Weißgärber, Familie
Alois (I): * 7.4.1845 Linz, Oberösterreich/A, † 4.12.1914
Ottensheim, Oberösterreich/A. Lehrer und Musiker.
Wirkte als Lehrer in
verschiedenen oberösterreichischen Orten, u.
a. bis 1872 in Kirchdorf an der
Krems und 1878–1905 als Schulleiter in Ottensheim. Alois W., angeblich ein
hervorragender Violinist, war in Kirchdorf 1864–1874 Nachfolger Karl
Schiedermayrs als Chormeister der Liedertafel und betätigte sich auch in
Ottensheim musikalisch (Organist, Chormeister, Orchesterdirigent). Am 21.11.1874
heiratete er in Linz
Bertha Bargehsi,
die eine gute Sopranistin und Pianistin gewesen sein soll. Mit Bruckner war Alois W.
seit seiner Kirchdorfer Zeit bekannt, für eine angebliche Schülerschaft liegen
bislang keine Beweise vor.
Werke
- Vermählungs-Cantate f. Soli, Chor u. Kl. (anlässlich der Heirat von Kronprinz Rudolf 1881)
- Orchestermusik
Seine Kinder
Emilie (Milly): * 25.10.1875 Micheldorf, Oberösterreich/A,
† 27.2.1963 Linz, Oberösterreich/A. Gesang- und Klavierpädagogin.
Studierte am
Konservatorium der Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien Klavier (1889–1895, beurlaubt 1893/94) bei
Raoul
Mader und Julius Epstein
sowie 1898–1902 Gesang bei Irene Schlemmer (1855–?). Spätestens ab 1896 trat sie
als Pianistin auf, ca. 1897 war sie bereits als Klavierlehrerin in Wien tätig. 1900 heiratete sie in Wien den
Erzieher (beim Fürsten Schönburg) Johann Auer (* 3.5.1871 Ottensheim,
Oberösterreich/A, † 25.11.1957 [Ort?]); zwei Söhne dieser Ehe wurden Sänger. Ihre
Sängerkarriere beschränkte sich auf Auftritte als Konzertsängerin, ab ca. 1910
verlegte sie sich fast ausschließlich auf das Unterrichten, von 1914 bis 1925
lehrte sie am Neuen Wiener Konservatorium, daneben und danach betrieb sie bis
mindestens 1942 eine private Gesangschule in Wien. Nach dem Krieg wirkte sie in
Linz und anderen Orten Oberösterreichs bei Unterhaltungsabenden und kleinen
Operettenaufführungen als Klavierbegleiterin mit.
Emilie war angeblich überzeugt davon, von Bruckner abzustammen (Bronnen): ihre Mutter soll in Wahrheit eine uneheliche Tochter Bruckners und nicht Joseph Schiedermayrs gewesen sein. Diese Hypothese wird jedoch durch keine zeitgenössische Quelle bestätigt.
Alois (II): * 9.1.1881 Ottensheim, Oberösterreich/A,
† 5.4.1945 Linz, Oberösterreich/A. Offizier und Violinist.
Violinausbildung
beim Vater sowie bei Emil Kühns (1866–?) und bei Jakob M. Grün (1837–1916). Er
schlug jedoch zunächst die Militärlaufbahn ein und widmete sich erst nach dem
Ersten Weltkrieg ausschließlich der Musik (sieht man von einer Tätigkeit als
Privatdetektiv unmittelbar nach Kriegsende ab). Als viel gefragter Violinist trat
er als Solist und mit verschiedenen Kammermusik-Formationen in Erscheinung. Ab
1924 war er Konzertmeister des Linzer Musikvereins, daneben
unterrichtete er (bis 1925 am Linzer Musikverein,
gleichzeitig und danach privat).
Rosa Maria: * 26.7.1883 Ottensheim, Oberösterreich/A,
† 28.7.1962 Linz, Oberösterreich/A. Sängerin und Gesangpädagogin.
Studierte
1898–1902 Gesang bei I. Schlemmer am Konservatorium der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
und ging dann vermutlich nach Dresden; eine
Bühnenkarriere blieb jedoch auch ihr verwehrt. 1910 heiratete sie in Wien den Arzt
Karl Kleinschmidt (* 7.1.1882 Linz, Oberösterreich/A, † 26.9.1944 Ottensheim,
Oberösterreich/A). Ab Beginn der 1930er Jahre führte sie eine Opernklasse an der
Musikschule des Linzer Musikvereins bzw. am
Bruckner-Konservatorium (Anton Bruckner Privatuniversität). Nach dem Zweiten Weltkrieg dürfte sie
gemeinsam mit ihrer Schwester Emilie eine Opernschule in Linz betrieben haben
(„Opernschule Kleinschmidt-Auer-Weißgärber“).
Maximilian (Max): * 2.10.1884 Ottensheim, Oberösterreich/A,
† 30.11.1951 Wien/A. Violinist.
Erster Unterricht beim Vater, anschließend
1900–1906 Violinstudium bei Josef Maxincsak (1848–1908) und J. M. Grün am
Konservatorium der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Ab 1908 spielte er in verschiedenen Wiener Kammermusikformationen (u. a. dem Fitzner-Quartett), 1921/22 war er Mitglied des Orchesters der
Wiener Volksoper und 1922–1951 der Wiener Philharmoniker.
1925 gründete er das
Weißgärber-(Mayr-)Quartett, dem er bis
zu seinem Tod als Primarius vorstand.
Max W. Aussehen (und auch das seines Bruders Alois) ähnelten jenem von Bruckner, was die Spekulationen über die Abstammung der Geschwister zusätzlich anheizte; er saß sogar für ein ein Bruckner-Porträt des Grafikers August Steininger (1873–1963) Modell (IKO 369; Ikonografie). Die These der Abstammung von Bruckner soll Max W. auch selbst vertreten haben (Bronnen). Demgegenüber steht jedoch der Hinweis auf die Abstammung von der Familie Schiedermayr im 1929 erschienenen Jahrbuch der Wiener Gesellschaft, dessen Inhalt fast ausschließlich aus persönlichen Mitteilungen der biografierten Personen stammte: „einer seiner Vorfahren war der zur Zeit Beethovens als Domorganist und Messenkomponist bekannte Karl [!] Schiedermayr“ (S. 674).
Werke
- Musik für Streichquartett
- weitere Kammer- und Klaviermusik
- Männerchöre
- Lieder
Schriften
- Kleines Handbuch der Musik. Wien 1948
Karolina (Charlotte, Lina, Lotti, Lotte): * 11.7.1886
Ottensheim, Oberösterreich/A, † 1.8.1970 Sierning, Oberösterreich/A.
Schauspielerin und Sängerin.
Studierte möglicherweise privat Gesang sowie
1902–1904 Schauspiel bei Eugenie Petrasch-Wohlmuth (1860–?) und Alexander
Römpler (1860–1909) am Konservatorium der Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien. 1904 begann sie ihre Theaterkarriere in Graz, die sie an verschiedene Provinztheater
der Monarchie führte und 1915 nach der Heirat mit dem Forstbeamten Alfred
Damian Trunk (* 1.6.1881 Graz, Österreich/A, † ?) beendete. Später gab sie
Privatunterricht, vereinzelt trat sie auch noch als Liedsängerin auf.
Zur Theorie „Bruckner als Vorfahre der Geschwister Weißgärber“
Im Bruckner-Jahrbuch 1984/85/86 veröffentlichte Renate Bronnen (1922–2000, Schwiegertochter von Rosa Weißgärber) die These der Abstammung der Geschwister Weißgärber von Bruckner und berief sich dabei vor allem auf Emilie und Max (siehe dazu jedoch die Anmerkungen oben) sowie zum Teil auf Alois. Die beiden anderen Geschwister sollen diese Vermutung nicht geteilt haben. Bronnen wies auf die musikalische Begabung der Geschwister (die natürlich auch aus der Schiedermayr-Familie stammen kann) und auf die physiognomischen Ähnlichkeiten hin.
Bronnens Veröffentlichung führte in der Folge zu kontroversen Diskussionen. Der Musiker und Musikschriftsteller Viktor Redtenbacher kontaktierte das Anton Bruckner Institut Linz (ABIL) am 13.5.2008 hinsichtlich einer möglichen DNA-Probe von Bruckner. Zunächst hatte man zwar mit einem Kopfhaar Bruckners aus einer nicht genannten Quelle in Steyr kein Glück (es verfügte über keine Haarwurzel mehr), jedoch konnte aus dem im ABIL verwahrten Claque-Zylinder Bruckners eine DNA-Probe gewonnen werden. Als Vergleichsmaterial diente genetisches Material von Beatrix Fröhlich (1919–2008), einer Tochter von Alois Weißgärber (die sich als Urenkelin Schiedermayrs verstand), das aus einem umgestülpten Handschuh gewonnen worden war. Da Redtenbacher während der Untersuchungen verstarb, verfolgte seine Tochter, die Pathologin Susanne Redtenbacher, die begonnenen Arbeiten weiter.
Das Untersuchungsergebnis der Firma Confidence DNA-Analysen GmbH fiel eindeutig aus: „In keiner der vier Kopplungsgruppen der X-chromosomalen Marker gibt es Übereinstimmungen zwischen dem Profil aus den Handschuhen von Frau Fröhlich und dem der gebrachten Proben des Zylinderhutes von Anton Bruckner. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Verwandtschaft über die X-chromosomale Vererbung besteht, ist wesentlich geringer als die, dass keine solche besteht. Es ist daher anzunehmen, dass Frau Fröhlich keine Nachfahrin von Anton Bruckner ist.“ (Untersuchungsbericht der Firma Confidence DNA-Analysen GmbH Wien vom 19.6.2009; zit. n. Lindner, S. 6).
Dieses Ergebnis kann natürlich unter dem Verweis, dass der Zylinder Bruckners durch viele Hände gegangen und daher kontaminiert sei, angezweifelt werden. Jedoch entspricht es dem Quellenbefund, der keinen einzigen wirklichen Hinweis auf eine Ahnherrschaft Bruckners liefert.
Literatur
- Franz Planer (Hg.), Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Wien 1929, S. 674
- Beatrix Weißgärber-Fröhlich, Vorfahren meines Vaters, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1984/85/86, S. 25f.
- Renate Bronnen, Die Weißgärber-Geschwister. Ein Kapitel aus dem Leben Anton Bruckners?, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1984/85/86, S. 27–52
- Fritz Feichtinger, Der Fall Schiedermayr – und Anton Bruckner, in: OÖ. HeimatblätterOberösterreichische Heimatblätter. Linz 1947ff. 43 (1989) H. 3, S. 212–248
- Erich Wolfgang Partsch, Eine folgenschwere Pressekonferenz oder „Anton Bruckner als Vater“, in: Bruckner – skizziertRenate Grasberger/Erich Wolfgang Partsch, Bruckner – skizziert. Ein Porträt in ausgewählten Erinnerungen und Anekdoten (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 8). 2., verbesserte Aufl. Wien 1996, S. 257ff.
- Bruckner-Ikonographie IIIBruckner-Ikonographie. Teil 3: 1947 bis 2006. Nachträge zu Teil 1 und 2. Gesamtregister der Künstler (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 18). Wien 2007
- Andreas Lindner, Auf den Spuren Bruckners mittels DNA-Analyse, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 4 (Dezember 2009), S. 5ff.
- Christian Fastl, Art. „Weißgärber, Familie“, in: www.musiklexikon.ac.at [13.12.2021]
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