Hofmusikkapelle

Die Stellung eines k. k. Hoforganisten und Mitgliedes der k. k. Hofmusikkapelle war, so wenig sie innerhalb des Hofstaates überschätzt werden darf, der für Bruckners gesellschaftliche Stellung bestimmende Rang. Ein Hofkapellmeisteramt gehörte offensichtlich zu den Vorstellungen Bruckners von den höchsten für einen Musiker zu erreichenden Zielen; schon als Kind soll er den Wunsch geäußert haben, „a Mal a Kapellmeister z’werd’n“ (Göll.-A. 1, S. 139). Für ihn selbst kam natürlich vor allem die kaiserliche Hofmusikkapelle in Wien in Betracht. Nach eigener Behauptung bemühte er sich seit 1851 aufgrund „vieler gegebener Hoffnungen“ (Briefe I, 671014) um eine Aufnahme in die k. k. Hofmusikkapelle. Diese aktenmäßig nicht belegbare Aussage könnte sich auf die ins Jahr 1852 fallenden Kontakte mit dem damaligen Hofkapellmeister Ignaz Assmayr beziehen, wofür seine briefliche Mitteilung an diesen spräche, er dürfe in St. Florian „von Plänen nichts merken lassen“ (Briefe I, 520730).

Nach Assmayrs Tod 1862 dachte Bruckner an die Bewerbung auf eine aufgrund der Vorrückungen freiwerdende Stelle als exspektierender Hoforganist in der Hofmusikkapelle. Er kontaktierte Benedict Randhartinger (1802–1893) und Philipp Draexler von Carin (1794–1874), war mit seinem Anliegen jedoch nicht erfolgreich. Der tatsächlichen Ernennung zum exspektierenden Hoforganisten, die nach dem Tod Simon Sechters und dem Nachrücken von Pius Richter durch kaiserliche Entschließung vom 4.9.1868 erfolgte, gingen längere Verhandlungen Bruckners mit Hofkapellmeister Johann Herbeck voraus. Im Rahmen dieser Bestrebungen erfolgte die Aufführung der Messe in d‑Moll unter Bruckners Leitung am 10.2.1867 in der Hofburgkapelle und daraufhin die Bestellung einer weiteren Messe (Messe in f‑Moll) durch das Obersthofmeisteramt. Am 14.10.1867 sandte Bruckners seine „Promemoria“ mit der Aufzählung seines Werdegangs und seiner bisherigen Erfolge und der „unterthänigste[n] Bitte um hochgnädigste Aufname in die kk. Hofkapelle“ (Briefe I, 671014) an das k. k. Obersthofmeisteramt.

In diesen Jahren plante Herbeck im Zusammenwirken mit dem Obersthofmeister Konstantin Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst eine Reform der Hofmusik. Vor allem sollten wieder erstklassige Kräfte gewonnen werden. Zu diesen gehörte an erster Stelle Bruckner, und es ist nicht unmöglich, dass man an ihn als späteren Nachfolger Herbecks dachte. Dass Bruckner dieses von ihm selbst erträumte Ziel nicht erreichte, ja als einziger von allen Organisten der damaligen Hofmusikkapelle trotz zweimaligen Ansuchens (1876 und 1877) nicht einmal den Titel eines Vizekapellmeisters erhielt, liegt zweifellos in seinem Verhalten begründet, mit dem er den (in Anbetracht seiner Persönlichkeit sicherlich verfehlten) Erwartungen seiner Gönner wie auch der späteren Hofkapellmeister in keiner Weise entsprach (s. dazu Hofmusikkapelle, S. 13–18). Es ist wahrscheinlich, dass dieses – aus der Sicht Hohenlohe-Schillingsfürsts und Herbecks – Versagen einer Schlüsselperson wesentlich zum Einschlafen der Reformpläne für die Hofmusikkapelle beitrug.

1878 erreichte Bruckner die Ernennung zum wirklichen kaiserlichen Hoforganisten mit 600 fl Gehalt und 200 fl Quartiergeld. Schon 1875 war er zum Vizearchivar und zweiten Singlehrer der Hofsängerknaben ernannt worden, wofür er eine Remuneration von 100 fl erhielt, die nach seiner Definitivstellung wieder eingezogen wurde. Aufgrund von Gesuchen erhielt er verschiedentlich Sonderzuwendungen; weitere Akten betreffen Urlaube (unter anderem für die Reise nach London 1871).

Von gravierender Bedeutung für Bruckners Verhältnis zur Hofmusikkapelle wurde seine Auszeichnung mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens (Ehrungen) im Jahre 1886 (verbunden mit der Bewilligung einer Personalzulage von 300 fl jährlich), die auf inoffiziellem Weg von Hermann Levi über Herzogin Amalie Maria und deren Cousine Erzherzogin Marie Valerie von Kaiser Franz Joseph I. erwirkt wurde. Da die – auf diese Art bereits beschlossene – Angelegenheit aber über den Dienstweg zu gehen hatte, mussten der damalige Hofkapellmeister Joseph Hellmesberger und Obersthofmeister Hohenlohe-Schillingsfürst entsprechende Eingaben machen, auf welche am 8.7.1886 die formelle kaiserliche Entschließung erfolgte. Der Zusammenhang mit dem völligen Aufhören von Aufführungen der Werke Bruckners in der Hofmusikkapelle ab diesem Datum kann kaum übersehen werden.

Hellmesberger stand Bruckner, den er als Komponisten geschätzt haben dürfte, überhaupt mit merkbarer Distanz gegenüber. So beklagte sich Bruckner 1888, Hellmesberger habe ihm selbst gesagt, dass er im Jahr zuvor auf eine Anfrage seitens des Hofes die Notwendigkeit einer finanziellen Unterstützung verneint habe (Briefe II, 880309). Dass er Bruckner in späteren Jahren keine Hochämter mehr spielen ließ, dürfte wohl im körperlich bedingten Leistungsabfall einen objektiven Grund gehabt haben.

Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes (Krankheiten und Tod Bruckners) wurde Bruckner am 24.10.1892, wie üblich unter Beibehaltung seiner Bezüge (eine Pensionierung gab es für Hofmusiker nicht), des Dienstes enthoben.

Literatur

THEOPHIL ANTONICEK

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 3.11.2017

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