Wiener Sängerknaben
Die Tradition dieser Institution reicht ins späte 15. Jahrhundert zurück. Mit der Einrichtung bzw. Umstrukturierung einer Hofmusikkapelle unter Kaiser Maximilian I. 1498 in Wien wurden hier auch Knaben für die musikalische Ausgestaltung der Messe verpflichtet. Unter Georg von Slatkonia (1456–1522) wurde der Grundstein für eine intensive Musikpflege am Habsburgerhof gelegt. Später waren Johann Joseph Fux (1659/60–1741), die Brüder Joseph Haydn und Michael Haydn sowie Franz Schubert Sängerknaben. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aufgelöst, erfolgte 1924 eine Neugründung als Wiener Sängerknaben durch den letzten Hofkaplan Joseph Schnitt (1885–1955). Heute sind die rund 100 Sänger in vier Konzertchöre eingeteilt, einer davon heißt Brucknerchor.
Bruckner war als Hoforganist mit den Sängerknaben eng verbunden. 1875 wurde er zum Zweiten Singlehrer und Vizearchivar ernannt. In dieser Funktion hatte er die musikalische Interpretation zu schulen und die aufzuführenden Werke zu proben. Damals waren u. a. Rudolf Bibl jun., Max Keldorfer, Karl Kobald, Karl Luze und Franz Rossi Sängerknaben. Es existieren einige – teils anekdotische – Erinnerungsberichte über diese Zeit (Kobald; Pirkmayer in: Grobauer). Leopold Columban Welleba (1878–1953) hielt einige Szenen in Aquarellen fest (IKO 29–31, ÖNB‑MS, F42.Welleba.331). Zuweilen übernahm Bruckner für Rudolf Bibl den Klavierunterricht. Durch Joseph Hellmesbergers ablehnende Intervention 1878 beendete Bruckner jedoch bald seine Tätigkeit als Singlehrer.
Die Sängerknaben wirkten bei Bruckner-Messaufführungen (Messen) in der Burgkapelle mit. Die Proben dafür leitete der Komponist selbst oder war später zumindest als Berater anwesend.
Literatur
- In memoriam Anton BrucknerKarl Kobald (Hg.), In memoriam Anton Bruckner. Festschrift zum 100. Geburtstage Anton Bruckners. Wien 1924, S. 135
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/1, S. 387f.
- Bruckner und die Wiener Sängerknaben. Erinnerungen eines alten Philharmonikers. Der Organist des Kaisers, in: Neues Wiener Tagblatt, Wochenausgabe 20.5.1933, S. 2f.
- Karl Kobald, Erinnerungen an Anton Bruckner, in: ÖMZÖsterreichische Musikzeitschrift. Wien 1946ff. 1 (1946) H. 9, S. 309ff.
- Franz Josef Grobauer, Die Nachtigallen aus der Wiener Burgkapelle. Chronik der k. u. k. Hofsängerknaben. Horn 1954, bes. S. 103–106 [mit Erinnerungen des ehemaligen Sängerknaben Georg Pirkmayer]
- HofmusikkapelleTheophil Antonicek, Anton Bruckner und die Wiener Hofmusikkapelle (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 1). Graz 1979
- Alois Worliczek, Wir sind keine Lipizzaner geworden. Eine Chronik der Wiener Sängerknaben der Zwischenkriegszeit. Wien 1989
- Bruckner-Ikonographie IRenate Grasberger, Bruckner-Ikonographie. Teil 1: Um 1854 bis 1924 (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 7). Graz 1990
- Bruckner – skizziertRenate Grasberger/Erich Wolfgang Partsch, Bruckner – skizziert. Ein Porträt in ausgewählten Erinnerungen und Anekdoten (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 8). 2., verbesserte Aufl. Wien 1996 S. 68, 137–140
- Erich Wolfgang Partsch, Die Hofmusikkapelle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Susanne Antonicek (Hg.), Musica Imperialis. 500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien 1498–1998. Tutzing 1998, S. 151–170, bes. S. 160–167
- Karlheinz Schenk, Die Geschichte der Wiener Sängerknaben, in: Susanne Antonicek (Hg.), Musica Imperialis. 500 Jahre Hofmusikkapelle in Wien 1498–1998. Tutzing 1998, S. 217–232
- Maria Benediktine Pagel, Die kk (kuk) Hofsängerknaben zu Wien 1498 bis 1918. Wien 2009
- Andreas Lindner, „Mistbua, willst Musikant werden?“ – Eine Begegnung mit Anton Bruckner, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 5 (Juni 2010), S. 6f.
- Johann Vergendo, Die Wiener Sängerknaben 1924–1955. Innsbruck u. a. 2014
- Elisabeth Th. Hilscher, Art. „Wiener Sängerknaben‟, in: www.musiklexikon.ac.at [26.4.2017]