Walcker, Familie

Eberhard Friedrich: * 3.7.1794 Cannstadt/Württemberg (Bad Cannstatt, Baden-Württemberg/D), † 2.10.1872 Ludwigsburg/Württemberg (Ludwigsburg, Baden-Württemberg/D). Orgelbauer.
Er übernahm die Werkstatt seines Vaters Johann Eberhard Walcker (1756–1843), die jedoch vornehmlich noch ein Tischlereibetrieb war, verlegte sie 1820 nach Ludwigsburg und baute sie zu einer bedeutenden Orgelbaufirma aus. Er befasste sich gründlich mit verschiedenen, gerade auftauchenden stilistischen Theorien, Novitäten und Experimenten, sodass er mit dem Bau der Orgel der Paulskirche in Frankfurt am Main (1827‒1833, III/74), der größten und mit dem neuen, zeitgemäßen Klangideal modernsten Orgel in West- und Süddeutschland, internationale Anerkennung fand. Walcker entwickelte die sogenannte Kegellade mit einschlagenden Kegelventilen, die die an großen Orgeln notwendigen Spielhilfen und Spielerleichterungen wie Kollektivzüge, Kombinationen, crescendo und dergleichen ermöglichten. Einem Treffen mit Aristide Cavaillé-Coll 1844 folgten ein fruchtbarer Ideenaustausch und weitere Neuerungen auch im Registerbau und bei den Kollektivtritten. Im Ulmer Münster baute er 1852‒1855 die größte Orgel der Welt (IV/2 Pedale/100), in der er den 1832 erfundenen Barkerhebel anwendete. Von 1842–1887 war Heinrich Spaich (1810–1908), der bereits seit 1834 im Betrieb arbeitete, sein Teilhaber. Durch viele Schüler (darunter Friedrich Haas, Johann Nepomuk Kuhn und Wilhelm Sauer), die später eigene Werkstätten leiteten und seine Prinzipien in ihrer jeweiligen Art fortführten, wurde er zu einem richtungsweisenden Lehrmeister der folgenden Orgelbauergeneration.

Seine Söhne (Eberhard) Heinrich (* 10.10.1828 Ludwigsburg, † 24.11.1903 Kirchheim unter Teck, Baden-Württemberg/D; Teilhaber ab 1854), (Johann) Friedrich (* 17.9.1829 Ludwigsburg, † 6.12.1895 Ludwigsburg; Teilhaber ab 1854), Paul (* 31.5.1846 Ludwigsburg, † 6.6.1928 Frankfurt an der Oder, Brandenburg/D; ab 1891 Mitarbeiter bei Sauer und 1910 dessen Nachfolger), Karl (Carl; * 6.3.1845 Ludwigsburg, † 19.5.1908 Ludwigsburg; Teilhaber ab 1872) und Eberhard (* 8.4.1850 Ludwigsburg, † 17.12.1926 Ludwigsburg; Teilhaber ab 1887) führten die väterliche Orgelwerkstätte unter dem Namen „E. F. Walcker & Cie“ erfolgreich fort.
1916 wurde Oscar Walcker (* 1.1.1869 Ludwigsburg, † 4.9.1948 Ludwigsburg), Sohn von (Johann) Friedrich, Alleininhaber der Firma.

Die im Wesentlichen noch heute erhaltene, 1878 von E. F. Walcker & Cie errichtete Orgel der Wiener Votivkirche (III/61) wurde am 30.10.1878 durch den Präses-Stellvertreter des Wiener Cäcilien-Vereins Karl Hausleithner (1843–1905), den k. k. Hof- und Domkapellmeister Gottfried Preyer und – anstelle des erkrankten Eduard Hanslick – Bruckner kollaudiert. Am 24.4.1879 folgte die Einweihung der Votivkirche. Spätestens zwei Monate danach spielte Bruckner erstmals bei einer öffentlichen Veranstaltung die Orgel, und zwar im Rahmen einer vom Wiener Schubertbund am 19.6.1879 veranstalteten Gedächtnisfeier für Kaiser Maximilian von Mexiko. Aufgeführt wurde die Deutsche Trauermesse (D 621) von Franz Schubert in einer Bearbeitung für Männerchor und Orgel.

1886 baute die Firma E. F. Walcker & Cie eine neue Hauptorgel (III/90) für den Wiener Dom St. Stephan unter Beibehaltung des historischen Gehäuses. Bei deren Einweihungskonzert am 6.10.1886 spielten die k. k. Hoforganisten Bruckner und Rudolf Bibl sowie der Organist des Leipziger Gewandhauses und Kunstverständige der Firma E. F. Walcker & Cie Paul Homeyer (1853–1908). Auch bei anderen Gelegenheiten wird Bruckner in seiner Funktion als Hoforganist auf der Walcker-Orgel in St. Stephan gespielt haben.
Als Bruckner Anfang der 1890er Jahre für den Umbau der Orgel von Franz Xaver Chrismann in der Steyrer Stadtpfarrkirche als Berater herangezogen wurde, setzte er sich vehement für die Vergabe des Auftrags an Josef Mauracher oder alternativ E. F. Walcker & Cie ein. In einem Brief an Franz Xaver Bayer vom 22.4.1893 schreibt Bruckner diesbezüglich: „[…] kann nach bestem Gewissen sagen: würde Mauracher nicht genommen werden, so nur noch Walker aus Ludwigsburg, der die Orgel zu St. Stephan u[nd] die der Votivkirche meisterhaft verfertigt hat – sonst Keinen!“ (Briefe II, 930422/1). Letztlich wurde die Orgel 1893–1895 von Mauracher renoviert.
Als Bruckner zur Uraufführung seiner Siebenten Symphonie im Dezember 1884 nach Leipzig reiste, erhielt er dort Gelegenheit, am 29. Dezember auf der erst wenige Tage zuvor (am 11.12.1884) eingeweihten Walcker-Orgel (III/54) des neuen Gewandhauses ein außerordentliches Konzert vor geladenem Publikum zu spielen.

Eventuell lernte Bruckner auf seiner Schweizerreise 1880 auch die von E. F. Walcker 1867 erbaute und 1880 von seinen Söhnen erweiterte Orgel der Kirche St. François in Lausanne kennen – in seinen Reisenotizen hat er dazu allerdings nichts vermerkt.
Zu vermuten bleibt ebenso, ob Bruckner die auf der Weltausstellung Wien 1873 und der Internationalen Ausstellung für Musik- und Theaterwesen 1892 ausgestellten Walcker-Orgeln besichtigt und probiert hat.

Literatur

MIRJAM KLUGER, KARL MITTERSCHIFFTHALER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.7.2019

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Normdaten (GND)

Walcker, (Johann) Friedrich: 136773168

Walcker, Eberhard Friedrich: 119262347

Walcker, Heinrich: 136772862

Walcker, Karl: 130839507

Walcker, Oscar Walcker: 119512122

Walcker, Paul: 136819362

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft