Franz Joseph I., Kaiser von Österreich
* 18.8.1830 Wien/A, † 21.11.1916 Wien. Kaiser von Österreich, König von Böhmen und Ungarn.
Regierungszeit 1848–1916. Mehrere habsburgische Herrscher wie Ferdinand III. (1608–1657), Leopold I. (1640–1705), Joseph I. (1678–1711) und Karl VI. (1685–1740) waren kompositorisch tätig, Franz Joseph I. aber setzte diese alte musikalische Tradition des Hauses Habsburg (Kaiserhaus) nicht fort, denn er war vor allem am Militär und an der Jagd interessiert. Künstlerische Neigungen in seiner Jugend (er malte und zeichnete sehr gerne, zeigte durchaus auch musische Interessen) wurden unterbunden, um nicht seine künftigen Aufgaben zu behindern. Der Zeitgenosse Friedrich Scherber (1844–1944), u. a. Komponist, Schriftsteller und seit 1901 Mitarbeiter sowie 1910–1912 Leiter der Musiksammlung der k. k. Hofbibliothek, berief sich 1909 bei seiner Beurteilung auf „alle Biographen“ der Zeit (Scherber, S. 189), die Franz Joseph I. offenbar ebenso für unmusikalisch hielten (bzw. an klassischer Musik eher desinteressiert) wie Kaiserin Elisabeth und Kronprinz Rudolf. Kaiserin Elisabeth spielte zwar Zither, aber wohl eher für den Hausgebrauch und nicht so virtuos wie ihr Vater, Herzog Max in Bayern (1808–1888). Der Volksmusik verbunden waren jedoch sowohl das Kaiserpaar als auch der Kronprinz.
Franz Joseph I. zeigte, soweit die Regierungsgeschäfte dies erlaubten, durchaus Interesse am Musikleben, besonders in Wien. Die Ausstellung „Kaiser Franz Joseph und die Musik“ des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien präsentierte 2016 entsprechende Belege, die zwar auch keine eigene musikalische Betätigung, aber doch vielleicht über die Verpflichtungen seiner Position als Herrscher hinausgehendes Interesse zeigten.
Der Kaiser sah in Bruckner vor allem ein Mitglied der Hofmusikkapelle und damit einen Beamten, der oft die Orgel zu Geburts- bzw. Namenstagen des Kaisers spielte, dessen Rang bei Hofe aber sehr bescheiden war. In seinen Beurteilungen verließ sich Franz Joseph I. in der Regel ganz auf die höfische Hierarchie und vermied es zumeist, sich mit persönlicher Intervention in den geordneten Hofapparat einzuschalten. Daher war Bruckners jahrzehntelange Taktik, durch alle möglichen höfischen Mittelsleute und kaiserliche Verwandte bei dem von ihm verehrten Kaiser Vergünstigungen zu erreichen, wenig erfolgversprechend. So scheiterte z. B. 1876 Bruckners Versuch, über den Obersthofmeister Konstantin Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst eine außerordentliche Professur an der Universität Wien durchzusetzen. Franz Joseph I. mischte sich selbstverständlich nicht in die universitären Belange ein. Der Antrag des Professoren-Kollegiums der philosophischen Fakultät auf Verleihung des Ehrendoktorats an Bruckner bedurfte allerdings seiner Genehmigung.
Erfolgreich war aber 1886 des Kaisers jüngste Tochter, Erzherzogin Marie Valerie, motiviert durch ihre Freundin, die Herzogin Amalie in Bayern: Mit einem energischen Vorstoß kämpfte sie zugunsten Bruckners. Amalie traf am 1.6.1886 (in Possenhofen) Kaiserin Elisabeth und Marie Valerie und erfuhr von ihrer Freundin, „daß die Sache Bruckner im Gang sei!“ (zit. n. Hamann 1994, S. 22). In kürzester Frist und in Umgehung der Hierarchie verlieh Franz Joseph I. mit Entschließung vom 8.7.1886 Bruckner den Franz Joseph-Orden (Ehrungen) der untersten Klasse und (bereits ab 1.8.1886) eine jährliche Zulage von 300 fl. Die Dankaudienz am 23.9.1886 bezeichnete Bruckner als den schönsten Tag seines Lebens (Göll.-A. 4/2, S. 505).
Diese völlig unübliche Aktion verärgerte den Hofkapellmeister Joseph Hellmesberger. Von nun an wurden keine Bruckner-Werke mehr in der Hofburgkapelle aufgeführt. Weitere Bitten um finanzielle Unterstützung wurden auf Hellmesbergers Rat abgelehnt.
Am 25.2.1890 berichtete Hermann Levi Amalie von seiner Wien-Reise und klagte über Bruckners Leiden: „Bruckner hause über vier Stiegen in zwei Zimmern, das eine ganz leer, weil jetzt in Wien die Heizung so teuer. Im andern stand nur ein Bett, ein Klavier, ein Tisch und einige Stühle. Bruckner muß dreimal die Woche sechs Stunden im Konservatorium geben, zu anstrengend für einen alten zittrigen Mann von 66 Jahren. Dazu hat er noch seinen Dienst in der Burgkapelle zu versehen. Kommt nicht zu seinem eigentlichen Schaffen. Möchte die Stunden aufgeben. Geht nur, wenn Gnadengehalt“ (zit. n. Hamann 1994, S. 28).
Die Bitte um Pensionierung als Hoforganist bei vollen Bezügen wurde abgelehnt. Aus der kaiserlichen Privatschatulle wurden aber von Fall zu Fall kleine Unterstützungen gewährt, so bei Reisen oder für den Druck der Achten Symphonie. Nach Annahme der Widmung der Achten – Bruckner bat den Kaiser in einem Brief, „die allerehrfurchtsvollste Dedication […] zu bewilligen“ (Briefe II, 900314/2) – fehlte Franz Joseph I. bei der triumphalen Uraufführung am 18.12.1892. Er zog die Jagd vor, obwohl er in einer Bruckner und dem Dirigenten der Symphonie, Hans Richter, gewährten Audienz am 12.12.1892 noch sein Erscheinen in Aussicht gestellt hatte.
Auf Intervention mehrerer Bruckner-Freunde, darunter auch Marie Valerie, bewilligte der Kaiser 1895 dem kranken alten Mann eine bequeme und geräumige Wohnung im Kustodentrakt im Belvedere. Hier starb Bruckner im Jahr darauf (Krankheiten und Tod Bruckners).
Am 20.11.1917 wurde die vom Widmungsträger kaum beachtete Achte Symphonie von den Wiener Philharmonikern unter Franz Schalk als „Trauermusik zum Gedächtnis weiland Seiner Majestät Kaiser Franz Joseph I.“ aufgeführt.
Literatur
- Ferdinand Scherber, Kaiser Franz Josef und die Musik, in: Bühne und Welt. Zeitschrift für Theaterwesen, Literatur und Musik 11 (1908/09) 1. Hj., S. 189–192
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974
- Brigitte Hamann, Rudolf – Kronprinz und Rebell. Wien–München 1978
- HofmusikkapelleTheophil Antonicek, Anton Bruckner und die Wiener Hofmusikkapelle (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 1). Graz 1979
- Otto Biba, Musik, in: Das Zeitalter Franz Josephs. Niederösterreichische Landesausstellung, Schloß Grafenegg. Teil 1: Von der Revolution zur Gründerzeit. 1848–1880. Wien 1984, S. 352–359; Teil 2: 1880–1916. Glanz und Elend. Wien 1987, S. 222–231
- Brigitte Hamann, Musikalisches aus dem Tagebuch der Prinzessin Amélie in Bayern, in: Bruckner-Symposion 1994Othmar Wessely u. a. (Hg.), Bruckner-Symposion. Bruckner-Freunde – Bruckner-Kenner. Im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1994. 21.–25. September 1994. Bericht. Linz 1997, S. 19–30
- Brigitte Hamann, Der Organist des Kaisers, in: Vom Ruf zum NachrufHelga Ritschel (Red.), Vom Ruf zum Nachruf. Künstlerschicksale in Oberösterreich. Anton Bruckner. Landesausstellung Oberösterreich 1996 [Katalog]. Linz 1996, S. 234–244
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Jean-Paul Bled, Kronprinz Rudolf. Wien–Köln–Weimar 2006
- Theophil Antonicek, Bruckner im Belvedere. Akten des Obersthofmeisteramtes, in: Bruckners Wiener JahreRenate Grasberger/Elisabeth Maier/Erich Wolfgang Partsch (Hg.), Anton Bruckners Wiener Jahre. Analysen – Fakten – Perspektiven (Wiener Bruckner-Studien 1). Wien 2009, S. 19–30
- ABCD
- www.a-wgm.at/ausstellungen/kaiser-franz-joseph-und-die-musik [2.5.2019]