Wellesz, Egon (Joseph)
* 21.10.1885 Wien/A, † 9.11.1974 Oxford/GB. Komponist, Musikwissenschaftler, Byzantinist.
Ab 1892 Klavierunterricht bei Carl Frühling (1868–1937), nach der Matura 1904 Beginn mit Jus-Studium an der Universität Wien, 1905 Wechsel an die philosophische Fakultät mit Hauptfach Musikwissenschaft. 1905/06 privater Unterricht in Musiktheorie bei Arnold Schönberg (1874–1951), 1908 Promotion bei Guido Adler. 1911–1915 Lehrtätigkeit an der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst (vormals Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), ab 1913 (Habilitation) Lehrtätigkeit an der Universität. Seine musikhistorischen Forschungen beschäftigten sich vor allem mit dem Barock und der Entzifferung der mittelbyzantinischen Notation. 1919–1920 war er als Musikkritiker der Zeitung Der neue Tag tätig. 1923 Mitbegründer der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. 1938 Emigration nach Großbritannien, wo er bis zu seiner Pensionierung 1956 am Lincoln College der Universität Oxford unterrichtete. Ab 1946 britischer Staatsbürger.
Auf emotionaler Ebene war Bruckner für Wellesz „one of the most puzzling figures in the history of music“, „one of the greatest masters of his time“ und „typically Austrian in his musical idiom“ (zit. n. Partsch, S. 343ff.). Analytisch notierte er interessante Einblicke in Kompositionstechnik und Instrumentation. Schon früh hob er Bruckners musikalische Architektur hervor; die Neunte Symphonie galt ihm als Musterbeispiel für höchste Perfektion in Struktur und thematischer Originalität (vgl. Wellesz 1954). In der Diskussion um die „Originalfassungen“ (Fassungen) stand Wellesz auf der Seite der Befürworter, lehnte jedoch Bearbeitungen als „Adaptationen“ keineswegs grundsätzlich ab (vgl. Wellesz 1936). In seiner eigenen Dritten Symphonie lässt sich bezüglich Instrumentation, Scherzo-Struktur und Steigerungsdynamik eindeutig ein kompositorisches Nahverhältnis zu Bruckner konstatieren.
Werke
- 6 Opern, 4 Ballette
- 9 Symphonien
- Orchester- und Kammermusik, Konzerte
- Klavierwerke
- Chorwerke
- Lieder
Schriften
- Die Opern und Oratorien Giuseppe Bonnos. Diss. Wien 1908
- Cavalli und der Stil der venezianischen Oper von 1640–1660. Habil.schr. Wien 1913
- Die neue Instrumentation. 2 Bde. (Hesses Handbücher der Musik 90, 91). Berlin-Schöneberg 1928
- The Original Versions of Bruckner’s Symphonies, in: The Monthly Musical Record 66 (December 1936), S. 219–220
- Anton Bruckner and the Process of Musical Creation, in: The Musical Quarterly 24 (1938) H. 3, S. 265–290
- Two Studies on Bruckner’s Symphonies, in: Chord and Discord 2 (1954) H. 7, S. 24–28
- Bruckner and the Sixth Symphony [mschr., ÖNB-MS, F13.Wellesz.259]
Literatur
- Robert Schollum, Egon Wellesz. Eine Studie (Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts 2). Wien 1963
- Franz Endler (Hg.), Egon Wellesz. Leben und Werk. Wien–Hamburg 1981
- Erich Wolfgang Partsch, Egon Wellesz schreibt über Bruckner, in: Bruckner-JahrbuchBruckner-Jahrbuch. (Wechselnde Herausgeber). Linz 1980ff. 1997–2000, S. 341–348
- Caroline Cepin Benser, Art. „Wellesz, Egon (Joseph)“, in: NGroveD²Stanley Sadie (Hg.), The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 29 Bde. 2. Ausgabe. London 2001 27 (2001), S. 269–273
- Hartmut Krones, Art. „Wellesz, Egon (Joseph)“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 17 (2007), Sp. 747–756
- Fred K. Prieberg, Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945. Auprès des Zombry ²2009 [CD-ROM], S. 8170
- Stefan Schmidl, Art. „Wellesz, Egon Joseph“, in: www.musiklexikon.ac.at [20.9.2019]
- www.demos.ac.at [20.9.2019]
- www.egonwellesz.at [20.9.2019]