Böhler, Otto
* 11.11.1847 Frankfurt am Main, Hessen/D, † 5.4.1913 Wien/A. Chemiker, Industrieller und Zeichner.
Nach dem Chemie-Studium an der Universität Tübingen (Rigorosum 11.8.1869) übersiedelte Böhler um 1870 nach Wien und leitete nach dem Tod seines Bruders Emil (1842–1882) mit seinen Brüdern Albert (1845–1899) und Friedrich (1849–1914) die Böhler-Stahlwerke in Wien.
Seine Begeisterung für das Wiener Musikleben, die Konzerte der Wiener Philharmoniker und die Kontakte zum Wiener Akademischen Wagner-Verein ließen ihn in Wien schnell heimisch werden. 1874 wurde er Schüler des Wiener Malers Wenzel Ottokar Noltsch (1835–1908) und sehr bald bekannt für seine Scherenschnitte, Klebebilder und Silhouetten, die er mit der ihm eigenen Sensibilität, seinem musikalischen Verständnis und seinem besonderen Humor gestaltete. Mit liebenswürdiger Ironie stellte er das Wiener Musikleben dar, darunter auch Bruckner, den er in den späten 1880er Jahren kennen- und schätzen lernte. Böhler verehrte Richard Wagner, war Mitglied des Bayreuther Patronatsvereins und besuchte 1876 die ersten Bayreuther Festspiele. In Bayreuth kam auch der erste Kontakt zu Bruckner zustande.
Rudolf Louis sieht in seinem Buch Anton Bruckner Persönlichkeit und Gestalt Bruckners „wie geschaffen für den Stift des Karikaturisten, aber nicht eines solchen, der bloß den scharfen Blick für das Lächerliche der äußeren Erscheinung besitzt – denn der hätte ja nur ein ausgesprochenes ‚Zerrbild‘ liefern können – sondern für einen, der Schärfe der Beobachtungsgabe mit ausgesprochener Liebe und Sympathie für den Gegenstand seiner Beobachtung verbindet. Bruckner hat einen solchen Karikaturisten in Otto Böhler gefunden“ (Louis, S. 144).
Böhlers Silhouetten fanden in Form von Fotografien, Postkarten, Zeitungsdrucken usw. weite Verbreitung. Die von Sammlern sehr gesuchten Originale sind in aller Welt verstreut. 2005 wurden in Amerika fünf bislang unbekannte Schattenbilder Bruckners (IKO 334a–e, einer zeigt den Komponisten mit Johannes Brahms gemeinsam tanzend) entdeckt; sie befinden sich heute in den Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
Literatur
- Rudolf Louis, Anton Bruckner. München–Leipzig 1905
- Dr. Otto Böhlers Schattenbilder. Wien 1914
- Art. „Böhler Otto“, in: Rudolf Schmidt, Österreichisches Künstlerlexikon von den Anfängen bis zur Gegenwart. Lfg. 3. Wien 1977, S. 216
- Bruckner-Ikonographie IRenate Grasberger, Bruckner-Ikonographie. Teil 1: Um 1854 bis 1924 (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 7). Graz 1990 (IKO 41–54, 60ff., 68, 78f., 94, 101ff., 108, 110)
- Bruckner-Handbuch 1996Uwe Harten (Hg.), Anton Bruckner. Ein Handbuch. Salzburg–Wien 1996
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 1: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 1–12) (Wiener Bruckner-Studien 6/1). Wien 2014
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IIElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 2: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 13–23) (Wiener Bruckner-Studien 6/2). Wien 2015
- Universitätsarchiv Tübingen, Repertorium Tübinger Studierende, Otto Böhler 40/23,87