Schubert, Franz (Peter)

* 31.1.1797 Himmelpfortgrund, Niederösterreich/A (9. Bezirk, Wien/A), † 19.11.1828 Wieden, Niederösterreich/A (4. Bezirk, Wien). Komponist.

Sohn des aus Neudorf (Vysoká, Okres Šumperk/CZ) stammenden Lehrers Franz Theodor Schubert (1763–1830) und dessen erster Frau Elisabeth Vietz (1756–1812). Theoretische und praktische Musikausbildung durch seine älteren Brüder Ignaz (1785–1844) und Ferdinand (1794–1859), durch den Regens chori Michael Holzer (1772–1826), als Sängerknabe in der k. k. Hofkapelle sowie durch den Hoforganisten Wenzel Ruzicka (1757–1823) und Hofkapellmeister Antonio Salieri (1750–1825). Nach seiner Ausbildung an der Lehrerbildungsanstalt St. Anna war Schubert als Schulgehilfe tätig, gab den ungeliebten Beruf des Schullehrers aber 1818 auf und lebte als Musiklehrer und freischaffender Komponist.

Bruckner schätzte Schubert zeitlebens sehr. Als markanter Ausspruch ist dazu überliefert: „Wenn ich mich auch nicht mit Schubert und solchen Meistern vergleichen kann, so weiß ich doch, daß ich ‚Wer‘ bin und meine Sachen von Bedeutung sind“ (Göll.-A. 4/2, S. 133). Zu Max von Oberleithner soll er einmal gesagt haben: „Komponier‘n können‘s wie S‘ wollen, aber denken Sie, daß selbst ein Schubert, als er ein Händel‘sches Werk hörte, noch den strengen Satz studieren wollte.“ (Göll.-A. 4/2, S. 692). Das verweist auf den Kontrapunktunterricht, um den Schubert 1828 bei Simon Sechter nachgesucht hatte: Bruckner saß also später durch seinen eigenen Unterricht bei Sechter (Ausbildung und Lehrer Bruckners) an einer wichtigen Quelle mündlicher Überlieferung und dürfte Schubert, mehr als im 19. Jahrhundert üblich, auch unter der Perspektive des „strengen Satzes“ verstanden haben (Kontrapunkt und Polyphonie).

Bruckners Lieblingslied scheint Gute Nacht aus der Winterreise (D 911) gewesen zu sein. In seinem Nachlass befanden sich außer Liedern die Klaviersonaten in a‑Moll (D 845) und B‑Dur (D 960). Bereits zu Bruckners Lebzeiten, nämlich am 3.3.1881 in der Beilage zur Zeitung Das Vaterland, prägte Eduard Kremser die Formel: „Bruckner ist der Schubert unserer Zeit.“ (Das Vaterland 3.3.1881, S. 10) und wollte damit stilistisch-formale Verbindungen herausstreichen. Mit der problematischen, ideologisch besetzten Frage nach einer „österreichischen Linie“ in der Symphonik zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden verstärkt Gemeinsamkeiten der beiden Komponisten – und damit die Kontinuität einer spezifischen Tradition – diskutiert (Partsch 1994 und 1997).

In seinen Vorlesungen (Harmonielehre- und Kontrapunktunterricht, Musiktheorie) brachte Bruckner wiederholt Passagen aus Werken Schuberts, um dessen avancierte Harmonik zu demonstrieren. Er bezeichnete ihn diesbezüglich als „Vorläufer“ Richard Wagners, als „Johannes den Täufer“. August Stradal erinnerte sich, dass Bruckner z. B. in der h‑Moll-Symphonie (D 759) „schon Spuren des kommenden Tristan“ (Stradal, S. 972) gefunden habe. Zu den Schlüsselwerken zählte für Bruckner im Weiteren die große C‑Dur-Symphonie (D 944), die ja insgesamt eine wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der Symphonik im 19. Jahrhundert besitzt, mit ihren „oft wiederholenden Nonen- und Undezimen-Akkorden bei den Steigerungen“ (Stradal, S. 973). Vielleicht ist der scharfe Dissonanz-Abbruch im Adagio (Langsamer Satz) der Neunten Symphonie ein Reflex auf jenen in Schuberts Werk, allerdings in unterschiedlichem dramaturgischem Kontext.

Bruckner kam schon früh durch die oberösterreichische Schubert-Tradition im Stift St. Florian, in Linz, Enns und Steyr mit dessen Musik in Berührung (Zamazal). In St. Florian, wo er bereits 1838 als Sängerknabe in einer Schubert-Aufführung nachweisbar ist (Buchmayr, S. 188), widmete er sich später als Klavierbegleiter gemeinsam mit dem Tenor Ludwig Ehrenecker zunächst dem Liedschaffen. Einflüsse sind in Bruckners Liedern und in der Sonate für Klavier in g‑Moll spürbar. In Wien, wo sich Johann Herbeck dezidiert für Schubert einsetzte (und, wie angedeutet, durch Sechter), erfolgte dann eine wohl systematische Erweiterung seiner Kenntnisse (Grasberger).

Ansätze für Vergleiche bzw. mögliche Einflüsse in allen Gattungen finden sich hauptsächlich in den Bereichen Form, Satztechnik und Harmonik. Es steht außer Frage, dass solche Verbindungslinien mit Vorsicht freizulegen sind und Einzelbeobachtungen keine Verallgemeinerungen zulassen. Dennoch sollen hier ein paar Hinweise erfolgen: Bruckners besondere symphonische Ausprägung der Sonatenhauptsatzform mit ihren drei Themenfeldern geht möglicherweise auf die Beschäftigung mit Schubert zurück, bei dem diese Struktur vor Bruckner am stärksten ausgeprägt ist (Hinrichsen 1993 und 1997). Überhaupt kann Schuberts von parataktischer Reihung und harmonisch gestaffelter Steigerung bestimmtes Formdenken mit Bruckner in Beziehung gesetzt werden. Auch die Konzentration bzw. Verdichtung, die Bruckner gezielt durch die Repetition rhythmischer Modelle erreicht, und selbst Details wie sein charakteristisches Tremolo verweisen in manchem auf das „Vorbild“ zurück. Bruckner könnte in Schuberts Techniken musikalischer Kohärenzbildung ein attraktives Alternativmodell zu der durch Ludwig van Beethoven auf einen Höhepunkt getriebenen motivisch-thematischen Arbeit erblickt haben. Nicht zufällig wird die eigentümliche Zeitgestaltung in den großen Werken beider Komponisten in der Literatur gern metaphorisch mit dem Begriff des „Epischen“ erfasst. In diesem Zusammenhang wäre die dramaturgische Funktion der Generalpause, besonders als Ziel einer jäh abbrechenden Steigerung, im Werk beider Komponisten mit Gewinn näher zu analysieren. Für die Vergleichbarkeit von Satz‑ und Melodietypen (Melodik) bietet die Ländlerthematik einen deutlichen Ansatzpunkt. Wichtige Bezüge finden sich schließlich in der Harmonik (jenem Bereich, auf den Bruckner selbst immer wieder verwies): Terzverwandtschaften, chromatisch pointierte Steigerungen, kühne Modulationen, Alterationsharmonik und Enharmonik.

Das Thema „Schubert und Bruckner“ ist – mit Ausnahme einzelner Spezialstudien – bis heute nicht systematisch erforscht worden (für einen konzisen Überblick vgl. Winkler, S. 55f.). Auch den 1978 vorgelegten wichtigen Thesen Franz Grasbergers wurde nie detailliert nachgegangen.

Werke
  • Opern, Oratorium, Singspiele, Bühnenmusik
  • Symphonien
  • Kirchenmusik
  • Kammermusik, Klavierwerke
  • Lieder
Literatur

HANS-JOACHIM HINRICHSEN, ERICH WOLFGANG PARTSCH

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 27.5.2019

Medien

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Abbildungen

Abbildung 1: Allgemeine Kunst-Chronik 12 (1888) Nr. 24, S. 613

Abbildung 2: Neue Zeitschrift für Musik 72 (1905) H. 22/23, Beilage [o. S.]

Abbildung 3: Schubert-Denkmal im Stadtpark (© Andrea Singer)

Normdaten (GND)

Schubert, Franz (Peter): 118610961

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft