Richter, Pius

* 11.12.1818 Warnsdorf/Böhmen (Varnsdorf/CZ), † 18.12.1893 Wien/A. Komponist, Organist und Kapellmeister.

Sein Vater Johann Vinzenz (1788–1853) war Lehrer und Regens chori, er führte 1830 in Warnsdorf Ludwig van Beethovens Missa solemnis erstmals vollständig auf. Der Sohn besuchte 1831–1837 das akademische Gymnasium und die Musiklehranstalt von Joseph Proksch (1794–1864) in Prag. 1838–1842 war er Musiklehrer beim Grafen Thun, 1845–1857 bei der Fürstin Kinsky. Seit 1857 am Kaiserhof in Wien Klavierlehrer; mehrere Jahre unterrichtete er auch Kaiserin Elisabeth (Kaiserhaus) im Harmoniumspiel. Nachdem er einige Jahre Substitut Gottfried Preyers in der Hofmusikkapelle war, wurde er 1863 Exspektant der Hofmusikkapelle, 1867 wirklicher Hoforganist. 1877 wurde Richter Titular-Vizehofkapellmeister, 1893, kurz vor seinem Tod, noch wirklicher Vizehofkapellmeister. 1873 erhielt er das Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens (das Bruckner erst 1886 verliehen wurde; Ehrungen).

Richter kam erstmals 1862 in den Gesichtskreis Bruckners im Zusammenhang mit dessen Aspirationen auf eine Hoforganistenstelle; Bruckner schrieb Rudolf Weinwurm am 23.9.1862, dass „ein gewisser Pius Richter“ vom Obersthofmeisteramt „beschieden worden sei, Sechter‘s Dienst zu versehen“, und dass zu befürchten sei, dass eine „Protection aus den höchsten adeligen Damenkreisen“ (Briefe I, 620923) dahinterstehe. Das stimmte bestenfalls annähernd. Richter hatte damals bereits einige Jahre Preyer substituiert und kam durch den Ausfall Simon Sechters selbstverständlich auch dazu, etwas von dessen Diensten zu übernehmen. Am 16.2.1863 erhielt Richter allerdings eine Exspektanz (auf die Bruckner offensichtlich gehofft hatte), was in diesem Fall ein ganz normaler Vorgang war, Bruckner allerdings zu Kombinationen über Protektion des Obersthofmeisters und Benedict Randhartingers (1802–1893), in deren Familien Richter Klavierunterricht erteilte, veranlasste. Zu einem Zusammentreffen der beiden kam es nach der Aufnahme Bruckners zum Exspektanten 1868, Richter habe nach Aussage seines Sohnes Edmund (E. Richter, S. 17) zunächst „nicht den besten Eindruck“ von Bruckner gehabt, dessen devotes Benehmen ihm missfiel. Es scheint sich aber bald ein gutes Verhältnis zwischen den beiden ergeben zu haben. Sie vertraten einander gegenseitig bei Orgeldiensten, und nachdem Joseph Hellmesberger Bruckner bei Aufführungen nicht mehr spielen ließ, verschaffte Richter Bruckner hinter dem Rücken Hellmesbergers Möglichkeiten, doch zu spielen (unter anderem bei von Richter selbst geleiteten Aufführungen). Es ist auch möglich, dass er sich in einem längeren Gespräch mit Hellmesberger 1878 für Bruckner einsetzte, wahrscheinlich um eine Abmilderung von Hellmesbergers Vorgehen gegenüber Bruckner zu erreichen. Beim Großteil der Korrespondenz zwischen den beiden geht es um Orgeldienste in der Hofmusikkapelle, wobei Bruckner seinen Kollegen immer sehr devot anspricht („Dürfte ich es wagen zu bitten, daß Hochderselbe mir gestatten möchten […]“, Briefe I, 780805). Richter kannte auch Bruckners Vorlesungstätigkeit (Lehrtätigkeit), über die er urteilte: „Sehr gut, klarer, etwas spaßiger Vortrag – pedantisches System Sechters“ (E. Richter, S. 19).

Werke
  • Messen, Requien
  • geistliche und weltliche Chormusik
  • Lieder
  • Klavier- und Orgelstücke
Literatur

THEOPHIL ANTONICEK, INGRID FUCHS

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 18.12.2018

Medien

Kategorien

Normdaten (GND)

Richter, Pius: 130134724

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft