Messe für den Gründonnerstag in F‑Dur (Christus factus est I, WAB 9)

Vierstimmiger gemischter Chor a cappella

Sätze: Graduale „Christus factus est pro nobis“; Credo; Offertorium „Dextera Domini fecit virtutem“; Sanctus; Benedictus; Agnus Dei [alle Teile ohne Tempobezeichnung]
EZ: 1844 in Kronstorf
W: Ad maiorem Dei gloriam („A. M. D. G.“)
UA: ?
Aut.: Stadtarchiv Wels (Inv.Nr.2691, Stimmen; früher im Besitz von Josef Seiberl)
ED: Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 258–274 (1923; Partitur der ganzen Messe); Böhm & Sohn, Augsburg–Wien 1931 (A. M. Müller, nur Christus factus est)
NGA: Band XXI (Hans Bauernfeind/Leopold Nowak, 1984) und Revisionsbericht (1984)

Diese Messe versah Bruckner auf fol. 1 mit der Überschrift: „Vierstimmige / Choral Messe. / ohne Kyrie u[nd] Gloria für den Gründonnerstag / A. M. D. G.“ (O. A. M. D. G.) und der Autorenangabe „Anton Bruckner mp“. Mit Bleistift ergänzte jemand anderer unter Bruckners Namen „Unterlehrer in Windhag“ [sic]. Später fügte Bruckner über seinem Namen hinzu: „comp. 844“ und über der Widmung die Bemerkung „auch ein fug.[iertes] Kyr.[ie] u[nd] Glor.[ia] 845 comp.[oniert]“.

In diesem Werk sind Propriums- (Graduale, Offertorium) und Ordinariums-Teile (Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei) verbunden, was liturgisch durchaus üblich war. Die Texte der Propriumsteile stammen aus der Bibel (Graduale: Paulus, Brief an die Philipper, Kap. 2,8f.; Offertorium: Ps 117 [118],16f.). Bis zur Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil diente das „Christus factus est“ als Graduale am Gründonnerstag, seit der Einführung des neuen Messbuchs 1975 wird es als Vers vor dem Evangelium am Palmsonntag und Karfreitag gesungen.

Die Messe „In coena Domini“ („Zum [letzten] Abendmahl des Herrn“), auch „Choral-Messe“ oder – wegen des Fehlens der ersten beiden Ordinariumsteile – „Messe ohne Kyrie und Gloria“ genannt, trägt den bescheidenen Aufführungsmöglichkeiten des vorgesehenen Uraufführungsortes Kronstorf und der liturgischen Zeit (Fastenzeit) Rechnung. Bruckner wagte sich in der Zeit seiner Studien bei Leopold von Zenetti mehrfach an die Vertonung des Messzyklus heran. Einige dieser Versuche scheinen nicht mehr erhalten zu sein, wie seine oben erwähnte, nachträgliche Notiz oberhalb des „A. M. D. G.“ beweist. (Ob die später komponierten Messteile Kyrie und Gloria zu dieser Messe oder zu einer anderen gedacht waren, ist zumindest fraglich und die Frage nicht als so sicher gelöst anzusehen, wie es Melanie Wald-Fuhrmann, S. 226f., annimmt.)

Das Credo ist textlich extrem und weit über zeitüblichen Usus verkürzt; das Sanctus hat Bruckner mit geringen Änderungen aus der früher entstandenen Messe ohne Gloria in d‑Moll („Kronstorfer Messe“) entnommen.

Der Satz dieser dem Typus der „Landmesse“ zuzurechnenden Komposition ist überwiegend homophon, doch weisen kleine imitatorische Einsätze (z. B. Graduale: T. 1f., 5f., 20f., 28f.; Offertorium: T. 21f.) schon auf die bei Zenetti erworbenen Kenntnisse hin, ebenso die ersten Ansätze einer Textausdeutung, so ist z. B. die Kadenzwendung in Terzparallelen identisch bei „crucis“ (Graduale: T. 18f.), und bei „Christum“ (Credo: T. 22f.), „omne nomen“ wird ebenso akzentuiert (Graduale: T. 30f.) wie „nomine Domini“ (Benedictus: T. 21ff.) etc. Sehr persönliche Töne schlägt Bruckner im expressiven, ernsten Agnus Dei an. Insgesamt dominiert aber der von der Wiener Klassik (Einflüsse und Vorbilder) geprägte kirchliche Gebrauchsstil; besonders charakteristisch ist hierfür das tänzerisch beschwingte Benedictus.

Als Bruckner in Kronstorf die erste Probe zu dieser Messe ansetzte, sollen lt. August Göllerich und Max Auer aus Angst vor eventuellen Schwierigkeiten (in Erinnerung an Bruckners Libera [WAB 21]) überhaupt keine Sänger erschienen sein, was der Komponist in späterer Zeit als „a Voranzeig‘ späterer Erfahrung“ (Göll.-A. 1, S. 276) kommentiert haben soll.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 12.5.2017

Medien

Kategorien

Digitalisate

Quellen (Werkverzeichnis)

Erstdruck

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft