Deutscher Michel

Nationales Autostereotyp und politisch instrumentalisiertes Symbol des deutschen Nationalcharakters, erstmals 1541 belegt. In Kunst und Literatur, besonders in der Satire, wird der „deutsche Michel“ zumeist als einfacher Bauer mit Zipfelmütze dargestellt. Ursprünglich verkörperte er Wesensmerkmale wie Naivität, Einfältigkeit, Faulheit und Trunksucht. Im Laufe der Jahrhunderte erfolgte eine Anpassung der Figur an die jeweiligen politischen Situationen. So wurde der deutsche Michel einerseits Sinnbild für eine apolitische, passive Haltung, gleichzeitig aber auch für ein um seine Rechte kämpfendes, unterdrücktes Volk, nationale Einheit und Patriotismus (vgl. Szarota, S. 123). Auch antisemitische Propagandaapparate bedienten sich seiner; beispielsweise erschien 1895 das erste antisemitische Witzblatt unter dem Titel „Deutscher Michel“.

Über das Trio zum Scherzo seiner Achten Symphonie sagte Bruckner: „Der Micherl träumt ins Land“ (Göll.-A. 4/3, S. 18), und schrieb an Theodor Helm „Der Michl ist der österreich. deutsche gemeint, und zwar nicht Scherz.“ (Briefe II, 920326). „Micherl“ nannte er das eckig-eigensinnige Hauptthema im 2. Satz der Achten, mit dem er ursprünglich seinen Freund Carl Almeroth charakterisieren wollte. In Anekdoten kommt Bruckners liebe- und humorvolles Verhältnis zu der Gestalt zum Ausdruck (Bruckner – skizziert, S. 92, Nr. 152, S. 150ff., Nr. 254, S. 153, Nr. 255).

Der Maler Ferry Bératon hat 1892 in einer Karikatur mit dem Titel Anton Bruckners Siegesallegorie (IKO 59, Ikonografie) Bruckner selbst als „deutschen Michel“ dargestellt (gedruckt in: Die Musik 6 [1906] H. 1).

Literatur

RENATE GRASBERGER, ALETHEA DAWN POPOVITSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 27.4.2018

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