Schalk, Josef

* 24.3.1857 Wien/A, † 7.11.1900 Wien. Pianist, Musikpädagoge und Musikschriftsteller.

1877–1880 Studium am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien: Klavier bei Julius Epstein, Musiktheorie bei Bruckner. Ab 1884 Professor für Klavier am Konservatorium. Seit Oktober 1887 künstlerischer Leiter des Wiener Akademischen Wagner-Vereins. Mitglied des engsten Kreises um Bruckner (Freundeskreis), gleichzeitig Engagement für Hugo Wolf.

Die Uraufführung des Streichquintetts in F‑Dur fand am 17.11.1881 auf Initiative J. Schalks statt. Er selbst spielte am 24.3.1882 das Scherzo der Dritten Symphonie, am 10.2.1883 den 1. und 3. Satz aus der noch unvollendeten Siebenten Symphonie, am 7.5.1883 die Dritte und am 27.2.1884 die Siebente Symphonie. Ein ausführlicher Bruckner-Artikel von ihm erschien im Oktoberheft der Bayreuther Blätter 1884. J. Schalk initiierte auch die Uraufführung der Siebenten Symphonie in Orchesterfassung am 30.12.1884 in Leipzig unter Arthur Nikisch, ebenso die Aufführung der Vierten Symphonie in Graz am 1.2.1891 und die der Messe in f‑Moll in Wien am 23.3.1893. Er verfasste zahlreiche Werkeinführungen zu Bruckner auf Programmzetteln, Artikel über Bruckner, Richard Wagner und Wolf.

In noch höherem Maß als sein jüngerer Bruder Franz Schalk ist J. Schalk als Mitglied des Kreises um Bruckner in Wien von Bedeutung. Seine Leistungen bestehen zum einen in der kontinuierlichen Konfrontation des Wiener Musikpublikums (v. a. des Publikums der Musikabende des Wiener Akademischen Wagner-Vereins) mit Bruckner‘scher Musik, die von ihm gemeinsam mit Ferdinand Löwe oder Franz Zottmann in Bearbeitungen für Klavier zu vier Händen oder für zwei Klaviere präsentiert wurde, zum anderen im publizistischen Eintreten für Bruckner, das allerdings wegen seiner Neigung zu poetischer Metaphorik und wagnernaher Diktion mitunter den Spott der Wiener Musikkritik hervorrief. Bruckner stand J. Schalk einerseits mit Dankbarkeit, andererseits mit leicht skeptischem Vorbehalt gegenüber; charakteristisch für die von Konflikten keineswegs freie Beziehung ist Bruckners ironische Anrede Schalks als „Herr Generalissimus“ (Spitznamen). In der Frage der Fassungen und Umarbeitungen von Bruckners symphonischem Werk spielt Schalk eine mehrfache Rolle: Als Mitglied des engsten Kreises um Bruckner war er an den Diskussionen um kompositorische Details beteiligt, die Bruckner seinen Schülern und Beratern vorlegte. Wie sein Bruder Franz nahm aber auch er eigenmächtige, von Bruckner nicht autorisierte Eingriffe vor.

Welche Änderungen in den Partituren das Ergebnis von Beratungsgesprächen Bruckners mit den Brüdern Schalk darstellen, wird sich nie exakt feststellen lassen. Dokumentiert sind bloß einige Einzelfälle, die im Briefwechsel der Brüder erwähnt werden. Ein berühmtes Beispiel stellt etwa der umstrittene Beckenschlag im Adagio der Siebenten Symphonie dar; J. Schalk schrieb am 10.1.1885 an seinen Bruder: „Neulich habe ich u. Löwe mit Bruckner die Partitur der 7. durchgegangen bezüglich einiger Änderungen u. Verbesserungen. Du weißt vielleicht nicht dass Nikisch des [sic] von uns ersehnten Beckenschlag im Adagio (Cdur 6/4 Akkord) sowie Triangel u. Pauken durchgesetzt hat, was uns unbändig freut.“ (Briefe I, 850110). Im Falle der Achten Symphonie schloss sich J. Schalk dem ablehnenden Urteil Hermann Levis über die Erstfassung an und riet zur Umarbeitung, die offensichtlich wieder in engem Kontakt mit dem Beraterkreis erfolgte: „Bruckner ist vorgestern mit der neuen Bearbeitung der VIII. fertig geworden. Der erste Satz schließt nunmehr nach unser aller Wunsch pianissimo.“ (Josef an Franz Schalk, 31.1.1890, zit. n. Leibnitz 1994, S. 91). Einer der eindeutigsten Belege für Bruckners Wunsch nach Beratung ist J. Schalks Brief an seinen Bruder Franz vom 26.11.1888: „Als ich neulich abends bei der Kugel [Gasthäuser] mit ihm [Bruckner] ganz allein zusammensaß, wurde er nicht müde von dir und seiner herzlichen Neigung zu dir zu sprechen, so daß ich ganz gerührt war. Jede der vielen Änderungen, die er jetzt mit außerordentlich angestrengtem Fleisse an der 8. od. 3. vornimmt, wünschte er vor allem dir und deinem Urtheil zu unterbreiten.“ (Briefe II, 881126).

