Brahms, Johannes

* 7.5.1833 Hamburg/D, † 3.4.1897 Wien/A. Komponist, Pianist, Dirigent.

Erster Musikunterricht durch den Vater Johann Jakob Brahms (1806–1872), ab 1840 Klavierunterricht bei Otto Friedrich Willibald Cossel (1813–1865) und durch dessen Vermittlung ab 1843 Kompositions-, Musiktheorie- und Klavierunterricht bei Eduard Marxsen. Als Pianist war er bereits als Zehnjähriger öffentlich aufgetreten und hatte seitdem zahlreiche Konzertreisen absolviert; als Komponist – erst 20-jährig von Robert Schumann schon als der kommende Meister der Musik vorgestellt – konnte Brahms bereits ein umfangreiches Verzeichnis gedruckter Werke vorweisen; als Chorleiter hatte er Erfahrungen in Detmold und Hamburg gesammelt und war – nach einem ersten Besuch in Wien mit Kontakten zu Künstlern dieser Stadt (u. a. auch noch mit Bruckners und Marxsens Lehrer Simon Sechter) und ersten erfolgreichen Konzerten (1862) – als Chormeister der Wiener Singakademie schon 1863/64 dort tätig gewesen. Brahms galt als Komponist – besonders als Symphoniker –, aber auch als Persönlichkeit noch bis weit in das 20. Jahrhundert als Antipode des in ländlichen Gebieten Oberösterreichs aufgewachsenen Bruckner. „Brahms und Bruckner waren schon zu Lebzeiten Widersacher, Antipoden, Rivalen.“ (Floros 1974, S. 59). Acht Jahre und acht Monate jünger als dieser (und ihn nur um knapp ein halbes Jahr überlebend) war Brahms, als er 1868, im selben Jahr wie Bruckner, endgültig ständigen Wohnsitz in Wien nahm, schon ein arrivierter Künstler.

Anders als Bruckner, der 1868 in Wien seinen Dienst am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und an der Hofmusikkapelle antrat, kam Brahms als freischaffender Komponist (sein Deutsches Requiem war gerade erfolgreich in Bremen – noch ohne 5. Satz – uraufgeführt worden, alle sieben Sätze 1869 dann in Leipzig), finanziell abgesichert durch Honorare seines Verlegers Fritz Simrock, in seine neue Wahlheimat, in deren Musikleben er sehr bald eine führende Rolle spielte. Die dort übernommenen Positionen – 1872–1875 Konzertdirektor der Gesellschaftskonzerte und Leiter des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien – brachten Brahms und Bruckner quasi als ‚Kollegen‘ zusammen, so beim Konzert zur Einweihung der Ladegast-Orgel im Musikvereinssaal am 15.11.1872. Das änderte aber nichts an ihrer schon seit Beginn ihrer Wiener Zeit für Musikkritiker sowie die jeweiligen Freunde und Anhänger feststehenden und besonders nach Richard Wagners Tod 1883 stetig geförderten Stellung als Antipoden. Von Kritikern war je nach Parteistellung immer wieder zu lesen, dass entweder zu viele oder zu wenige Werke Bruckners bzw. Brahms‘ in den Konzertprogrammen aufschienen. Anhänger von Brahms waren in erster Linie in der konservativen Presse (vertreten besonders durch Eduard Hanslick und Max Kalbeck) und im durch sie repräsentierten Konzertpublikum aus der der Tradition verpflichteten Wiener Gesellschaft zu finden. Zu den Anhängern Bruckners zählten Musikkritiker einiger liberaler Blätter, natürlich seine Schüler und Freunde, vor allem aber die musikbegeisterte akademische Jugend, viele von ihnen vereint im Wiener Akademischen Wagner-Verein, der Bruckner als „Wagner der Symphonie“ (Oeser, S. 9) verehrte. Die Kundgebungen dieser rivalisierenden Gruppierungen (Wagnerianer bzw. Brucknerianer gegen „Brahminen“) nahmen zum Teil skurrile Formen an. Nur wenige Kritiker waren bereit, sich ernsthaft, vorurteilsfrei mit den musikhistorischen Wurzeln und dem auf divergierenden musikästhetischen Vorstellungen beruhenden Schaffen des „Kontrahenten“ zu beschäftigen. Im Ton vergriffen sich – nach heutigem Maß gemessen – beide Seiten bis zu Verbalinjurien. Und diese bis ins Persönliche gehenden Anfeindungen fanden dadurch weitere Nahrung, dass Brahms‘ und Bruckners Stellung als Antipoden nicht nur mit ihrem kunsttheoretisch kontroversiell ausgerichteten musikalischen Schaffen, sondern auch mit ihrem unterschiedlichen Bildungsgang, der äußeren Erscheinung, dem Auftreten in der Gesellschaft, der Lebensweise usw. begründet wurde. Erleichtert wurden diese Vergleiche, die einem an sich begreiflichen und letztlich auch fruchtbaren Konkurrenzkampf einen schlechten Dienst erwiesen, natürlich durch die räumliche Nähe, in der beide Musiker 28 Jahre lang wirkten.

Trotz dieser nicht nur in Wien bekannten, wenn auch unterschiedlich beurteilten Komponisten erscheint es bemerkenswert, dass das schon damals geschätzte, von Hugo Riemann (1849–1919) verfasste Musik-Lexikon, das zwar einen Brahms-Artikel enthielt, noch in der 2. Auflage 1884 über Bruckner keine Zeile abdruckte, aber: „Im Jahre 1887 bringt der Verfasser nicht nur volle 1 ½ Spalten über ihn, sondern sieht sich sogar zu einer eingehenden ästhetischen Erörterung über seinen künstlerischen Standpunkt genöthigt“ (Kastner’s Wiener Musikalische Zeitung 2 [19.2.1887] Bd. 3, S. 279).

Dass Herkunft, (Aus-)Bildung, Religiosität und auch die Lebensart beider Junggesellen verschieden waren, sind nachweisbare Tatsachen. Dass Brahms und Bruckner gegensätzliche Standpunkte auf musikalischem Gebiet vertraten, haben sie auch selbst nie geleugnet. Schon 1860 hatte Brahms in einem veröffentlichten Manifest seine Gegnerschaft gegenüber der Neudeutschen Schule um Franz Liszt bekundet, zu der Bruckner dann in Wien gezählt wurde, und später auch deutliche Vorbehalte gegen Wagners musikdramatisches Schaffen geäußert, zu dem Bruckner bekanntlich eine besondere Affinität hatte. Dabei muss man „leider unterstellen, daß der Skeptiker Brahms mehr von Wagner verstand als der hörige Bruckner“ (Grebe, S. 43).

Über die – kaum so zu bezeichnenden – persönlichen Beziehungen beider zueinander gibt es verschiedene Berichte, die außer von Zusammentreffen bei Konzerten auch von zum Teil zufälligen gemeinsamen Gasthausbesuchen (Gasthäuser) erzählen. Über ihre gegenseitige Einschätzung berichten einige authentische Äußerungen, vor allem aber Erinnerungsberichte aus ihrem Umkreis und Anekdoten: So sollen beide gemeinsames Interesse an „Geselchte[m] mit Knödeln“ geäußert haben (Göll.-A. 4/2, S. 689). Anekdotisches nicht berücksichtigt, ergibt sich aus dem vorhandenen und sicher Verbürgten, dass ihr „Verhältnis von gegenseitigem Unverständnis bestimmt wurde. Brahms und Bruckner konnten und wollten wohl auch nicht einander verstehen.“ (Floros 1980, S. 20). So klagte Bruckner am 12.1.1875 in einem Brief an Moritz von Mayfeld (Briefe I, 750112), Brahms habe die Aufführung der Zweiten Symphonie in Leipzig unterdrückt. Brahms, der immerhin bei der Uraufführung der Mittelsätze von Bruckners Sechster Symphonie am 11.2.1883 im Philharmonischen Konzert anwesend war und sogar applaudiert haben soll (Göll.-A. 4/2, S. 77), wurde im Dezember 1883 bei der Uraufführung seiner eigenen Dritten Symphonie nach jedem Satz von Anhängern Bruckners ausgezischt (Hellsberg, S. 260) – Bruckner selbst soll sich vor seinen Schülern sogar verächtlich über das Werk geäußert haben (Kalbeck Bd. 3, S. 406, Anm. 1). Brahms schrieb am 12.1.1885 an seine Freundin und ehemalige Klavierschülerin Elisabeth von Herzogenberg (1847–1892): „Alles hat seine Grenzen. Bruckner liegt jenseits, über seine Sachen kann man nicht hin und her, kann man gar nicht reden. Über den Menschen auch nicht. Er ist ein armer verrückter Mensch, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen haben.“ (zit. n. Kalbeck Bd. 3, S. 408f, Anm. 1; womit er auf Bruckners Autoritätsgläubigkeit anspielte; in Kalbecks Brahms-Briefwechsel Bd. 2 wurde dieses Zitat ausgelassen). Von Bruckners „Unbildung und Verrücktheit“ berichtete er 1886 auch Hans Guido von Bülow (Kalbeck Bd. 4, S. 48). Bülow wurde von Theodor Helm allerdings schon 1881 mit einer eher zwiespältigen Einschätzung Bruckners zitiert: Bruckner sei im Vergleich zum „echten und rechten Symphoniker“ Brahms ein „Caricaturen-Zeichner“. Einzelheiten seien aber „eines Beethoven vollkommen würdig“ (Musikalisches Wochenblatt 21.4.1881, S. 207). Helm hatte 1886 in einer seiner Rezensionen im Pester Lloyd über Bruckners Siebente Symphonie geschrieben, dass diese ihren Schöpfer „zu einem der hervorragendsten modernen Instrumental-Komponisten“ erhebe, auf symphonischen Gebiete nur einen einzigen ebenbürtigen, lebenden Rivalen kennend: „seinen künstlerischen Antipoden: Johannes Brahms“ (zit. n. Krebs, S. 310, Pester Lloyd 25.3.1886 [o. S.]). Bruckner selbst äußerte sich dagegen im Sommer 1885 eher abschätzig über Brahms‘ „gelehrt[e]“ Kompositionsweise (Göll.-A. 3/1, S. 583f.). Noch weiter ging aber der gerade 26-jährige Hugo Wolf mit seinem ‚berühmt-berüchtigten‘, im Wiener Salonblatt publizierten Urteil über Bruckners Siebente, die „noch immer ein Cimborasso ist gegen die Maulwurfshügel der Brahms‘schen Symphonien“ (Wiener Salonblatt 28.3.1886, S. 11). 1893, als Bruckners Erfolge Brahms vielleicht schon verbittert hatten (dieser sei „voll Eifersucht“ – so Bruckner am 23.11.1888 in einem Brief an den holländischen Musikschriftsteller und -kritiker Jan van Santen Kolff [1849–1896], Briefe II, 881123/3), schrieb er an Clara Schumann, die sich von „häßlicher Musik“ geplagt sah: „Wie vielen in unserer Zeit wäre eine Wollust, was Dir unerträgliche Pein ist! Unser großer Bruckner wäre selig, Deine verhaßten Klänge im Ohr zu haben – wir kriegten sie dann Sonntags als Symphonie zu hören, und Heyse und Levi schrieben preisende Epistel!“ (zit. n. Floros 1974, S. 71). Auch aus anderen, allerdings nur mündlich überlieferten Äußerungen spricht nicht der Neid eines – schließlich selbst sehr erfolgreichen – Konkurrenten, sondern der oft in bissige Worte verpackte Widerwille eines Komponisten vor ihm nicht begreiflicher Musik. So soll Brahms noch in seinem Todesjahr 1897 davon überzeugt gewesen sein, dass es sich bei Bruckner um einen „Schwindel“ handle, „der in ein bis zwei Jahren todt und vergessen sein wird“ (Göll.-A 4/2, S. 244). Nach anderen Berichten soll er zwar Bruckners Begabung erkannt, diese Feststellung aber – wie Eusebius Mandyczewski (1857–1929), als langjähriger Archivar der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien mit deren Direktoriumsmitglied Brahms in Verbindung, erzählte – z. B. beim Studium der Partitur von Bruckners Vierter Symphonie wieder relativiert haben: „da erfindet der Mensch, wie wenn er Schubert wäre. Und dann fällt ihm ein, daß er ein Wagnerianer ist [...] und alles ist beim Teufel!“ (Gál, S. 100). Es gab aber auch eine wichtige Institution in Wien, die ganz anders reagiert hatte: Der Wiener Männergesang-Verein ernannte Bruckner und Brahms neben Max Bruch (1838–1920) und Hanslick im September 1893 zu Ehrenmitgliedern.

Bei vielen Äußerungen Bruckners über Brahms (Urteile über Komponisten) klingt dagegen neben meist durchaus mit Respekt angeführten Hinweisen auf die unterschiedlichen musikalischen Auffassungen immer wieder – allerdings nur in den frühen Wiener Jahren verständlicher – Neid auf den in seinen Augen Erfolgreicheren an, der von einflussreicheren Personen gefördert werde, die ihn (Bruckner) unerbittlich bekämpften – so wurde z. B. Brahms schon 1876 Ehrenmitglied der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Bruckner erst 1891. Provoziert konnte aber auch dieser offensiver werden und (Hruby, S. 38) bemerken, dass ihm ein Walzer von Johann Strauß (Sohn) lieber sei als eine ganze Symphonie von Brahms. Verwundert liest man dann, dass Brahms, nach einer Komposition für die Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen 1892 angefragt, an Bruckner verwiesen habe (Heuberger, S. 79; Psalm 150). Nachweisbar ist ebenso überraschend ein Brief Bruckners, in dem er 1893 der Pianistin Valerie von Pistor (1868–1925) mitteilte: „(Brahms soll ganz gewiß erklärt haben, ich sei ein gewaltiges Genie.) Unglaublich!“ (Briefe II, 930226). Nach der Aufführung seiner Messe in f-Moll am 4.11.1894 erlebte er sogar, dass Brahms „sich lebhaft an den Huldigungen für den Komponisten derselben beteiligte“ (Göll.-A. 4/3, S. 445). Felix Weingartner erzählte im April 1895 Brahms von einem Besuch bei Bruckner und erinnerte sich später: Brahms „sprach von Bruckner mit Hochachtung, aber begreiflicherweise ohne Wärme. Für seinen leidenden Zustand fand er Worte warmer Teilnahme.“ (Weingartner Bd. 2, S. 63).

Diese gegenseitigen, nicht immer original belegbar überlieferten, oft von den Überträgern noch ausgeschmückten Aussagen fanden auch noch in die jeweils von autorisierten Verfassern publizierten, in beiden Fällen mehrbändigen Biografien von Brahms (erschienen 1904–1914) und Bruckner (erschienen 1922–1937) Eingang. Dazu kommt, dass die Autoren (Kalbeck, August Göllerich, Max Auer), die aufgrund ihres engen Kontaktes zu den von ihnen zu Beschreibenden auch selbst aus eigenen Erlebnissen schöpfen konnten, aus ihrer Abneigung gegen den jeweiligen ‚Kontrahenten‘ keinen Hehl machten. Am stärksten kommt diese Haltung bei der – von Auer vollendeten – Biografie Bruckners zum Ausdruck, in der heftig auf die von Kalbeck veröffentlichten „Verunglimpfungen“ Bruckners reagiert und mit gleicher Münze zurückgezahlt wurde. Die – stilistisch eindeutig besser geschriebene – Brahms-Biografie und die fast einer Hagiografie ähnelnde Bruckner-Biografie sind dennoch beide bis heute unverzichtbare, wenn auch mit gebührender Vorsicht zu verwendende Quellen für jeden, der sich mit diesen Komponisten und ihrer Zeit beschäftigt.

Für viele – nicht nur die parteiergreifenden – Musikforscher war es lange selbstverständlich, nicht nur auf den starken menschlichen Gegensatz zwischen Brahms und Bruckner zu verweisen, sondern auch die Unterschiede ihrer Künstlerschaft herauszuarbeiten: So galt Brahms z. B. als reflektiver, bewusst konservativer Komponist, Bruckner als naiver „Nurmusiker“ bzw. bewusst fortschrittlicher Künstler. Späteren Wissenschaftlern, wie z. B. Guido Adler, erschien der künstlerische Abstand zwischen beiden, die einem Zeitbild angehörten, weniger groß (Adler, S. 12f.). Ihre Stellung in der Musikgeschichte wird heute ambivalenter gesehen: „Das Verhältnis Bruckners zu Brahms darf nicht losgelöst vom musikhistorischen und musikästhetischen Hintergrund ihrer Zeit betrachtet werden. Die Antithese Bruckner – Brahms spiegelt nämlich tiefergehende, gravierende kunsttheoretische Konflikte wider, die die Entwicklung der deutschen Musik im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts maßgeblich bestimmen.“ (Floros 1980, S. 15). Als die Meldung vom März 1886 aus Hamburg kam, dass dort ein Umschwung zugunsten Bruckners auch bei Brahms-Anhängern festzustellen sei (E. Schweitzer an Bruckner; Briefe I, 860320), war in Wien erst bei wenigen ein Einfluss auf eine übergreifende positive Beurteilung der Werke beider Komponisten festzustellen, z. B. bei Helm, der Bruckner „auf symphonischem Gebiete nur einen einzigen ebenbürtigen, lebenden Rivalen“ gegenüberstellte, „seinen künstlerischen Antipoden: Johannes Brahms“ (zit. n. Maier, S. 102). Als die Österreichische Musik- und Theaterzeitung im Dezember 1895 eine Bruckner-Nummer herausbrachte (Jg. 8 [1895] H. 6/7), gab sie gleich selbst eine Begründung dafür an: mehrere geplante Aufführungen Bruckner‘scher Symphonien (in Dresden, Budapest und Wien) und v. a. die Unabhängigkeit der Redakteure von irgendeiner Clique: sie seien „weder ‚Brucknerianer‘ noch ‚Brahmsianer‘, sondern schätzen beide Meister hoch!“ (Beilage zur Österreichischen Musik- und Theaterzeitung 8 [1895] H. 6, S. 18; Gruber, S. 211). Helm schrieb im selben Jahrgang dieser Zeitschrift drei Monate später (Österreichische Musik- und Theaterzeitung 8 [1896] H. 17, S. 2), dass man sich „mitten in der Aera Brahms-Bruckner“ befinde. Dieser „Aera“ wurde zwar durch das Ableben Bruckners die Aktualität genommen, die Bedeutung aber nach dem Tod Brahms‘ durch den Antrag im Wiener Stadtrat, „zwei der neu zu schaffenden Straßen in der Umgebung der Karlskirche nach den Namen dieser beiden berühmten Todten zu benennen“ (Neue Freie Presse 8.4.1897, S. 7), unterstrichen. Durchgeführt wurden die Anträge 1898 (Brahmsplatz, 4. Bezirk, Wien) bzw. 1901 (Brucknerstraße, 4. Bezirk, Wien). Erste Denkmäler in Wien wurden 1899 (Bruckner-Büste von Viktor Tilgner im Stadtpark) bzw. 1908 (Brahms-Denkmal von Rudolf Weys im Resselpark) enthüllt. Vereint mit berühmten Komponistenkollegen aus Wien waren sie im Rahmen der Pariser Weltausstellung 1900 in einem eigenen Saal des österreichischen Pavillons: dort waren Büsten von Wolfgang Amadeus Mozart, Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Brahms, Bruckner, Joh. Strauss und H. Wolf aufgestellt (Werner, S. 60). Zu dieser Zeit waren sie längst ‚gleichwertig‘ im internationalen Konzertleben vertreten.

Siegmund von Hausegger publizierte 1903 einen nach Bruckners Tod geschriebenen Aufsatz, in dem er das Bruckner-Brahms-Verhältnis aus seiner Sicht erläuterte: „Auch mit seinen Überzeugungen, insbesondere Wagner gegenüber, war er [Brahms] zurückhaltend. Ich habe ihn stets nur mit Hochachtung von Wagner sprechen gehört. Auch Bruckner gegenüber hat er seine Wertschätzung bei verschiedenen Gelegenheiten an den Tag gelegt. Keiner war weniger als er zum Parteimanne geschaffen. Erscheint er unserer Zeit als solcher, so mögen dies seine ‚Freunde‘ verantworten. Ihn von diesem Odium zu reinigen, wäre ihre nächste Aufgabe, wenn sie seine Persönlichkeit nicht ihrer Tendenz opfern wollen.“ (Hausegger, S. 236).

Gustav Mahler bezeichnete in einem Brief vom 3.7.1904 an seine Frau Alma Bruckner und Brahms als „Sonderbare Mittelmaß-menschen [sic]. […] Jetzt halte ich bei Beethoven. Es giebt nur den und Richard [Wagner] – und sonst Nichts!!“ (de La Grange/Weiß, S. 209).

Zwei „Beethoven–Brahms–Bruckner-Zyklen“ wurden immerhin schon 1909 und 1910 in München veranstaltet. Ferdinand Löwe war es damals, der in diesen Jahren als erster Dirigent begann, „Bruckners anspruchsvolle Symphonik […] quasi gleichberechtigt neben die der beiden anderen großen Symphoniker zu stellen“ (vgl. Meyer, S. 21).

Als zusammenfassende, aber auch in der Beschäftigung mit beiden Komponisten weiterführende Anmerkung sei hier der deutsche Musikwissenschaftler Christoph Hust (* 1973) zitiert, der in der Einleitung zum internationalen musikwissenschaftlichen Symposium „Brahms und Bruckner im Spiegel der Musiktheorie“ im Rahmen der Brucknertage 2008 im Stift St. Florian feststellte: „Johannes Brahms und Anton Bruckner wurden lange als ästhetische Antipoden gegeneinander ausgespielt, häufig (man denke an Eduard Hanslick oder Hugo Wolf) durchaus polemisch: der eine je nach Präferenz als konservativer Vollender oder als uninspirierter Handwerker, der andere als genialer Neuerer oder als irrlichternder Dilettant. Erst August Halm und Ernst Kurth zeigten überzeugend die technischen Fundamente von Bruckners Musik auf, wogegen Arnold Schönberg in den 1930er-Jahren sein Bild des ,progressiven‘ Brahms entwarf. Trotz solcher vermittelnder und präzisierender Ansätze ist seither gegenüber der ästhetischen Diskussion die der Musik oft wieder in den Hintergrund getreten.“ (www.hsozkult.de/event/id/termine-9586).

Werke
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  • Kammermusik
  • Orgel- und Klaviermusik
  • Lieder
Literatur

UWE HARTEN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 6.7.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Johannes Brahms, in: Österreichische Musik- und Theaterzeitung 9 (1887) Nr. 16, S. 1

Abbildung 2: Neue Zeitschrift für Musik 95 (1928) H. 4, S. 208/2

Abbildung 3: Brahms-Denkmal im Wiener Resselpark (© Andrea Singer)

Normdaten (GND)

Brahms, Johannes: 118514253

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft