Lancier-Quadrille (WAB 120)
Viersätzige Gelegenheitskomposition für Klavier zu zwei Händen in C‑Dur
EZ: | um 1850 in St. Florian |
W: | Aloisia Bogner („für Fräulein Luise Bogner“) |
UA: | ? |
Aut.: | ÖNB‑MS (Mus.Hs.19650) |
ED: | s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet) |
NGA: | Band XII/2 (Walburga Litschauer, 1988) mit Revisionsbericht (in verbesserter Aufl. 2000) |
Der Titel der vermutlich für den Klavierunterricht geschaffenen Komposition (im Autograf „Lancer Quadrille“) bezeichnet eine spezielle Form der Quadrille, die um 1820 in Mode kam und deren Name sich von einer Theateraufführung in Frankreich ableiten lässt, bei der dieser Tanz von Lanzenreitern („Lanciers“) mit Waffen und Fahnen ausgeführt wurde.
Im Gegensatz zur herkömmlichen Lancier-Quadrille, die im Allgemeinen fünf Touren umfasste, legte Bruckner seine manchmal „in einem fast ungehobelten Rohzustand“ (Brunner, S. 5) erscheinende Komposition viersätzig an („Eingang“, Nr. 2, Nr. 3, Coda). Er weicht u. a. auch in den Taktvorschriften von dem seit 1856 meist üblichen Schema ab. Vielleicht liegt hier eine in eigenständiger Lokaltradition entwickelte Form der Lancier-Quadrille vor. Bis auf den „Eingang“ sind keinerlei Titel verwendet.
Bruckner zitiert – einer beliebten Tradition folgend – in jedem der Sätze bekannte Opernmelodien seiner Zeit: Arien und Ensembles aus Gustav Albert Lortzings (1801–1851) Der Wildschütz und Zar und Zimmermann sowie aus Gaetano Donizettis (1797–1848) La fille du régiment (genaue Auflistung im Vorwort von NGA XII/2). Diese Opern wurden seit Beginn der 1840er Jahre in Linz gespielt, und es ist durchaus denkbar, dass Bruckner sie auf der Bühne gesehen hat.
Das in achttaktigen Phrasen ablaufende, harmonisch einfach gehaltene Werk zeigt den „quasi spontanen Zugriff des Tanzmusikers“ (Brunner, S. 5) und ist ein typisches Beispiel für geselliges Musizieren im häuslichen Kreis.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1, S. 39
- Walburga Litschauer, Bruckner und das romantische Klavierstück, in: Bruckner‑Symposion 1987Bruckner-Symposion. Bruckner und die Musik der Romantik. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1987. 16.–20. September 1987. Bericht. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz/Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH. Linz 1989, S. 105–110
- Wolfgang Brunner, Einführung, in: Anton Bruckner, Piano Works (CPO 999 256-2) 1995, Booklet, S. 4–7
- Andreas Jacob, Die Klavier- und Orgelwerke, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 322–332