Ballett
Für die Ballett-Choreografie war Bruckners Musik lange Zeit ohne Bedeutung. Ende der 1990er Jahre begann der international renommierte Ballettchoreograf und langjährige Direktor des Leipziger Balletts (1991–2004) Uwe Scholz (1958–2004) mit der Erarbeitung einer Choreografie auf Basis von Bruckners Achter Symphonie (2. Fassung). Am 17.12.1999 gelangte Scholz‘ Choreografie zum 3. Satz zur Aufführung. Anlässlich seines zehnjährigen Dienstjubiläums in Leipzig wurde am 24.11.2001 an der Leipziger Oper seine Choreografie der gesamte Symphonie – mit verkürztem 4. Satz – unter dem Titel Bruckner 8 aufgeführt (mit dem Gewandhausorchester unter Olaf Henzold [* 1960]). Der Pas de deux, Kiyoko Kimura (* ?) und Christoph Böhm (* ?), interpretierte als Liebespaar die übergreifenden Leitmotive von Liebe, Leiden/Tod und Verklärung; es verkörperte im 3. Satz in tänzerischer Hochleistung Tristan und Isolde. Scholz setzte die Choreographie in so überzeugender Stilistik um, dass der Eindruck entstand, „Bruckner selbst habe die Bewegungen in seiner Musik ‚gedacht’.“ (www.scholzballets.com/rev9.html [15.12.2010]). Mit Bruckner 8 gelang ihm ein wegweisender Meilenstein zur Weiterentwicklung des sinfonischen Balletts.
Wenig später inszenierte Nikolaus Adler (* 1974) mit der Tanzkompanie x.IDA eine Choreografie zu Bruckners Streichquintett in F‑Dur. Diese wurde im Rahmen des Linzer Brucknerfestes ( Brucknerfeste und -feiern) am 26.9.2003 im Brucknerhaus Linz aufgeführt. Dabei musizierte das Anton Bruckner Quartett, unterstützt durch den Bratschisten Manabu Suzuki (* ?).
Jörg Mannes (* 1969), seit 2006/07 Ballettdirektor an der Staatsoper Hannover, inszenierte für das Bayerische Staatsballett eine Choreografie nach William Shakespeares (1564–1616) Der Sturm. Neben Werken von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840–1893) und Jean Sibelius (1865–1957), die die „Sturm“-Thematik beinhalten, verwendete er dafür den 1. und 4. Satz von Bruckners Vierter Symphonie (2. Fassung). Die Premiere fand am 8.12.2007 im Münchner Nationaltheater mit dem Bayerischen Staatsorchester unter der Leitung von David Robert Coleman (* 1969) statt. Mannes erklärte seine Musikwahl in einem Interview mit den Worten: „In Bruckners 4. Sinfonie gibt es diese letzte ‚Steigerungswelle‘ am Ende des 4. Satzes. Das passt unglaublich gut zu der Stelle, wo Ariel vielgestaltig als Hunde, Schakale und Tiger die Gestrandeten über die Insel jagt. Wenn man das heute isoliert spielen würde, würde jeder sagen: ‚Das ist Minimal Music, das ist unglaublich modern.‘ Es passt phantastisch zur Steigerung der Kreaturen, die die Leute über die Insel hetzen – ein Bild, das ich von Anfang an vor mir sah. Ich liebe Bruckner über alles, und das war auch Teil des Projekts hier.“ (Fürst, S. 9f.)
Literatur
- Bruckner 8. Ballett von Uwe Scholz, Musik von Anton Bruckner, Leipziger Ballett (Programmheft). Oper Leipzig 2001
- Anton Bruckner Quartett, Manabu Suzuki (Viola), Tanzkompanie x.IDA, Brucknerfest Linz 03 (Programmheft). Brucknerhaus Linz 26.9.2003
- Michael Wruss, Brucknerfest: Triviale Zugaben von x.IDA. Bruckner meets Barbie, in: OÖ Nachrichten, 29.9.2003, S. 10
- Robert Biskop, „Er wusste nur vom Tod, was alle wissen“, in: MT-Journal. Zeitschrift der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig Nr. 19 (Sommersemester 2005), S. 36
- Karl-Peter Fürst, Der Sturm. Der Wiener Jörg Mannes choreographiert Shakespeare, in: Takt. Das Magazin der Bayerischen Staatsoper, des Bayerischen Staatsballetts und des Bayerischen Staatsorchesters 14 (2007/08) H. 2, S. 6–11
- Marie-Babette Spranger, Anton Bruckner „8. Sinfonie“ Ballettpremiere. Die 8. Sinfonie – Eine Schicksalssinfonie?, in: www.scholzballets.com/rev9.html [15.12.2010]
- Uwe Scholz choreografiert „Bruckner 8“, in: www.tanznetz.de/blog/3564/uwe-scholz-choreografiert-bruckner-8 [15.12.2010]
- Martina Kausch, Uraufführung am Münchner Staatsballett. „Der Sturm“ von Shakespeare, in: www.welt.de/wams_print/article1421372/Urauffuehrung_am_Muenchner_Staatsballett.html [16.12. 2010]