Olmütz (Olomouc)
Stadt im Norden Mährens (Region Olomoucký kraj, heute Tschechien) an der March. Bis ins 17. Jahrhundert Zentrum Mährens, seit 1777 Erzbistum. 1900: ca. 22.000, 2019: ca. 100.000 EW.
Im Sommer 1855 bewarb sich Bruckner möglicherweise (nicht belegbar) um den Organistenposten in Olmütz (Bewerbungen). In St. Florian sorgte dies für Missstimmung. Ab 1.1.1856 war Moritz Kunert (1803–1861) Domorganist. Von persönlichen Beziehungen Bruckners zu Olmütz ist nichts bekannt. Georg Knepler (1906–2003) berichtete von einem Besuch Bruckners beim Manöver, das im September 1853 in Olmütz stattfand und bei dem er seine Inspiration zum Finale der Achten Symphonie erhalten habe soll (Knepler, S. 692f.). Da damals nur Kaiser Franz Joseph I. und der russische Zar in Olmütz zusammentrafen, bezieht sich Bruckners Bemerkung im Brief an Felix Weingartner „Unser Kaiser bekam damals den Besuch des Czaren in Olmütz“ (Briefe II, 910127/2) wahrscheinlich eher auf dieses Ereignis, denn auf das vielfach zitierte Drei-Kaisertreffen 1884. Bruckner selbst kann 1853 nicht in Olmütz gewesen sein, er kannte aber vielleicht die zahlreichen Zeitungsberichte über die musikalischen Darbietungen.
1893 schrieb Bruckner von Projekten in Brünn und Olmütz. Am 22.10.1893 führte der seit 1872 in Olmütz wirkende Wladimir Labler (1847–1914) mit dem Olmützer Musikverein die Achte Symphonie im Redoutensaal auf. Ein Telegramm des 1850 gegründeten Musikvereins am folgenden Tag informierte Bruckner über den Erfolg der Aufführung: „Achte Symphonie vor ausverkauftem Hause aufgeführt, glänzende Ausführung unter Leitung des Musikdirectors Wladimir Labler. Grossartiger Erfolg, Stürmischer Beifall.“ (ÖNB‑MS, Mus.Hs.28252). Auch die Kritik zeigte sich begeistert: „Welch tiefen Eindruck die grandiose Schöpfung auf die zahlreich – und auch aus den Nachbarstädten und Orten erschienenen Zuhörer übte, das konnte man am besten nach dem stürmischen Beifalle messen, der gestern nach jedem Satze den dichtgefüllten Redoutensaal durchbrauste und sich stellenweise zu begeisterter Höhe erhob. Und hier gab es weder Brucknerianer noch Antibrucknerianer“ (Mährisches Tagblatt 23.10.1893, [S. 4]).
Am 8.11.1896 folgte die Aufführung der Vierten Symphonie, die unter Labler „einen großartigen Erfolg“ errang: „Auf die reichen musikalischen Schönheiten des herrlichen Werkes einzugehen, scheint uns nicht nöthig. Die Besucher des Concertes haben durch wiederholten stürmischen Beifall gezeigt, daß sie dieselben voll und ganz zur würdigen wissen; […] Dem vor Kurzem erst verblichenen Tondichter wurde dadurch ein würdiger Nachruf zutheil.“ (Mährisches Tagblatt 9.11.1896, [S. 5]). Erst am 11.12.1904 wurde die Dritte Symphonie, wieder unter Labler, aufgeführt: „Es ist eine gewaltige, mächtige Tonschöpfung, die einen tiefen Eindruck auf jeden musikalisch Gebildeten hervorrufen muß und die von dem Orchester in packender Weise wiedergegeben wurde.“ (Mährisches Tagblatt 12.12.1904, S. 3).
Literatur
- Concert des Musikvereines: „Achte Symphonie“ von Dr. Anton Bruckner, in: Mährisches Tagblatt 23.10.1893, [S. 4]
- Concert des Musikvereins, in: Mährisches Tagblatt 9.11.1896, [S. 5]
- 197. Concert des Musikvereins, in: Mährisches Tagblatt 12.12.1904, S. 3
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 2/1, S. 188f.
- Hans Commenda, Geschichten um Anton Bruckner. Linz 1946, S. 23
- Georg Knepler, Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts. 2. Österreich, Deutschland. Berlin 1961
- Staat – Kirche – SchuleHarry Slapnicka u. a., Staat – Kirche – Schule in Oberösterreich. Zu Anton Bruckners sozialhistorischem Umfeld. Mit einem Beitrag über das Orgelspiel des jungen Bruckner (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 10). Wien 1994, S. 234
- Jaroslav Bužga, Art. „Olmütz“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 7 (1997), Sp. 623–626
- Elisabeth Maier, Der Tod als „Luftlinie“, oder: von den Schwierigkeiten einer Zeitgenossenschaft, in: Bruckner-Symposion 2006Theophil Antonicek/Andreas Lindner/Klaus Petermayr (Hg.), Bruckner-Symposion. Gemeinsame Vergangenheit – gemeinsame Zukunft? Musikalische Beziehungen Österreichs zu den neuen EU-Nachbarn Tschechien, Slowakei und Ungarn. Brucknerhaus Linz, 27.–30. September 2006. Bericht. Linz 2011, S. 113f.
- Alexander Rausch, Zwischen Mythos und Repräsentation. Zum Finale von Bruckners Achter Symphonie, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 83 (Dezember 2014), S. 9–12
- Johanna Senigl, Art. „Olmütz (deutsch für tschechisch Olomouc)“, in: www.musiklexikon.ac.at [17.8.2020]