Graz
Hauptstadt des österreichischen Bundeslandes Steiermark, an der Mur gelegen. 1585/86 Gründung der Universität, 1811 Gründung des Joanneums durch Erzherzog Johann (1782–1859), 1815 Gründung des Steiermärkischen Musikvereins, seit 1840 Entwicklung zur Großstadt. Um 1890 (als Hauptstadt des habsburgischen Kronlandes Steiermark): ca. 100.000, 2019: ca. 288.800 EW.
Obwohl die Musikbewegung der sogenannten Neudeutschen auch auf das Grazer Musikleben großen Einfluss ausübte, setzte die Bruckner-Rezeption hierorts erst nach Gründung (1873) des Grazer Richard-Wagner-Vereins ein, der sich – insbesondere unter Friedrich von Hausegger – in Verbindung mit dem Steiermärkischen Musikverein sowie dem Grazer Singverein fortan nachhaltig für die Aufführung Bruckner‘scher Werke einsetzte. In Graz fanden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine österreichische Erstaufführung und eine Uraufführung von Bruckner-Werken statt.
Am 14.3.1886 erklang im neu erbauten Stephaniensaal als österreichische Erstaufführung die Siebente Symphonie unter der Leitung von Karl Muck und unter Mitwirkung von Tubenbläsern der Wiener Hofoper. Es war dies ein Konzert des Steiermärkischen Musikvereins, der damals von Carl Maria von Savenau geleitet wurde. Bruckner war persönlich anwesend und folgte damit einer Einladung des Grazer Singvereins, die auf Betreiben eines Mitgliedes des Grazer Wagner-Kreises, Zahnarzt Heinrich Potpeschnigg (1847–1932), ausgesprochen worden war. Bei dieser Gelegenheit lernte er auch Friedrich von Hausegger kennen.
„Tota pulchra es, Maria“ erfuhr die Grazer Erstaufführung im Rahmen des 106. Vereinskonzertes des Grazer Singvereins unter der Leitung von Leopold Wegschaider (1838–1916) am 24.3.1889 im Stephaniensaal. Wegschaider leitete dort auch am 1.3.1891 die Grazer Erstaufführung des Germanenzug im 2. Vereinskonzert des Grazer Männergesangvereins. Die Grazer Erstaufführung der Vierten Symphonie (vermutlich in der 3. Fassung) fand unter Josef Schalk am 1.2.1891 im Stephaniensaal statt.
Die Uraufführung der Orchesterfassung der 1887 in Wien durch die Brüder Schalk auf zwei Klavieren vorgestellten Fünften Symphonie fand unter Franz Schalk und Orchestermitgliedern der Vereinigten Bühnen Graz am 9.4.1894 im Theater am Stadtpark statt. Gespielt wurde eine Fassung des Dirigenten, die im Wesentlichen die Stichvorlage für die umstrittene Erstausgabe von 1896 bildete. Nachweislich anwesend waren u. a. die Bruckner-Schüler August Stradal, J. Schalk und der für die Finanzierung der Herstellung des Stimmenmaterials verantwortliche Max von Oberleithner.
Die Grazer Erstaufführung der Neunten Symphonie leitete im Rahmen eines Gastspiels des Wiener Konzert-Vereins Ferdinand Löwe am 15.4.1904 in der Industriehalle. Gespielt wurde nach dem von Löwe 1903 selbst vorgelegten, mit instrumentalen Änderungen versehenen und bereits bei der Wiener Uraufführung im selben Jahr verwendeten Erstdruck.
In einem gemeinsamen Konzert des Grazer Singvereins und des Grazer Männergesangvereins erfuhr das Te Deum die Grazer Erstaufführung unter der Leitung von Franz Weiss (1874–?) am 10.4.1905 in der Industriehalle.
Im Rahmen des in Graz abgehaltenen 41. Tonkünstlerfestes des Allgemeinen Deutschen Musikvereins dirigierte Löwe die Grazer Erstaufführung der Achten Symphonie am 2.6.1905 in der Industriehalle. Maßgeblich verantwortlich zeichnete dafür Ernst Decsey.
Im Park des Palais Meran, dem heutigen Hauptsitz der Universität für Musik und darstellende Kunst, befindet sich eine Bruckner-Büste von Wolfgang Skala ([1904–1990]; IKO 485, Ikonografie, Gedenkstätten), die die Stadt 1986 gemeinsam mit der Österreichischen Richard Wagner-Gesellschaft aufstellen ließ.
Literatur
- Gemeinsames Konzert des Grazer Männergesangvereines und des Grazer Singvereines, in: Grazer Tagblatt, Abend-Ausgabe 11.4.1905, S. 1f.
- Heinrich Potpeschnigg, Erinnerungen an Bruckner, in: Musica Divina 10 (1922) Nr. 9/10, S. 67ff.
- Cornelius Preiß, Anton Bruckners Beziehungen zu Graz und zur Steiermark, in: Grazer Volksblatt 31.8.1924, S. 2
- Rudolf Flotzinger (Hg.), Musik in der Steiermark. Katalog der Landesausstellung 1980. Graz 1980, S. 328f.
- Wolfgang Suppan, Kienzl – Savenau, in: Bruckner-Symposion 1984Othmar Wessely (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner, Wagner und die Neudeutschen in Österreich. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1984. 20.–23. September 1984. Bericht. Linz 1986, S. 189–200
- Thomas Leibnitz, Die Brüder Schalk und Anton Bruckner. Dargestellt an den Nachlaßbeständen der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Tutzing 1988, S. 178–191
- Erika Kaufmann (Hg.), 175 Jahre Musikverein für Steiermark, Graz 1815–1990. Graz 1990, S. 53ff., 66–71
- Bruckners Symphonien in BearbeitungenWolfgang Doebel, Bruckners Symphonien in Bearbeitungen. Die Konzepte der Bruckner-Schüler und ihre Rezeption bis zu Robert Haas (Publikationen des Instituts für Österreichische Musikdokumentation 24). Tutzing 2001, S. 150ff.
- Bruckner-Ikonographie IIIBruckner-Ikonographie. Teil 3: 1947 bis 2006. Nachträge zu Teil 1 und 2. Gesamtregister der Künstler (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 18). Wien 2007
- Erich Wolfgang Partsch, Eine „hochinteressante Novität“. Zur österreichischen Erstaufführung von Anton Bruckners Siebenter Symphonie in Graz, in: Blätter für Heimatkunde 82 (2008) H. 3, S. 75–80
- ABCD
- Ingrid Schubert, Art. „Graz“, in: www.musiklexikon.ac.at [17.8.2020]