Litanei (WAB 132)
(Vierstimmiger) gemischter Chor und Blechbläser
EZ: | ca. 1844 |
Aut.: | verschollen |
Bruckner erinnerte sich „noch in späten Tagen […] öfter eines zur selben Zeit [d. h. zur Entstehungszeit der Messe ohne Gloria in d-Moll] mit besonderer Liebe gearbeiteten Werkes, einer Litanei für gemischten Chor und Blechbläser, die wieder aufzufinden trotz wiederholter Bemühungen leider nicht gelungen ist“ (Göll.-A. 1, S. 253; Verschollenes).
In Renate Grasbergers 1977 ediertem Werkverzeichnis Anton Bruckner (WAB) deutet die Nennung der Entstehungszeit von WAB 132 „um 1844 oder um 1858“ (S. 153) auf zwei verschiedene Litaneien hin. Ikarus Kaiser konnte im Rahmen seiner Forschungsarbeit diese Angabe klären, denn er entdeckte im Zuge seiner Aufarbeitung und wissenschaftlichen Erschließung historischer Notenbestände aus 20 Pfarrkirchen in Oberösterreich eine Abschrift einer von Simon Sechter am 3.8.1855 komponierten Litanei in Es für vierstimmigen Chor, Orgel, Streicher, Klarinetten und Hörner. Diese bislang unbekannte Sechter’sche Litanei wurde drei Jahre nach ihrer Entstehung am 12.9.1858 vermutlich unter der Leitung von Bruckner in Linz aufgeführt. Die Abschrift mit der möglicherweise autografen Aufführungsdatierung von Bruckner befindet sich heute im Notenarchiv der Stadtpfarrkirche Linz (Sch. 8/Fasz. 129; Kaiser, S. 28–31). Bruckner sandte also 1858 nicht eine Litanei „seinem Lehrer zur Durchsicht“ (Göll.-A. 4/3, S. 56), sondern schickte das Sechter’sche Autograf zurück an den Komponisten, der sich in seinem Brief vom 26.9.1858 auf die Aufführung seines Werkes bezog. „Ihren Brief vom 22. dieses Monats, samt dem Paquet mit der Litanei habe ich gestern erhalten, und mich erfreut, daß sie Beifall gefunden hat.“ (Briefe I, 580926).
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 253, 3/1, S. 56
- WABRenate Grasberger, Werkverzeichnis Anton Bruckner (WAB) (Publikationen des Instituts für Österreichische Musikdokumentation 7). Tutzing 1977
- Franz Scheder, Bruckner-Incerta, in: Bruckner-Symposion 2004Theophil Antonicek/Andreas Lindner/Klaus Petermayr (Hg.), Bruckner-Symposion. Kunst und Wahrheit. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 2004. 23.–26. September 2004. Bericht. Linz 2008, S. 129–159
- Ikarus Kaiser, Wiederentdeckte musikalische Raritäten in kirchlichen Archiven Oberösterreichs. Ein Neubeginn in der Erschließung verstreuter Quellen zur Musikgeschichte, in: Querstand. Beiträge zu Kunst und Kultur. Regensburg 2006, Bd. 2, S. 11–47
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009