Ehrenfels, (Maria) Christian (Julius Leopold Karl) Freiherr von
* 20.6.1859 Rodaun, Niederösterreich/A (Wien, 23. Bezirk), † 8.9.1932 Lichtenau, Niederösterreich/A. Philosoph.
Studierte zunächst Landwirtschaft, dann Philosophie an der Universität Wien bei Franz Brentano (1838–1917) und Alexius Meinong (1853–1920). 1888 wurde er Privatdozent für Philosophie an der Universität Wien, 1896 folgte er dem Ruf an die Prager Universität, wo er bis 1929 lehrte. Ehrenfels gilt als Begründer der Gestaltlehre, die er, angeregt durch Heinrich Schenker, aus dem Paradigma der Melodie entwickelte (Gestalt ist ein Ganzes, das über die Eigenschaften der Übersummativität und der Transponierbarkeit verfügt; vgl. Aristoteles: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“). Vielbeachtet sind auch seine Schriften zur Kosmogonie und zur Sexualmoral.
Ehrenfels interessierte sich auch für die musikalische Komposition (zu der ihm nach eigenen Angaben jedoch das Talent fehlte) und verfasste einige Dramen, die zu Beginn im Banne Richard Wagners standen. 1882 besuchte er die Uraufführung des Parsifal in Bayreuth. Er war auch Mitglied des Wiener Akademischen Wagner-Vereins.
1880–1882 studierte Ehrenfels als Privatschüler bei Bruckner Harmonielehre und Kontrapunkt: „Während aber mein Unterricht von dem Lehrer Bruckner nach jeder Richtung mit einem Defizit abschloß, ward mir als ein ungesuchter Ersatz hiefür gegeben: die Anschauung des Menschen Anton Bruckner […]. Diesen Menschen lernte ich viel früher lieben als seine Werke“ (Prager Tagblatt 16.2.1923, S. 7). Ehrenfels blieb zeit seines Lebens ein Verehrer Bruckners. Bei den Diskussionen zu einem Opernlibretto für Bruckner nannte Friedrich Eckstein auch Libussa von Ehrenfels (Kompositionsprojekte).
Schriften
- Dramen, Trauerspiele und Libretti
- zahlreiche Schriften zur Gestaltlehre, Sexualtheorie und Kosmogonie, u. a.:
- Über Gestaltqualitäten, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie 14 (1890) H. 3, S. 249–292
- Kosmogonie. Jena 1916
- Die Sexualmoral der Zukunft, in: Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 22 (1930) H. 3, S. 292–304
- Persönliche Erinnerungen an Anton Bruckner, in: Prager Tagblatt 16.2.1923, S. 7
Literatur
- Max Brod, Bruckner-Anekdoten (Professor Christian Ehrenfels nacherzählt), in: Prager Tagblatt 6.1.1932, S. 3
- Friedrich Eckstein, „Alte unnennbare Tage“. Erinnerungen aus siebzig Lehr- und Wanderjahren. Wien 1936, S. 108–112
- Gerhard Winkler, Christian von Ehrenfels als Wagnerianer, in: Reinhard Fabian (Hg.), Christian von Ehrenfels. Leben und Werk (Studien zur österreichischen Philosophie 8). Amsterdam 1986, S. 182–213
- Erich Wolfgang Partsch, Christian von Ehrenfels – ein Schüler Bruckners, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 70 (Juni 2008), S. 13–18
- W. Huemer, Art. „Ehrenfels, Christian Freiherr von“, in: www.biographien.ac.at [14.5.2019]
- Richard Meister, Art. „Ehrenfels, Christian Freiherr von“, in: www.deutsche-biographie.de [14.5.2019]
- Erich Vanecek, Art. „Musikpsychologie“, in: www.musiklexikon.ac.at [14.5.2019]
- www.demos.ac.at [14.5.2019]