Hellmesberger, Familie

Joseph d. Ä.: * 3.11.1828 Wien/A, † 24.10.1893 Wien. Hofkapellmeister, Musikpädagoge, Komponist.

Der Sohn des Geigers und Dirigenten Georg Hellmesberger d. Ä. (* 24.4.1800 Wien, † 16.8.1873 Wien) erhielt seine musikalische Ausbildung durch den Vater. Erste Auftritte absolvierten er und sein Bruder Georg Franz (* 27.1.1830 Wien, † 12.11.1852 Hannover, Niedersachsen/D) ab 1841; 1847 unternahmen sie in Begleitung des Vaters eine erfolgreiche Konzertreise nach Deutschland und England.

1848–1859, 1870/71 und 1877/78 Konzertdirektor (artistischer Direktor) des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (GdM), 1851–1877 Professor für Violine an deren Konservatorium, dessen Leitung er 1851–1893 innehatte; ab 1860 Konzertmeister des Hofopernorchester; ab 1877 Hofkapellmeister, zuvor eineinhalb Jahre Vizehofkapellmeister. Als Komponist erlangte er keine bleibende Bedeutung.

Hellmesberger war als artistischer Direktor des Konservatoriums der GdM Mitglied der Prüfungskommission bei der von Bruckner gewünschten „Reifeprüfung“ zum Lehrer für Harmonielehre und Kontrapunkt (19./21.11.1861; Zeugnisse). Ein weiteres Mal begutachtete er Bruckners Orgelspiel am 18.4.1871 in der Wiener Piaristenkirche als Mitglied einer Kommission, welche über die Entsendung eines österreichischen Organisten für die in London 1871 geplante Weltausstellung entschied. Bruckner gewann das Probespiel einstimmig und wurde zur Prüfung der neu in der Royal Albert Hall aufgestellten Riesen-Orgel von Henry Willis (1821–1901) eingeladen.

Einerseits war Hellmesberger als Violinist der Hofmusikkapelle Kollege Bruckners, andererseits als Direktor des Konservatoriums und als Hofkapellmeister dessen Vorgesetzter. Bedeutung hatte er für ihn auch als Konzertmeister des Orchesters der GdM und der Wiener Philharmoniker.

Hellmesberger schätzte Bruckner als Musiker und Komponisten, so stellte er etwa für die Messe in d-Moll ein glänzendes Gutachten aus. Auch ein von Bruckner erbetenes Zeugnis (12.10.1871) zeigt Hellmesbergers Anerkennung seiner Lehrtätigkeit am Wiener Konservatorium, wo „der geschätzte Künstler“ „in ganz vortrefflicher Weise Unterricht erteilt“ und „durch ausgezeichnete Prüfungsresultate sich als eine Lehrkraft gediegenster Art erweist“ (Göll.-A. 4/1, S. 191).

Auf persönlicher Ebene aber gab es eine merkbare Distanz und Verständnislosigkeit von Seiten Hellmesbergers. Die deutliche Reserviertheit liegt vermutlich u. a. in Bruckners hartnäckigem Bestreben um Existenzsicherung, zu einem Zeitpunkt, da es nicht mehr vonnöten war. Das Unverständnis zeigt sich in einer Eingabe Hellmesbergers als Hofkapellmeister an das Obersthofmeisteramt (3.1.1878), in der er Bruckners Definitivstellung als Hoforganist begründet, ihm aber gleichzeitig die Posten als Zweiter Singlehrer der Sängerknaben und als Archivar zu entziehen vorschlägt, da dies seinerzeit „wohl meist in Berücksichtigung seiner dürftigen Lebensverhältnisse allergnädigst zugewendet war. Nachdem Bruckner nunmehr in den Gehaltsgenuß eines wirklichen Mitgliedes einrückt, erscheint die weitere Zuwendung dieses Unterstützungsbetrages umsoweniger nothwendig, als ja Bruckner auch sonst nicht als sosehr mittellos und hilfebedürftig anzusehen ist.“ (Hofmusikkapelle, S. 90). Im selben Jahr verneinte Hellmesberger auch eine Anfrage des Hofes, ob Bruckner eine Geldzuwendung benötige. Seiner Ansicht nach gäbe es „so viele Arme und Hilfsbedürftige in Österreich, die der Unterstützung mehr bedürften als Bruckner“ (Göll.-A. 4/2, S. 506).

Auch die 1886 an Bruckner erfolgte Verleihung des Franz Joseph-Ordens (Ehrungen), dessen Genehmigung auf inoffiziellem Wege innerhalb nur einer Woche beschlossen wurde, sowie eine damit verbundene jährliche Personalzulage von 300 fl verärgerten den übergangenen Hofkapellmeister. Nachdem die Angelegenheit bereits von oben beschlossen war, hatte Hellmesberger für die entsprechenden formellen Eingaben nur noch seine Hand zu leihen. Ob dies der Auslöser dafür war, dass von diesem Jahr an in der Hofburgkapelle keine Bruckner-Werke mehr aufgeführt wurden, bleibt zu hinterfragen. Vielleicht verstimmte Hellmesberger aber auch der Umstand, dass Bruckner als Hoforganist so gut wie keine Kirchenmusik mehr komponierte, sondern sich hartnäckig als Symphoniker zu behaupten versuchte.

Hellmesberger übte auch am Orgelspiel Bruckners Kritik. Obwohl ein von ihm am 26.12.1890 getätigter Ausspruch lautete: „So schön hat noch keiner gespielt, wie Bruckner heute in der Hofkapelle.“ (Göll.-A. 2/1, S. 308), ließ Hellmesberger Bruckner nur noch selten Hochämter spielen. Dies liegt möglicherweise darin begründet, „da er sich beim Präludieren so vergaß, daß er dadurch die liturgische Handlung aufhielt“ (Göll.-A. 4/1, S. 485). Diese Maßnahme, die Hellmesberger wohl schon sehr bald nach seiner Ernennung zum Hofkapellmeister traf, dürfte aber auch im körperlich bedingten Leistungsabfall des Organisten begründet sein. Bruckners spätere Bitte aus dem Dienst eines Hoforganisten entlassen zu werden, bekräftigte Hellmesberger in dem von ihm verfassten Gesuch (21.10.1892), Bruckners Enthebung aus dem Dienst sei „um so mehr zu empfehlen, als dessen künstlerische Ausübungen auf der Orgel, schon seit Jahren nicht mehr als entsprechend befunden werden konnten“ (Hofmusikkapelle, S. 121).

Als maßgebliche Persönlichkeit ist unter den erbetenen Gutachtern anlässlich Bruckners Ernennung zum Ehrendoktor der Universität Wien auch Hellmesberger zu finden. Objektiv und nicht durch den spannungsgeladenen Berufsalltag an der Hofmusikkapelle belastet, schrieb er: „Eingeladen, meiner Ansicht über die Bedeutung Anton Bruckner‘s als Tonsetzer Ausdruck zu geben, gereicht es mir zum wahren Vergnügen, meine künstlerische Überzeugung dahin aussprechen zu können, dass ich Bruckner für einen der bedeutendsten, wenn nicht für den bedeutendsten unter den Symphonikern der Gegenwart halte“ (Briefe II, 910618).

Auf Anregung Hellmesbergers, der mit seinem 1849 gegründeten Hellmesberger-Quartett (Matthias Durst – Vl., Carl Heissler – Va., Karl Schlesinger – Vc.) größte Popularität erlangte, schrieb Bruckner angeblich 1878/79 sein Streichquintett in F-Dur. An der fertigen Komposition übte der Quartett-Primarius jedoch Kritik, da ihm das Scherzo als zu schwierig erschien. Obwohl Bruckner hierauf als Alternative das Intermezzo in d-Moll komponierte und es diverse Konzertankündigungen in der Wiener Zeitung gab, verzögerte Hellmesberger weiterhin mit fadenscheinigen Ausreden eine Aufführung. Erst Jahre nach der Uraufführung (am 17.11.1881 durch das Winkler-Quartett mit Julius Desing, ohne Finale) setzte er erstmals das Streichquintett in F-Dur auf das Programm seiner Quartettvereinigung und konnte am 8.1.1885 einen „durchschlagende[n], ja sensationelle[n] Erfolg, der jeden Satz dieses herrlichen Werkes begleitete“ (Wiener Zeitung 13.1.1885, S. 1) erleben.

Werke
  • Die Perle von Iberien. Ballet in drei Bildern. Wien [1890]
  • Kirchenmusik (u. a. Ave Maria, Pater noster)
  • Bearbeitungen von Werken Schuberts, Beethovens, Händels, Bachs u. a.
  • Pädagogische Werke (u. a. Duett-Etüden, Moderne Vorbereitungs-Etüden, Skalen-Übungen)
Literatur

Seine Söhne
Joseph (Heinrich Georg) d. J.: * 9.4.1855 Wien, † 26.4.1907 Wien. Geiger, Dirigent und Komponist.

Schüler seines Vaters am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, im Studienjahr 1869/70 Kontrapunktschüler Bruckners ebenda. Ab 1870 2. Geiger im Streichquartett seines Vaters. 1874 Konzertmeister der Komischen Oper (Ringtheater) am Schottenring. 1875 zum Militär eingezogen, wurde Musiker beim Infanterieregiment Nr. 4 (Konzertmeister der Streicherbesetzung, Schlagzeuger der Bläserbesetzung), 1876–1878 Kapellmeister des Infanterieregiments Nr. 32. Ab 1878 Sologeiger der Wiener Hofoper und der Hofmusikkapelle, Professor am Konservatorium. Dem Ringtheaterbrand vom 8.12.1881 entkam Hellmesberger, der wie schon am Vorabend Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach (1819–1880) dirigieren sollte, nur mit Mühe. 1884 Konzertmeister der Hofoper und Dirigent ihrer Ballettmusik. Bei der ersten kompletten Aufführung von Bruckners Streichquintett in F-Dur am 8.1.1885 spielte er die 2. Geige. 1886 wurde er Hofkapellmeister für Ballett und Konzert, 1900/01 Vizehofkapellmeister und 1901–1903 als Nachfolger Hans Richters Hofkapellmeister. Von Gustav Mahler übernahm er bis 1903 die Leitung der Philharmonischen Konzerte, nach dem Tod seines Vaters als Erster Geiger die Leitung des Hellmesberger-Quartetts.

Mit seinem Quartett unternahm er zahlreiche Konzertreisen. 1903 legte er aus persönlichen Gründen alle Wiener Ämter nieder und ging für ein Jahr als Kapellmeister an das Stuttgarter Hoftheater, kehrte jedoch schon 1905 nach Wien zurück. Hellmesberger wurde nicht nur als Pädagoge, Dirigent und Geiger, sondern auch als Komponist sehr geschätzt.

Werke
  • Fata morgana. Lyrisch-choreographisches Drama in 4 Akten. Wien 1886
  • Operetten (u. a. Das Veilchenmädel 1904, Wien bei Nacht 1905)
  • Ballette und Pantomimen
  • Walzer, Polkas, Tänze (u. a. Danse diabolique)
  • Lieder
Literatur

Ferdinand (Emil Heinrich Josef): * 24.1.1863 Wien, † 15.3.1940 Wien. Cellist, Dirigent, Pädagoge.

Studierte bis 1879 am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Violoncello bei Karl Udel (1844–1927) und bei Bruckner Harmonielehre und Kontrapunkt, ist allerdings in den Jahresberichten nicht angeführt. 1879 wurde er Mitglied der Hofmusikkapelle und spielte ab 1883 im Streichquartett seines Vaters; er unterrichtete 1884–1902 selbst am Konservatorium (1889 Professor). 1896–1902 wirkte er als Solo-Cellist an der Wiener Hofoper und anschließend als Kapellmeister am Kaiser-Jubiläums-Stadttheater (heute Volksoper). 1905 ging er für fünf Jahre als Ballettdirigent an die Königliche Oper in Berlin, ab 1908 war er als Kapellmeister in Abbazia (Opatija/HR), des Wiener Konzertvereins, der Kurkapellen in Baden bei Wien, Marienbad und Karlsbad tätig. Ab Herbst 1930 unterrichtete er die Meisterklasse für Cello am Wiener Lutwak-Patonay-Konservatorium.

Literatur

OTTO BIBA, SANDRA FÖGER, ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 2.5.2019

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Abbildungen

Abbildung 1: Joseph Hellmesberger d. Ä., in: An der Schönen Blauen Donau 4 (1889) H. 15, S. 360/5

Abbildung 2: Joseph Hellmesberger d. J., in: Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung 28 (1901) Nr. 11, S. 119

Normdaten (GND)

Hellmesberger, Ferdinand (Emil Heinrich Josef): 116687959

Hellmesberger, Joseph (Heinrich Georg) d. J.: 103901396

Hellmesberger, Joseph d. Ä.: 103787038

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft