Erinnerungsliteratur

Bruckners umstrittene Künstlerpersönlichkeit, seine äußere Erscheinung, seine Verhaltensweisen, aber ebenso die vielfältigen privaten und beruflichen Kontakte haben zu einer großen Menge an Erinnerungsliteratur geführt. In vielen Fällen ist eine Grenze zu Anekdoten nicht exakt zu ziehen.

Selbstverständlich sind viele Aussagen widersprüchlich bzw. durch das spezifische Verhältnis des Erzählers zum Komponisten gefärbt. Manche Zeitzeugen hatten wirklich einen engen Kontakt, andere wiederum kannten Bruckner nur von ferne oder indirekt. Viele Erinnerungen betreffen gemeinsame Erlebnisse, den Unterricht (Lehrtätigkeit) oder auch allgemein Bruckners Persönlichkeit. Gerade in diesem Bereich divergieren die Beschreibungen erheblich. So heißt es im Selbstbildnis von Hermann Bahr (Berlin 1923, S. 23): „Bruckner war mit seinen Kratzfüßen, vor Verlegenheit schwitzend, in seinen ungelenken Huldigungen ein bäurischer Tolpatsch von solcher Possenkomik, daß meine Mutter vor Lachen nicht dazu kam, sich ihn einmal näher anzusehen.“ Dagegen betonte Max von Millenkovich: „Eines ist aber sicher: wenn er komisch gewesen wäre, so wäre mir dies, gerade weil ich jung und nicht mit ihm ‚intim‘ war, gehörig aufgefallen; und wenn er den meisten anderen Leuten, die ihn näher kannten, komisch oder seltsam erschienen wäre, so hätte ich unfehlbar davon gehört“ (Göll.-A. 4/2, S. 12). Und Josef Kluger vermerkte: „Es blieb immer ein ungelöstes Rätsel in Bruckners Charakterbild: seine tiefe Demütigkeit […] neben seinem stolzen Selbstbewußtsein.“ (Kluger, S. 122).

Einige Informanten haben auch später ihre persönlichen Bezüge übertrieben dargestellt (z. B. Ernst Decsey). Dennoch ergibt sich aus den einzelnen Details ein großes buntes Mosaik, auf das in der biografischen Forschung nicht verzichtet werden kann.

Zu den Autoren zählen in erster Linie Freunde, Schüler, Künstler, Kritiker, ebenso einige Frauen (Amalie Klose, Mathilde Mayr, Ernestine Prenner, Josefine Röckl-Stadler). Manche Erinnerungen an einzelne Begegnungen tauchten erst lange nach Bruckners Tod in Zeitungen auf, so z. B. jene des alten Briefträgers Anton Seidenbusch aus Vöcklabruck in der Welser Zeitung 1953. Auch der Österreichische Rundfunk war noch 1977 mit seiner Aktion „Gesucht: Anton Bruckner“, einer Sammlung von Erinnerungsberichten (Kopien im Anton Bruckner Institut Linz und in der Forschungsstelle Anton Bruckner der Österreichischen Akademie der Wissenschaften), erfolgreich.

Eine grundlegende (wenn auch nicht immer zuverlässige) Quelle stellt die große Biografie von August Göllerich und Max Auer dar, in der viele, oft nur mündlich überlieferte Berichte abgedruckt sind. Weitere wichtige Erinnerungen stammen von Ernst Decsey, Friedrich Eckstein, Alexander Fraenkel, Joseph Gruber, Richard Heller, Karl Hruby, Friedrich Klose, Josef Kluger, Franz Ludwig Marschner, Anton Meißner, Max von Oberleithner, Franz Schalk, Ernst Schwanzara, August Stradal und Josef Venantius von Wöss.

Literatur

RENATE GRASBERGER, ERICH WOLFGANG PARTSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.6.2020

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