Hanslick, Eduard

* 11.9.1825 Prag/Böhmen (Praha/CZ), † 6.8.1904 Baden, Niederösterreich/A. Kritiker und Musikgelehrter.

Ausbildung in Prag durch Wenzel Johann Tomaschek (1774–1850; Musiktheorie, Komposition, Klavier). Lebte ab 1846 – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – in Wien, wo er 1849 sein bereits in Prag begonnenes Jus-Studium mit dem Doktorat abschloss. 1850 Fiskalbeamter in Klagenfurt, danach Tätigkeit im Finanz‑ und Kultusminsterium. 1854 veröffentlichte er seine Schrift Vom Musikalisch-Schönen, die aufgrund ihrer formal-ästhetischen Position heftige Diskussionen auslöste und zu Hanslicks Lebzeiten in zehn (meistens ergänzten und veränderten) Auflagen erschien. 1856 habilitierte er sich mit dieser Schrift als Privatdozent für Geschichte und Ästhetik der Musik an der Universität Wien und war somit der erste, der in Wien die Musik zum wissenschaftlichen Lehrfach erhob (Musikwissenschaft). Bis 1895 hatte Hanslick sein Amt an der Wiener Universität inne, ab 1870 als ordentlicher Professor. 1869 veröffentlichte er seine Geschichte des Concertwesens in Wien, eine bis heute grundlegende Arbeit.

Als Mitglied des Professorenkollegiums wurde Hanslick vom Dekan der philosophischen Fakultät, Ottokar Lorenz (1832–1904), beauftragt, eine Stellungnahme über Bruckners Ansuchen um „Aufnahme als Lehrer der musikalischen Composition“ (Lach, S. 25; Briefe I, 671102) vorzulegen, das Bruckner noch vor seiner Übersiedlung nach Wien am 2.11.1867 verfasste. Am 16.11.1867 empfahl Hanslick die Ablehnung Bruckners (Lach, S. 27f.; dazu auch Brief Lorenz‘ an Bruckner, Briefe I, 671120) mit dem Verweis auf den vergleichbaren ablehnenden Bescheid zu Rudolf Weinwurms Gesuch um Anstellung als Lehrer für Generalbass und Harmonielehre aus dem Jahr 1862 (Archiv der Universität Wien, Personalakt R. Weinwurm, PH PA 3683). Nach weiteren Anträgen Bruckners auf Anstellung an der Universität Wien und deren Abweisungen durch das Professorenkollegium auf Empfehlung Hanslicks im Jahr 1874 richtete Bruckner am 12.7.1875 sein Bittschreiben direkt an das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht (Lach, S. 40; Briefe I, 750712) und wurde im November 1875 mit einem positiven Bescheid belohnt. Unterrichtsminister Karl Anton Franz von Stremayr befand am 8.11.1875, Bruckner „als unbesoldeten Lector für Harmonielehre und Contrapunkt“ zuzulassen (Lach, S. 43).

Bereits in seinen Prager Jahren hatte sich Hanslick als Musikkritiker betätigt (ab 1844). In Wien erschienen seine Rezensionen zunächst in der Wiener Zeitung sowie in verschiedenen Blättern, ab 1864 bis zu seinem Tod hatte er das Musikfeuilleton der Presse bzw. Neuen Freien Presse inne. Durch scharfsinnige Argumentation und brillanten Stil rückte Hanslick zum maßgeblichen Kritiker Wiens auf und erwarb sich darüber hinaus auch internationale Beachtung. Mehrere seiner Kritiken wurden für das 1852–1881 in Boston erscheinende Dwight’s Journal of Music ins Englische übersetzt. Durch seine Doppelfunktion als Kritiker und Universitätslehrer gelangte er zu beherrschendem Einfluss auf das gesamte Musikleben Wiens.

Hanslick selbst sah sich keineswegs als Verfechter eines rein konservativen Standpunkts, wohl aber verteidigte er stets die Verbundenheit neuer Musik mit klassischen Formen, wie sich ihm dies im Werk von Johannes Brahms am vollkommensten offenbarte. Hingegen wandte er sich scharf und ablehnend gegen die zunehmende Literarisierung in der Musik bei Hector Berlioz, Franz Liszt, Richard Strauss u. a., die für ihn die Eigenlogik der Tonkunst gefährde, sowie gegen Richard Wagner (den er anfänglich schätzte), vor allem aber gegen dessen Nachahmer, zu denen er auch Bruckner zählte. Den Orgelvirtuosen und Theoretiker Bruckner achtete er, doch für den Komponisten hegte er kein Verständnis, obwohl er für einzelne Werke (Te Deum) anerkennende Worte fand. Bruckner erzählte laut Max Auer, dass er anfangs die volle Gunst Hanslicks besaß, „der herrliche Kritiken über meine Messe [in f-Moll] und mein Orgelspiel erscheinen ließ“ (Göll.-A. 4/1, S. 204). Von den Symphonien und ihrem „traumverwirrten Katzenjammerstyl“ (Neue Freie Presse 23.12.1892, S. 1) fühlte er sich aber regelrecht abgestoßen. Hanslick nahm zwar eine wichtige Position im Parteienkrieg ein, der um Bruckner und Brahms bzw. um die von ihnen vertretene Richtung entstand, das Klischee des Bruckner-Feindes und Brahms-Freundes Hanslick repräsentiert jedoch in Anbetracht der gegenüber Brahms‘ Musik ablehnenden Kritiken nicht seine innerste Überzeugung. Und dennoch fühlte sich Bruckner nachweislich von Hanslick unterdrückt und verfolgt. In einem Brief berichtete er Wilhelm Tappert von seiner Gewissheit, dass Hanslick wegen dessen Tätigkeit als Lektor an der Universität Wien „ein böser Gegner geworden“ (Briefe I, 761001) war. Bei einer Audienz bat er sogar Kaiser Franz Joseph I., etwas gegen Hanslicks Angriffe zu unternehmen. Hanslick wiederum dürfte – in Übereinstimmung mit Brahms – den Komponisten Bruckner bloß als ephemere Erscheinung ohne tiefere Bedeutung angesehen haben. In seinen Memoiren (Aus meinem Leben, 1894), die Charakteristiken zahlreicher zeitgenössischer Musikerpersönlichkeiten enthalten, erfährt der Name Bruckner keine Erwähnung.

Otto Böhler hielt um 1895 Bruckners manchmal problematisches Verhältnis zu Wiener Musikkritikern (neben Hanslick Richard Heuberger und Max Kalbeck) in einer Karikatur fest (IKO 78, 79; Ikonografie).

Werke
  • Lieder
Schriften
  • Vom Musikalisch-Schönen. Ein Beitrag zur Revision der Ästhetik der Tonkunst. Leipzig 1854
  • Geschichte des Concertwesens in Wien. Wien 1869
  • Die moderne Oper. 9 Bde. Berlin 1875–1900
  • Aus meinem Leben. Berlin 1894
Literatur

CLEMENS HÖSLINGER, ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 5.3.2019

Medien

Kategorien

Abbildungen

Abbildung 1: Eduard Hanslick, in: Deutsche Musik-Zeitung 1 (1874) H. 43, S. 1

Normdaten (GND)

Hanslick, Eduard: 118545825

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft