Stremayr, Karl Anton Franz (Ritter) von
* 30.10.1823 Graz, Steiermark/A, † 22.6.1904 Pottschach, Niederösterreich/A. Jurist, Politiker. Er absolvierte die juridischen Studien an der Universität Graz (Dr. jur. 1846). Im selben Jahr war er bei der Finanzprokuratur in Graz, 1848/49 (jüngster) Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung (liberale Richtung); 1861 steiermärkischer Landtagsabgeordneter; 1868 Ministerialrat im Ministerium des Inneren, 1869–1880 Reichsratsabgeordneter, ab 1889 lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses; 1870/71 zweimal und 1871–1880 abermals Minister für Kultus und Unterricht, 1879/80 auch Justizminister sowie 1891–1899 1. Präsident des Obersten Gerichtshofes. Er war einer der profiliertesten österreichischen Politiker der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in dessen Lebenslauf sich die politische Entwicklung dieser Zeit spiegelt. Seine Hauptverdienste sind der Ausbau der kirchenpolitischen Reformgesetzgebung unter Vermeidung eines Kulturkampfes, die Förderung des Schul- und Hochschulwesens (u. a. 1875 Gründung der Universität Czernowitz) und der Industrie. Er verfasste das autobiografische Werk Erinnerungen aus dem Leben. Seinen Kindern und Enkeln erzählt (1899).
Das Stremayr attestierte Prädikat „Freund der Musen“ (Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 9 [1906], S. 124) kommt auch in seinem Verhältnis zu Bruckner zum Ausdruck. Schon 1870 hatte er ihm ein Künstlerstipendium von 400 fl bewilligt. Am 27.1.1873 wandte sich Bruckner jedoch vergeblich mit seinem Gesuch um „eine bleibende im Budget gesicherte und vorgesorgte Subvention“ (Briefe I, 730127) direkt an Stremayr. Trotzdem richtete er am 18.4.1874, vermutlich auf die persönliche Gewogenheit Stremayrs vertrauend, sein Ansuchen um fixe Anstellung an der Universität Wien direkt an das Ministerium für Kultus und Unterricht, in dem er von einer „äußerst aufmunternden hohen Anerkennung“ (Briefe I, 740418) für seine Messe in f‑Moll seitens des Ministers schrieb. Die zunächst konsequent ablehnende Haltung des vom Professorenkollegium der Universität Wien bestellten Gutachters Eduard Hanslick dürfte durch die Intervention Stremayrs gebrochen worden sein, sodass Bruckner mit Erlass vom 8.11.1875 vom Ministerium zum unbesoldeten (seit 1880 jährliche Remuneration von 800 fl) Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität Wien ernannt wurde. Er brachte seine Dankbarkeit 1878 durch die Widmung der Fünften Symphonie an Stremayr zum Ausdruck (ÖNB‑MS, Mus.Hs.6064, Widmungsexemplar).
Literatur
- Art. „Stremayr, Karl Ritter von“, in: WurzbachConstantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 60. Bde. Wien 1856–1891. Online abrufbar unter: 40 (1880), S. 36–39
- Karl Freiherr von Lemayer, Art. „Stremayr, Karl Anton Franz von“, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog 9 (1906), S. 118–126
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/1–2
- Gertrud Elisabeth Zündel, Karl von Stremayr. Diss. Wien 1944
- Karl Köck, Dr. Karl Stremayr in seinem Verhältnis zur Wissenschaft, Kunst und Industrie betrachtet. Diss. Wien 1950
- Bruckner. Musik und LebenLeopold Nowak, Anton Bruckner. Musik und Leben. Linz 1973
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009