friedrich Silcher (1789–1860) und seinen Männerchor Germanenzug. Es war dies sein letztes Auftreten als Dirigent in seiner Linzer Zeit.

Auch nach seiner Übersiedlung nach Wien blieb Bruckner der oberösterreichischen Landeshauptstadt verbunden. Die Sommerferien (Urlaube), zumeist im August und/oder September, verbrachte er nicht nur in St. Florian, Vöcklabruck, Kremsmünster und Steyr, sondern auch immer wieder in Linz. Auch im Zusammenhang mit größeren Reisen hielt sich Bruckner wiederholt dort auf: so reiste er im April 1869 von hier nach Nancy, kam im September 1873 aus Bayreuth nach Linz, ebenso im August 1880 von seiner Schweizerreise. Er pflegte weiterhin persönliche Kontakte zur Liedertafel „Frohsinn“, Alois Weinwurm und Karl Waldeck; bei Josef Maria Kaiser bestellte er für drei Symphonien Widmungsblätter; Franz Schimatschek war einer seiner wichtigsten Kopisten. Wie auch in einem Nachruf in der Linzer Tages-Post vom 14.10.1896 zu lesen ist: „Dr. Bruckner unterhielt in Linz mit vielen Persönlichkeiten einen anregenden Verkehr und brachte der aufstrebenden Landeshauptstadt warme Sympathie und großes Interesse entgegen. Auch wir hatten das große Vergnügen, den Meister fast jedes Jahr, wenn er sich auf der Durchreise in Linz befand, in unserer Redaction begrüßen zu können, woselbst er gern ein halbes Stündchen verplauderte.“ (Linzer Tages-Post 14.10.1896, S. 3).

Bereits am 24.3.1869, Ostersonntag, spielte er zum Hochamt im Alten Dom die Orgel. Am 9.6.1869 wurde er zum Ehrenmitglied der Liedertafel „Frohsinn“ ernannt (Ehrungen). Am 29.9.1869 wirkte er bei der Uraufführung der Messe in e-Moll am neuen Domplatz mit.

Beim oberösterreichischen Lehrertag, der zumeist im September stattfand, gab er im Dom jeweils ein Orgelkonzert. Ebenso wirkte er am 4.12.1884 beim Requiem für Bischof Rudigier mit: „Erwähnung verdient noch, daß die Orgel von unserem berühmten Meister Herrn Anton Bruckner gespielt wurde, der in dieser Nacht von Wien herbeigeeilt war, um seinen Bischof, der ihn sehr hoch schätzte, noch zu sehen.“ (Linzer Volksblatt 4.12.1884, S. 2). Auch beim 100-Jahr-Jubiläum der Diözese Linz wirkte Bruckner beim Hochamt am 4.10.1885 mit: „Meister Bruckner selbst spielte die Orgel und entzückte in seinen herrlichen Präludien alle Anwesenden.“ (Linzer Volksblatt 6.10.1885, S. 3). Bei der 25-Jahrfeier der Grundsteinlegung des Neuen Domes am 29.9.1887 wurde das Te Deum, „die grandiose Schöpfung unseres heimatlichen Künstlers Anton Bruckner“ (Linzer Volksblatt 1.10.1887, S. 3), besonders hervorgehoben. Zur Inthronisation des neuen Bischofs Franz Maria Doppelbauer am 5.5.1889 war Bruckner zwar als Organist eingeladen, es wurde jedoch nur sein „Tota pulchra es, Maria“ aufgeführt.

Im Juni 1893 wurde das von Anton Miksch (1856–1931) gemalte Ölporträt (IKO 67; Ikonografie) Bruckners, „des in und außerhalb Oesterreichs rühmlichst bekannten Herrn Professors und Hoforganisten Anton Bruckner“ im „Schaufenster des Herrn Ploy & Comp. in der Schmidthorstraße“ ausgestellt (Linzer Volksblatt 7.6.1893, S. 5). Im selben Jahr bestellte die Oberösterreichische Landesgalerie bei Josef Büche (1848–1917) ein Porträt (IKO 66) für ihre Bestände (Linzer Tages-Post 23.8.1893, S. 4). Am 11.7.1894 wurde Bruckner, „von dem ein Abglanz auch auf seine Heimat Oberösterreich insbesondere auf die Landeshauptstadt Linz als der Stätte seiner langjährigen künstlerischen Werke zurückfällt“ (Linzer Volksblatt 13.7.1894, S. 3), zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.

Die Nekrologe der Linzer Zeitungen betrauerten den Tod Bruckners: „Die Tonkunst hat einen schweren Verlust erlitten und unser Heimatland einen seiner edelsten Söhne verloren.“ (Linzer Volksblatt 13.10.1896, S. 3); „Diese Trauerbotschaft wird besonders in unserem Kronlande schmerzliche Bewegung hervorrufen, da das Land mit Bruckner einen seiner größten und hervorragendsten Söhne verliert.“ (Linzer Tages-Post 13.10.1896, S. 4).

Die 1823 von der Gesellschaft der Musikfreunde (ab 1864 Linzer Musikverein) eingerichtete öffentliche Musikschule erhielt 1932 den Rang eines Landeskonservatoriums („Bruckner-Konservatorium“) und wurde 2004 in Anton Bruckner Privatuniversität umbenannt. Zahlreiche Gedenktafeln und Denkmäler erinnern an Bruckners Wohnungen, Ausbildungs- und Wirkungsstätten in Linz. Wirkungsstätten in Linz. 2013 öffnete ein Spitzenrestaurant mit dem an Bruckner anspielenden Namen „Das Anton“ im Musiktheater seine Pforten.

Literatur

ANDREA HARRANDT, WALTER SCHUSTER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 25.10.2021

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