Scherzi für Streichquartett (WAB 209/1-6)

Den Abschnitt zu Klavier- und Streichquartettkomposition im Kitzler-Studienbuch begann Bruckner auf S. 58–74 mit Übungen zu Scherzo mit Trio in zwei- und dreiteiliger Liedform in Erweiterung um eine Periode. Nach den vorangegangenen einfacheren Übungen zur zwei- und dreiteiligen Liedform erprobte Bruckner sich hier erstmals in deren Anwendung auf eine größere Form.

Scherzo für Streichquartett in C‑Dur (WAB 209/1)

Kompositionsübung für Streichquartett

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Bevor Bruckner sich an ein vollständiges Scherzo mit Trio für Streichquartett heranwagte, versuchte er sich auf S. 58–66, 1. System, des Kitzler-Studienbuchs an kleineren Übungen.

Er begann auf S. 58, 1. und 2. System, mit einer 16‑taktigen Übung für Klavier in C‑Dur. Diese setzt sich aus zwei achttaktigen Perioden zusammen, wobei die zweite eine Variation der ersten ist.

Daran schließt sich eine 24‑taktige Studie für Streichquartett in C‑Dur an (S. 58, 3. System,–S. 59), die thematische Anklänge an die vorhergehende Klavierübung zeigt. Sie besteht aus drei achttaktigen Perioden. Die 2. und 3. Periode sind Variationen der 1. Periode; während die 2. Periode stellenweise noch mit der 1. identisch ist, ist die 3. Periode wesentlich stärker variiert.

Scherzo für Streichquartett in d‑Moll (WAB 209/2)

Kompositionsübung für Streichquartett

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Es handelt sich hier um eine umfassendere Studie für Streichquartett in d‑Moll, die auf S. 60–61, 2. System, beginnt und auf S. 63f. fortgesetzt ist. Der 1. Teil dieses Scherzo in dreiteiliger Liedform ist auf S. 60f. notiert. Er setzt sich aus zwei achttaktigen und einer zwölftaktigen Periode zusammen und schließt auf der Durparallele F‑Dur. Wie bei der vorangehenden Kompositionsübung sind die 2. und 3. Periode unterschiedlich starke Variationen der ersten.

Auf S. 63 folgt der 2. Teil, wozu Bruckner anmerkte „2ter Theil und zugleich durch eine ganze Periode erweitert. (zu Seite 60.)“. Dieser Teil besteht aus drei achttaktigen Perioden, die alle von dem rhythmischen Motiv einer punktierten Achtel mit zwei Zweiunddreißigsteln geprägt sind, und schließt auf A‑Dur. Sowohl bei der 1. als auch bei der 2. Periode verwendet Bruckner die Technik der Sequenzierung: In der 1. Periode werden die Außenstimmen der ersten vier Takte eine Sekund nach oben versetzt in T. 5–8 wiederholt. In der 2. Periode folgen dieselben zwei Takte jeweils um eine Sekund nach unten versetzt viermal hintereinander.

Der auf S. 64 notierte 3. Teil ist eine Variation des 1. Teils, bestehend aus drei achttaktigen Perioden und schließend auf der Tonika d.

Scherzo für Streichquartett in a‑Moll (WAB 209/3)

Kompositionsübung für Streichquartett, „Schnell“

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Der 1. Teil dieser umfangreicheren Kompositionsübung in a‑Moll ist auf S. 61, 2. System,–S. 62, 1. System, notiert; der 2. und 3. Teil folgen auf S. 65–66, 1. System (S. 65 oben: „2. Theil zu Seite 61. in Amoll (1. Theil schließt Seite 62.)“).

Der 1. Teil besteht aus drei achttaktigen Perioden und schließt auf der Durparallele C‑Dur. Die 2. Periode stimmt in ihrer Gestaltung weitgehend mit der 1. Periode überein. Die 3. Periode greift zwar auch auf das motivische Material der vorangehenden Perioden zurück, setzt es aber anders ein: Zwischen die T 1f. und 3f. der ersten beiden Perioden entsprechenden Takte sind die den T. 5f. der 1. und 2. Periode entsprechenden Takte eingerückt.

Der auf der Durdominate e schließende 2. Teil besteht ebenfalls aus drei Perioden, allerdings von zweimal acht und einmal sechs Takten. Hier setzt Bruckner die Technik der Variation innerhalb der Perioden ein: In der 1. wie in der 2. Periode werden jeweils im 5.–8. Takt der 1.–4. Takt variiert.

Der 3. Teil ist wie beim Scherzo für Streichquartett in d‑Moll eine Variation des 1. Teils. Bruckner schrieb ihn in diesem Fall gar nicht erst ganz aus, sondern vermerkte nach dem dem 2. Teil „1. Theil die ersten 8 Tacte“ und dahinter „dann:“ (S. 65, 3. System), worauf (auf S. 65, 3. System,–S. 66, 1. System) zehn Takte, schließend in a‑Moll, folgen. Als alternativen Schluss schlägt Bruckner vor: „oder der Orglpunct in Amoll wie er beim 1. Theil in Cdur steht.“ (S. 66 oben).

Scherzo für Streichquartett in C‑Dur (WAB 209/4)

Kompositionsübung für Streichquartett

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Auf S. 62 notierte Bruckner den 1. Teil eines Scherzo für Streichquartett in C‑Dur. Diese Kompositionsübung setzt sich aus zwei achttaktigen und einer viertaktigen Periode zusammen und schließt in der Paralleltonart a‑Moll. Wie bei den vorangegangenen Studien für Streichquartett in C‑Dur (Scherzo für Streichquartett in C‑Dur, S. 58f.) und d‑Moll (Scherzo für Streichquartett in d‑Moll) sind die 2. und 3. Periode hier Variationen der ersten. Darüber hinaus weist diese Kompositionsübung keine Ähnlichkeiten mit dem Scherzo für Streichquartett in C‑Dur von S. 58f. auf.

Scherzo für Streichquartett in F‑Dur (WAB 209/5)

Kompositionsübung für Streichquartett

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Das Scherzo in F‑Dur (mit Trio) auf S. 66, 2. System,–S. 70, 2. System, des Kitzler-Studienbuchs ist eine relativ umfangreiche, abgeschlossene Komposition.

Der 1. Teil des Scherzo besteht aus drei achttaktigen Perioden, wobei die 2. eine Variation der 1. Periode ist und die 3. in C‑Dur steht. Der 26 Takte umfassende 2. Teil setzt sich aus drei achttaktigen Perioden und zwei weiteren Takten zusammen und endet mit einer Fermate auf dem Dominantseptakkord von F‑Dur. Wie bei dem einige Seiten zuvor notierten Scherzo für Streichquartett in d‑Moll verwendet Bruckner im 2. Teil Sequenzierungen: In der 1. Violine werden in der 1. Periode T. 1‑4 in T. 5–8 um eine Sekund tiefer versetzt wiederholt, ebenso in der 2. Periode T. 1f in T. 3f. Nach der Fermate folgt der 17 Takte umfassende 3. Teil, bestehend aus einer 8-taktigen Variation der 1. und einer 9-taktigen Variation der 2. Periode des 1. Teils; als alternativen Schluss gibt Bruckner an „oder noch 18 [Takte] auch augm[entiert]“ (S. 68 unten; Lesart teilweise unsicher).

Auch das Trio in B‑Dur ist in drei Einheiten unterteilt. Auf eine achttaktige, zu wiederholende Periode, schließend auf F‑Dur, folgen drei weitere achttaktige Perioden und nach einer Fermate auf dem Dominantseptakkord von B‑Dur eine Variation der ersten acht Takte.

Scherzo und Trio sind in großformaler Hinsicht also gleich angelegt: Beide Male reiht sich an einen auf der Dominate schließenden 1. Abschnitt ein andersartiger 2. Abschnitt an, dessen Ende mit einer Fermate auf dem Dominantseptakkord der Ausgangstonart markiert ist und an den sich eine gekürzte Variation des 1. Abschnitts mit Kadenz auf der Tonika anschließt.

Literatur

MIRJAM KLUGER

Scherzo für Streichquartett in g‑Moll (WAB 209/6)

Kompositionsübung für Streichquartett

EZ: Frühjahr 1862 in Linz
UA: 28.5.2016 in Bremen, Sendesaal (Göttinger Barockorchester; Benjamin-Gunnar Cohrs)
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.44706, Kitzler-Studienbuch)
ED: s. NGAAnton Bruckner. Sämtliche Werke. Kritische Gesamtausgabe. Hg. v. der Generaldirektion der Österreichischen Nationalbibliothek und der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1951ff. (Editionsleitung: Leopold Nowak, auch als Neue Gesamtausgabe bezeichnet)
NGA: Band XXV (Paul Hawkshaw/Erich Wolfgang Partsch, 2014; Faksimile)

Diese Übung findet sich im Kitzler-Studienbuch auf S. 70, 3. System,–74 und ist eine relativ umfangreiche, abgeschlossene Komposition: Der 1. Teil des Scherzo (g‑Moll), in dem die 1. Violine dominiert, umfasst 16 Takte, die wiederholt werden. Der 2. Teil hat 23 Takte (eine acht- und eine 15-taktige Periode), in denen nun alle vier Streicher an der Bewegung teilnehmen. Bruckner kontrollierte den Periodenbau in der von ihm auch später weiterhin angewandten Weise. Er schrieb am Ende der 15-taktigen Periode: „unr[e]g[e]lm[äßige] Periode“, und versuchte diese Unregelmäßigkeit durch das Einmünden in eine Generalpause (Fermate) zu entschärfen. Der 3. Teil, 24 Takte lang, variiert den 1. (auch durch die aus dem 2. Teil übernommene stärkere Beteiligung aller Instrumente) und ist gleichfalls zu wiederholen.

Das zugehörige tanzartige, melodische Trio (G‑Dur) besteht aus 16 zu wiederholenden und 27 folgenden Takten. Nach der ersten achttaktigen Periode moduliert Bruckner in die Wechseldominante a‑Moll, was er selbst mit „NB“ anmerkt. Nach T. 21 ist ein Einfügungszeichen notiert, dass auf die auf S. 76–77, 1. System, skizzierte alternative Fortsetzung des Trios verweist. In dieser Skizze ist nur die 1. Violinstimme vollständig notiert; zu den übrigen Stimmen sind nur in drei Takten die für die harmonische Gestaltung grundlegenden Töne eingetragen.

Dieses Scherzo für Streichquartett in g‑Moll wurde vom Göttinger Barockorchester unter der Leitung von Cohrs am 28.5.2016 uraufgeführt. Eine weitere Aufführung fand am 29.5.2016 in der St.-Jakobi-Kirche in Peine statt.

Literatur

PAUL HAWKSHAW, ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 8.1.2020

Medien

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