Kronstorf
Marktgemeinde an der alten Römerstraße von Lorch (Enns) nach Steyr; erste urkundliche Erwähnung 834 („Granitzdorf“ = „Dorf an der Grenze“, d. h. an der Grenze zu Niederösterreich), 1333 Pfarrexpositur von Enns. Zur Zeit Bruckners: ca. 100, 2019 (inkl. Katastralgemeinden): ca. 3.500 EW.
Mit Anstellungsdekret vom 23.1.1843 wurde Bruckner auf eigene Bitte und durch das Wohlwollen des St. Florianer Propstes Michael Arneth als Schulgehilfe von Windhaag nach Kronstorf versetzt (Anstellungen). Er fühlte sich nach eigenem Ausspruch hier „wie im Himmel“ (Göll.-A. 1, S. 213), da die Bewohner, zumeist Bauern, durch die klimatisch günstige Lage begüterter und daher auch dem Musischen mehr aufgeschlossen waren. Zu Bruckners bedeutendsten Förderern in Kronstorf zählten der Großbauer Michael Födermayr (Federmayr, * 8.9.1798 Stadlkirchen, Gemeinde Dietach bei Steyr, Oberösterreich/A, † 2.6.1872 Kronstorf), der seine Begabung erkannte und ihm ein Spinett zum Üben lieh, das Lehrerehepaar Franz Seraph Lehofer (* 31.12.1798 Kronstorf, † 16.1.1866 Kronstorf) und Theresia Lehofer (geb. Pesenmayr, * 7.1.1811 Haag, Niederösterreich/A, † 12.8.1873 Kronstorf) sowie der Pfarrexpositus Alois Knauer. Letzterer war Textdichter des 4‑stimmigen Männerchores An dem Feste und Widmungsträger der 2. Fassung der Kantate Musikalischer Versuch. Von Kronstorf aus suchte Bruckner wöchentlich mindestens dreimal den Ennser Regens chori Leopold von Zenetti auf, der ihm Unterricht erteilte. Ein weiterer Anziehungspunkt war die Chrismann-Orgel der Stadtpfarrkirche in Steyr, auf der Bruckner mit Erlaubnis des dortigen Stadtpfarrers Josef Plersch üben durfte. Auch das Stift St. Florian suchte Bruckner weiterhin auf.
In Kronstorf scheint Bruckner zum ersten Mal erkannt zu haben, dass seine musikalische Begabung sowohl den Durchschnitt als auch die damals von einem Lehrer als selbstverständlich erwarteten Fähigkeiten überschritt. Indizien dafür sind der Unterricht bei Zenetti, der frei gewählt und inhaltlich ganz auf die spätere Organistentätigkeit ausgerichtet war, sowie die stolze Unterschrift auf dem Titelblatt der beiden Asperges, auf dem Bruckner erstmals als „Comp[onist]“ (oder mit „Comp[oniert]“) unterzeichnete.
In Kronstorf entstanden auch Bruckners Messe ohne Gloria in d‑Moll , die Messe für den Gründonnerstag in F-Dur sowie das Fragment einer Missa pro Quadragesima in g-Moll.
Bruckners Anstellung in Kronstorf dauerte bis zum 23.9.1845; am 25.9. trat er einen Posten in St. Florian an. An seinen Aufenthalt in Kronstorf erinnern das als Gedenkstätte eingerichtete Bruckner-Zimmer im alten Schulhaus (Bruckner-Platz 9; die von Kronstorfer Bruckner-Freunden gestiftete Gedenktafel wurde am 15.6.1913 enthüllt) sowie die kleine Mauracher-Orgel aus dem Jahr 1879, die Bruckner anlässlich eines späteren Besuches noch selbst gespielt hat. Sie wurde 2009 grundlegend renoviert.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 1, S. 209–319
- Bruckner und ZenettiElisabeth Maier/Franz Zamazal, Anton Bruckner und Leopold von Zenetti (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 3). Graz 1980
- Franz Forstner, 1150 Jahre Kronstorf. Steyr 1984
- Franz Zamazal, Familie Bruckner – Drei Generationen Lehrer. Schulverhältnisse – Ausbildung – Lebenslauf, in: Staat – Kirche – SchuleHarry Slapnicka u. a., Staat – Kirche – Schule in Oberösterreich. Zu Anton Bruckners sozialhistorischem Umfeld. Mit einem Beitrag über das Orgelspiel des jungen Bruckner (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 10). Wien 1994, S. 97–251
- Andreas Lindner/Klaus Petermayr, Die historischen Musikalien der Bruckner-Stätten. Bd. 1: Die Pfarre Kronstorf (Veröffentlichungen des RISM Österreich, Reihe A, 13). Linz 2010
- Franz Windtner, Die Restaurierung der Orgel in der Pfarrkirche Kronstorf, in: ABIL-MitteilungenABIL-Mitteilungen. Hg. v. Anton Bruckner Institut Linz. Linz 2008ff. Nr. 5 (Juni 2010), S. 9–12
- ABCD
- Klaus Petermayr, Art. „Kronstorf“, in: www.musiklexikon.ac.at [1.7.2020]
- Taufbuch 1772–1803 der Pfarre Dietach bei Steyr, pag. 231
- Taufbuch 1784–1837 der Pfarre Kronstorf, pag. 12
- Taufbuch 1811–1828 der Pfarre Haag, pag. 1
- Trauungsbuch-Duplikat 1833 der Pfarre Kronstorf, [pag. 4]
- Sterbebuch-Duplikat der Pfarre Kronstorf, 1866, [pag. 1], 1872, [pag. 4], 1873, [pag. 4]