Während in solchen Fällen Änderungen in den Partituren dialogisch zustande kamen, überschritt J. Schalk auch mehrfach die Grenze zur Eigenmächtigkeit. Er beriet 1891 Max von Oberleithner bei der Vorbereitung des Erstdrucks von Bruckners Achter Symphonie und regte eine Reihe von nicht sehr eingreifenden, aber mit Bruckner unabgesprochenen Änderungen der Instrumentation an. Dabei mahnte J. Schalk Oberleithner zur Geheimhaltung: „Bitte treiben Sie nur den Verleger wegen der Correcturen. Wenn Bruckner bei einer Probe aus der geschriebenen Partitur mitlesen müßte, wären alle unsere guten Absichten vereitelt und wir würden uns statt seines Dankes vielleicht gar seinen Fluch verdienen.“ (Brief vom 5.8.1891, zit. n. Leibnitz 1980, S. 126). Die von J. Schalk und Oberleithner bearbeitete Partitur der Achten Symphonie lag der Uraufführung des Werkes am 18.12.1892 zugrunde und wurde von Bruckner nicht beeinsprucht.

Ebenfalls in den Bereich der unautorisierten Bearbeitungen fällt J. Schalks Edition der Sechsten Symphonie, die er in den Jahren 1898/99 in Zusammenarbeit mit Cyrill Hynais vornahm. Zwar verzichtete Schalk auf Kürzungen, doch finden sich Eingriffe in die Tempoproportionen, in die Instrumentation und in die dynamische Gestaltung.

Im Briefwechsel mit seinem Bruder Franz, der im Schalk-Nachlass in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird, zeichnet sich ein Persönlichkeitsbild Bruckners ab, das weder mit dem frühen, verklärenden Bruckner-Bild der ersten Bruckner-Biografen, noch mit der vorwiegend kritisch akzentuierten Sicht des Komponisten in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts kongruent ist. Die Schwierigkeiten im Umgang mit Bruckner werden nicht geleugnet; kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Bruckner und J. Schalk, so litt dieser darunter und versäumte nicht, die Umstände des Zerwürfnisses dem Bruder mitzuteilen, freilich auch die (stets zustande gekommene) Versöhnung. Bei aller Kenntnis der Problematik mancher Verhaltensweisen Bruckners lautete auch das private, dem Bruder gegenüber geäußerte Gesamturteils J. Schalks: „Wir dürfen uns wahrlich glücklich preisen der einzigen, letzten Riesengestalt unserer Kunstgeschichte so innig vertraut und nahe zu stehen.“ (Briefe II, 891209/1).

Werke
  • Klavierauszug zu Adalbert von Goldschmidts Heliantus. Leipzig o. J.
  • Bearbeitungen von Werken Bruckners, vierhändig: Streichquintett, Zweite bis Neunte Symphonie (Dritte und Neunte mit Ferdinand Löwe, Siebente mit Franz Schalk); zweihändig: Adagio aus dem Streichquintett, Messe in f‑Moll, Te Deum, Dritte und Vierte Symphonie
Schriften
  • Beiträge in in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften über Bruckner, Richard Wagner und Hugo Wolf
Literatur

THOMAS LEIBNITZ

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 14.1.2019

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