Prag (Praha)

Hauptstadt der Tschechischen Republik, an der Moldau gelegen. Bis 1918 Hauptstadt des Königreichs Böhmen, bis Ende 1992 der Tschechoslowakei. Wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Landes. 1880: ca. 170.500, 2019: ca. 1,3 Mio. EW.

Zu Ostern 1884 wurde Bruckner gemeinsam mit dem Leipziger Universitätsmusikdirektor Hermann Langer zur Kollaudierung der von Wilhelm Sauer gebauten Orgel im „Rudolfinum“, einem als Konzert- und Ausstellungsgebäude sowie als Sitz des Konservatoriums genutzten neuen Künstlerhaus im Renaissancestil, nach Prag eingeladen. Sein aus Leitmeritz (Litoměřice/CZ) stammender Schüler Franz Ludwig Marschner, der ihn begleitete, erinnerte sich, dass Bruckner bei der Orgelvorführung unter großer Bewunderung der Zuhörer Teile des langsamen Satzes aus dem Streichquintett in F-Dur spielte. Franz‘ Bruder Robert Marschner führte Bruckner durch die Stadt. Am Ostersonntag spielte der Gast beim Hochamt im Veitsdom (Orgel von Anton Gartner [1707–1771] aus Tachau [Tachov/CZ]), traf die Prager Domkapellmeister Johann Nepomuk Škroup (Skraup, 1811–1892) und Josef Förster (1833–1907), beide Anhänger des Cäcilianismus. Am Ostermontag feierte Bruckner im Kloster Emaus die Messe mit, hörte den Gregorianischen Choral und spielte beim Gottesdienst in der Kirche des Klosters. Auch im Prämonstratenserstift Strahov konnte Bruckner die Orgel (von Johann Lohelius Oelschlegel OPraem [1724–1788]) ausprobieren; er improvisierte, laut F. Marschner, im Stile Georg Friedrich Händels (1685–1759) zur Begeisterung des dabei anwesenden Regens chori Friedrich Follberger. Als Nachklang zu diesen Ostertagen in Prag schuf Bruckner am 28.5.1884 das Christus factus est (WAB 11).

Am 17.2.1886 wurde in Prag das Te Deum vom Deutschen Singverein im Neuen Deutschen Landestheater aufgeführt; einer Einladung dazu dürfte Bruckner aber nicht Folge geleistet haben. Zu Lebzeiten des Komponisten erklangen auch noch die Dritte Symphonie am 18.4.1886 unter Gustav Mahler, die Siebente am 15.1.1888 und 4.12.1889 sowie die Dritte am 14.2.1891 jeweils unter Karl Muck, die Zweite Symphonie im März 1896 leitete Felix Dorfner (1851–1923). Weitere wichtige Aufführungen: 9.12.1896 Vierte (Franz Schalk), 26.1.1905 Zweite (Leo Blech [1871–1958]), 11.10.1906 Neunte und Te Deum, 11.12.1907 Achte und 27.1.1909 Siebente Symphonie (alle unter Paul Ottenheimer [1873–1951]). In der Zwischenkriegszeit bemühten sich besonders Alexander (von) Zemlinsky (1871–1942) und George Andreas Szell um Aufführungen Bruckner‘scher Werke. 1934 wurde von Josef Roeckl (?–1935), Herbert Hiebsch (1905–1948) u. a. eine Bruckner-Gemeinde in Prag gegründet (1936–1937 war Fidelio F. Finke [1891–1968] der Vorsitzende). Beim Katholikentag 1935 dirigierte dort Robert Manzer (1877–1942) Werke von Bruckner, und im Oktober 1936 fanden Brucknerfeiern statt.

Literatur

JITKA BAJGAROVÁ, RENATE GRASBERGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.8.2020

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