Cavaillé-Coll, Aristide
* 4.2.1811 Montpellier/F, † 13.10.1899 Paris/F. Orgelbauer.
Er rezipierte mit
großem Interesse die im französischen Orgelbau entwickelten Novitäten. 1844 traf er
mit Eberhard Friedrich Walcker, der für seine
technischen Entwicklungen bekannt war, zu einem für beide fruchtbaren Ideen- und
Erfahrungsaustausch zusammen. Durch seine theoretischen Schriften und verschiedene
Experimente fand er zu einer klanglichen und technischen Weiterentwicklung, die
zukunftsweisende Innovationen im Orgelbau, etwa Register mit neuen Klangfarben,
hervorbrachte und seinen unverwechselbaren Orgelbaustil prägte. Er adaptierte die
Erfindungen Charles Barkers (1804–1879), entwickelte die Kegellade in seinen Orgeln
weiter, stellte die Register je nach angestrebter Klangfarbe auf unterschiedliche
Winddruckstärken ein usw. und wurde damit zum Schöpfer der symphonischen Orgel und
zum führenden Orgelbauer Frankreichs. Bis zu seinem Ruhestand 1899 baute er über 500 Orgeln, davon
400 mit über 40 Registern. Mehrere seiner zahlreichen Mitarbeiter wurden später
ebenfalls bedeutende Meister.
Im April und Mai 1869 reiste Bruckner zur Einweihung der Orgel der Firma Merklin & Schütze in der Basilika St. Epvre nach Nancy. Bei dieser Gelegenheit führte ihm ein Vertreter der Firma Cavaillé-Coll auch die 1861 von derselben restaurierte Orgel der Kathedrale vor. Anschließend folgte Bruckner einer Einladung von Merklin & Schütze nach Paris. Dort führte er nicht nur einige in der Montagehalle von Merklin & Schütze soeben erst aufgebaute Orgeln vor geladenem Publikum vor, sondern spielte auch auf den erst kürzlich von der Firma Cavaillé-Coll errichteten Orgeln von Notre Dame (1868, V/85), Église de la Sante Trinité (1868, III/46) und vermutlich auch jener von Saint Sulpice (1861, V/99).
Am 23.6.1869 antwortete der Geschäftsführer der Orgelbaufirma, August Neuberger, im Auftrag von A. Cavaillé-Coll auf das verschollene Schreiben Bruckners vom 7.6.1869 und versicherte dem „so ausgezeichnete[n] und talentvolle[n] Künstler“ (Briefe I, 690623) jede Unterstützung bei seinen Reisen nach London und Paris.
Literatur
- Cécile und Emmanuel Cavaillé-Coll, Aristide Cavaillé-Coll: seine Herkunft, sein Leben, sein Werk. o. O. 1929 [Dt. Übersetzung von Christoph Glatter-Götz. Schwarzach 1982]
- Claude Noisette de Crauzat, Aristide Cavaillé-Coll (1811‒1899), in: Acta Organologica 10 (1976), S. 177‒212
- Gerald Woehl, Der Wind in der „symphonischen“ Orgel bei Aristide Cavaillé-Coll, in: Acta Organologica 17 (1984), S. 331‒336
- Gilbert Huybens: Aristide Cavaillé-Coll: Liste des traveaux exécutés/Opus List/Verzeichnis der ausgeführten Arbeiten. Lauffen 1985
- Josef Burg, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Orgel mit elektrischer Traktur in Frankreich, in: Acta Organologica 24 (1994), S. 97‒144
- Günther Lade, Die Orgel der Kathedrale Notre-Dame in Paris (L’Orgue français. Literatur französischer Orgelkunst in deutscher Sprache 4). Lochau 1997, S. 95‒107
- Carolyn Jean Shuster, Art. „Cavaillé-Coll, Aristide“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 4 (2000), Sp. 459–462
- Hermann J. Busch, Art. „Cavaillé-Coll, Aristide“, in: Lexikon der OrgelHermann J. Busch/Matthias Geuting, Lexikon der Orgel. Orgelbau, Orgelspiel, Komponisten und ihre Werke, Interpreten. Mit einem Geleitwort von Ton Koopman. Laaber 2007, S. 138ff.
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009
- Thomas Lipski, Zum 200. Geburtstag von Aristide Cavaillé-Coll, in: Ars Organi 59 (2011) H. 1, S. 22‒31
- Peter Deinhammer, Anton Bruckners große Reisen, in: Bruckner-Tagung 2011Andreas Lindner/Klaus Petermayr (Hg.), Bruckner-Tagung Ebrach 2012 [recte 2011]. Anton Bruckner auf Reisen. Ebrach, 29. und 30. Juli 2012 [recte 2011]. Bericht (Bruckner-Vorträge). Linz 2012, S. 47-57
- Karl Mitterschiffthaler, Bruckner-Orgeln, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 2011‒2014, S. 157‒226