Fitzner-Quartett
Das Fitzner-Quartett wurde 1894 vom Bruckner-Schüler Rudolf Fitzner (* 4.5.1868 Ernstbrunn, Niederösterreich/A, † 2.2.1934 Maxglan, Salzburg/A) gegründet. Neben Fitzner, der als 1. Violinist dem Quartett namensgebend vorstand, lässt sich bis zur Auflösung 1927 ein reger Wechsel in der Besetzung des Quartetts konstatieren: Die 2. Violine übernahm 1894–1901 Jaroslav Czerny (1864–1936), für kurze Zeit 1901–1902 Julius Zaiczek-Blankenau (1877–1929), danach 1902–1908 sowie 1921–1926 Theodor Hess (1881–1967) und 1908–1920 Maximilian Weißgärber. Als Bratschisten wirkten unter anderem 1894–1901 Otto Zert (1866–1907), 1901–1920 Jaroslav Czerny und 1921–1926 Heinrich Gräser (1885–1937) sowie als Cellisten 1894–1901 Friedrich Buxbaum (1869–1948), 1901–1920 Anton Walter (1883–1950) und 1921–1926 Hugo Kreisler (1863–1929) mit. Neben den jährlich in Wien ausgerichteten Soiréen (ca. vier bis fünf Veranstaltungen pro Konzertsaison) konzertierte das Quartett in ganz Europa sowie in Russland. Die zahlreichen Erst- und Uraufführungen, die unter der Mitwirkung des Quartetts stattfanden, umfassten unter anderem Kompositionen von Alexander Zemlinsky (1872–1942), Alexander Konstantinowitsch Glazunov (1865–1936), Ernst von Dohnányi (1877–1960) oder Julius Zellner (1832–1900). 1898 führten das Quartett erstmalig Arnold Schönbergs (1874–1951) Streichquartett in D-Dur in Wien auf.
Im Zuge des internen Vereinsabends des Wiener Akademischen Wagner-Vereins am 23.1.1904 spielte das um den Bratschisten Raimund Pirschl (1873–1938) erweiterte Fitzner-Quartett die posthume Uraufführung des Intermezzo in d-Moll. Nach Auffindung der autographen Partitur im Nachlass von Josef Schalk wurde das Intermezzo in d-Moll nebst dem Scherzo und dem Adagio aus dem Streichquintett in F-Dur gemäß Presseberichten direkt aus dem Manuskript aufgeführt. Naheliegender scheint, dass aus heute verschollenen, handschriftlichen Stimmen gespielt wurde. Die Ostdeutsche Rundschau rezensierte die Aufführung wie folgt: „Das Quartett Fitzner, verstärkt durch eine zweite Viola hatte die ehrenvolle Aufgabe zugewiesen erhalten, diesen Quintettsatz, den Bruckner als ‚Intermezzo‘ bezeichnet, aus dem Manuskripte zu spielen. Es entledigte sich dieser Aufgabe in glänzender Weise; zuerst wurde das Scherzo gebracht, dann das Intermezzo (gleichfalls in D-dur [sic]) und zum Schlusse das überirdisch herrliche Adagio.“ (Ostdeutsche Rundschau, 29.1.1904, S. 9). Bereits wenige Tage später, am 9.2.1904 folgte eine weitere Aufführung des Intermezzos und des vollständigen Streichquintetts, jedoch nicht durch das Fitzner-Quartett, sondern im Rahmen einer vom Rosé-Quartett veranstalteten Soirée. Ob sich daraus eine Unzufriedenheit über die Qualität der Uraufführung oder lediglich die Popularität der Novität ausdrückt, lässt sich nicht mehr nachvollziehen.
Während des Bestehens des Fitzner-Quartetts gelangte das Streichquintett in F-Dur bzw. Teile daraus jedoch mehrfach zur Aufführung: So bereits kurz nach Bruckners Tod am 2.12.1896 im ersten Kammermusikabend des Quartetts, am 24.4.1897 beim internen Vereinsabend des Wiener Akademischen Wagner-Vereins (nur das Adagio), am 3.1.1900 beim 2. Kammermusikabend des Quartetts (vollständig) sowie am 18.4.1910 beim 3. Kammermusikabend des Quartetts (vollständig, Viola: Karl Doktor [1885–1949]). Dass es sich beim Fitzner-Quartett ca. 1910 sowohl mit Blick auf die musikalische Qualität als auch die öffentliche Wahrnehmung um einen etablierten Klangkörper handelte, verdeutlicht die Rezension der letztgenannten Aufführung: „Und wie hold und liebevoll singt das seelenvolle, wahrhaft überirdisch schöne Adagio des F-Dur-Quintettes unseres Großmeisters Anton Bruckner aus Fitzners Geige! Weichliche Empfindsamkeit steht Fitzners Natur ebenso fern, wie kokettierendes Virtuosentum in den Allegro-Sätzen, Überall gesundes Wangenrot, keine Schminke! Nächst Fitzner fiel wiederum der Cellist, Herr Walter, durch seinen breiten, edlen, klangsatten und reinen Ton äußert vorteilhaft auf. Die Mittelstimmen hatten wenig Gelegenheit, speziell hervorzutreten; aber eben darum wiegt das Verdienst ihrer trefflichen, weder aufdringlichen, noch schüchternen Mitwirkung nicht minder schwer. […] Doch sei gleich jetzt mit hoher Freude und besonderer Genugtuung konstatiert, daß insbesondere das hochberühmte F-Dur-Quintett von Anton Bruckner den Zuhörern ganz ausnehmend gut gefiel und jeder Satz dieses hochgenialen Werkes einstimmigen und stürmischen Beifall fand. (Linzer Volksblatt 20.10.1910, S. 4)“. Weitere Aufführungen des Streichquintetts folgten am 18.12.1915 im Rahmen des 2. Abonnement-Konzerts in Graz (vollständig, Viola: Gustav Kinzel [1889–1967] sowie am 13.5.1924 im Rahmen eines Kammermusikabends im Neuen Saal der Hofburg (vollständig, Viola Karl Doktor).
Literatur
- Jahresberichte des Wiener Akademischen Wagner-Vereines. Hg. v. Wiener Akademischen Wagner-Verein. Wien 1873-1904
- Neues Wiener Journal, 2.12.1896, S. 6
- A. Ehrlich [d.i. Albert Henry Payne], Das Streichquartett in Wort und Bild. Leipzig 1898.
- Neues Wiener Journal, 29.12.1899, S. 6
- Kunst und Wissenschaft. Der Wiener Akademische Wagner-Verein, in: Ostdeutsche Rundschau 29.1.1904, S. 9
- Neues Wiener Journal, 30.1.1904, S. 10
- Linzer Volksblatt 20.10.1910, S. 4
- Grazer Tagblatt 20.12.1915, S. 4
- Der Morgen. Wiener Morgenblatt 5.1.1920, S. 3
- Reichspost 23.5.1924, S. 7
- Göll-A. 4/1, S. 540
- Göll-A. 4/4, S. 253
- Gerold W. Gruber, Anton Bruckner, Streichquintett in F-Dur (WAB 112), in: Bruckner-Jahrbuch 1994/95/96, S. 99–133 Linz 1997, S. 133
- Jürgen Stegmüller, Art. „Fitzner-Quartett“, in: MGG2 6 (2001), Sp. 1291f.
- Christian Merlin, Die Wiener Philharmoniker Bd. 2. Die Musiker und Musikerinnen von 1842 bis heute. Wien 2017
- Christian Fastl, Art. „Fitzner, Georg Albert Rudolf“, in: www.musiklexikon.ac.at [20.12.2021]