Gesellschaft der Musikfreunde in Wien

1812 von Joseph von Sonnleithner (1766–1835) mit den drei Zielen gegründet, regelmäßig Konzerte zu veranstalten, in Archiv, Bibliothek und Sammlungen alle Arten von Material zu sammeln, das Musik dokumentiert, und ein Konservatorium zu führen. Das Konservatorium wurde 1909 in staatliche Leitung übergeben (als Akademie, später Hochschule, heute Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), die beiden anderen Ziele verfolgt die Gesellschaft – als privater Verein organisiert (kurz „Musikverein“ genannt) – bis heute unverändert.

1861 wandte sich Bruckner an die Direktion des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (GdM) mit der Bitte um eine Prüfung zur Verleihung des Titels „Professor der Harmonielehre und des Kontrapunkts“. Der Titel konnte nicht verliehen werden, die mit einem Zeugnis belegte Prüfung fand am 19. und 21.11.1861 u. a. auch in der Piaristenkirche statt. 1868 wurde Bruckner zum Professor für Orgelspiel sowie für Harmonielehre und Kontrapunkt an das Konservatorium der GdM berufen. Beide Lehrkanzeln hatte er bis zu der von ihm erbetenen Pensionierung im Jahre 1891 inne. Bruckner begann seinen Unterricht in dem nicht mehr bestehenden Gebäude der GdM (Wien, 1. Bezirk, Unter den Tuchlauben Nr. 12); mit Beginn des Studienjahres 1869/70 übersiedelte das Konservatorium in das nach Plänen von Theophil Hansen (1813–1891) in den Jahren 1867–1870 neu errichtete Musikvereinsgebäude (heute 1. Bezirk, Bösendorferstraße 12). Zu Bruckners Schülern zählten u. a. Josef Schalk, Franz Schalk, Ferdinand Löwe, Hans Rott, Julius Korngold, Guido Adler und Heinrich Schenker. 2015 wurde in der Einfahrt des Gebäudes u. a. auch ein Abguss einer Büste Bruckners des Wiener Männergesang-Vereines aufgestellt.

Im Großen Saal dieses am 5.1.1870 offiziell eröffneten Gebäudes fanden zahlreiche Uraufführungen Bruckner‘scher Werke, zumeist in Konzerten der Wiener Philharmoniker, statt: 20.2.1876 Zweite Symphonie (Fassung 1875/76), 16.12.1877 Dritte (Fsg. 1877), 20.1.1881 Vierte (Fsg. 1878/80), 11.2.1883 Mittelsätze der Sechsten, 22.1.1888 Vierte (Fsg. 1887/88), 21.12.1890 Dritte (Fsg. 1889), 13.12.1891 Erste (Fsg. 1891), 18.12.1892 Achte (Fsg. 1890), 25.11.1894 Zweite Symphonie (Druckfassung). An der Planung der (heute nur mehr im Gehäuse unverändert erhaltenen) Orgel von Friedrich Ladegast im Großen Musikvereinssaal war Bruckner beteiligt und spielte sie erstmals am 15.11.1872; an der (heute nicht mehr bestehenden) Orgel im Kleinen Musikvereinssaal (heute Brahmssaal) hat Bruckner unterrichtet. In diesem Saal fanden auch viele Klavieraufführungen von Bruckner‘schen Werken durch den Wiener Akademischen Wagner-Verein statt.

In Archiv, Bibliothek und Sammlungen der GdM befinden sich zahlreiche Quellen und Dokumente zu Leben und Schaffen Bruckners, der 1891 von der GdM zu ihrem Ehrenmitglied (Ehrungen) ernannt wurde.

Einige Mitarbeiter und Funktionäre der GdM haben einen Platz in Bruckners Biografie gefunden: Carl Ferdinand Pohl (1819–1887) hat als Archivdirektor der GdM Bruckners kompositorische Tätigkeit mit sympathisierender Anteilnahme verfolgt. Hingegen stand der Generalsekretär der GdM, Leopold Alexander Zellner – selbst Organist und Orgelkomponist –, Bruckner verständnislos, distanziert, ja oft fühlbar ablehnend gegenüber. Bruckners Förderer Johann Herbeck war 1859–1870 und 1875–1877 Konzertdirektor der GdM. Joseph Hellmesberger d. Ä. war als 1851–1893 tätiger Direktor des Konservatoriums Bruckners Vorgesetzter. Von den Direktionsmitgliedern, die Bruckner in irgendeiner Weise nahegekommen oder nahegestanden sind, seien hier noch mit der Angabe der Jahre ihrer Tätigkeit erwähnt: Moritz Alois Becker, Nikolaus Dumba ([1830–1900]; 1867), Franz Köstinger ([1844–1898]; 1893–1898) und der Jurist Josef Unger ([1828–1913]; 1868–1876).

Der 1858 gegründete Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien sang keine Uraufführungen Bruckner‘scher Werke. In der Rezeptionsgeschichte der großen Vokalwerke Bruckners nimmt er aber bis heute einen wichtigen Platz ein.

Literatur
  • Carl Ferdinand Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium. Wien 1871
  • Richard von Perger/Robert Hirschfeld, Geschichte der K. K. Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Wien 1912
  • Robert Lach, Geschichte der Staatsakademie und Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien. Wien 1927
  • Ernst Tittel, Die Wiener Musikhochschule (Publikationen der Wiener Musikakademie 1). Wien 1967
  • Eva Angyan/Otto Biba/Manfred Wagner, Goldene Klänge. Künstler im Musikverein. Wien 1995
  • Otto Biba (Hg.), Die Programm-Sammlung im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 1937–1987 (Veröffentlichungen des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 2). Bearb. v. Teresa Hrdlicka. Tutzing 2001
  • Otto Biba/Ingrid Fuchs, „Die Emporbringung der Musik“. Höhepunkte aus der Geschichte und aus dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Wien 2012, S. 65f., 72f.
  • Otto Biba, Fünf beste Köpfe. Neue Büsten im Musikverein, in: Musikfreunde. Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (Dezember 2015), S. 12–15
  • Otto Biba, Art. „Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“, in: www.musiklexikon.ac.at [13.7.2017]
  • Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Akademie für Musik und darstellende Kunst“, in: www.musiklexikon.ac.at [13.7.2017]

OTTO BIBA, ANDREA HARRANDT

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 7.3.2018

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