Drei kleine Stücke (WAB 124/1-3)
Gelegenheitskompositionen für Klavier zu vier Händen
Nr. 1 in G‑Dur; Nr. 2 in G‑Dur: „Allegro moderato“; Nr. 3 in F‑Dur: „Langsam, feierlich“
EZ: | 1853–1855 (Nr. 1: 1853; Nr. 2: 1854; Nr. 3: 1855) in St. Florian |
W: | Maria und Josef Marböck |
UA: | ? |
Aut.: | ÖNB‑MS (Mus.Hs.3193) |
ED: | Universal-Edition, Wien 1925 (Josef Lorenz Wenzl [1883–1955]) |
NGA: | Band XII/3 mit Revisionsbericht (Walburga Litschauer, 1994) |
Die drei Stücke waren für das häusliche Musizieren bestimmt. Aus zahlreichen Kollisionen zwischen Primo und Secondo lässt sich schließen, dass sie unmittelbar in Stimmen notiert wurden. Mehrere von Bruckner mit Tinte eingetragene Fingersätze deuten darauf hin, dass er diese Kompositionen mit Marie und Josef Marböck, denen er in St. Florian Klavierunterricht (Lehrtätigkeit) erteilte, genau einstudierte. Die Mutter der beiden Kinder vermerkte auf dem Autograf, dass das erste Stück 1853, das zweite 1854 und das dritte 1855 jeweils am Namenstag ihres Gatten Joseph (19. März) im Familienkreis aufgeführt wurde.
Die technisch und künstlerisch progressive Anordnung gibt einen kleinen Einblick in den Klavierunterricht. Nr. 1 ist ein typisches Anfängerstück im Charakter eines Menuetts und das erste vierhändige für „Mari und Pepi“, die damals ca. sieben und sechs Jahre alt waren: Im Primo finden sich Oktavparallelen bzw. Einstimmigkeit. Nr. 2 weist bereits eine konkrete Tempobezeichnung und dynamische Vorschriften auf, überdies werden Unabhängigkeit der Hände bzw. Zweistimmigkeit in einer Hand verlangt (Secondo). Nr. 3 schließlich ist mit 54 Takten deutlich umfangreicher und musikalisch anspruchsvoller – auch in harmonischer Hinsicht (Zweiteiligkeit, Verwendung der Mediante A‑Dur).
Literatur
- Josef Lorenz Wenzl, Neue Bruckneriana. Auf Bruckners Lebenswegen. Drei Jugendwerke des Meisters, in: Zeitschrift für Musik 92 (1925) H. 11, S. 653–655
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1, S. 150ff., und 2/2, S. 178–183 (Faksimile)
- Walburga Litschauer, Bruckner und das romantische Klavierstück, in: Bruckner‑Symposion 1987Bruckner-Symposion. Bruckner und die Musik der Romantik. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1987. 16.–20. September 1987. Bericht. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz/Linzer Veranstaltungsgesellschaft mbH. Linz 1989, S. 105–110
- Andreas Jacob, Die Klavier- und Orgelwerke, in: Bruckner-Handbuch 2010Hans-Joachim Hinrichsen (Hg.), Bruckner-Handbuch. Stuttgart–Weimar 2010, S. 322–332