Milwaukee
Größte Stadt des Bundesstaates Wisconsin, USA, am Westufer des Michigansees gelegen. Die Entwicklung der Stadt wurde im 19. Jahrhundert durch den starken Zuzug deutscher Einwanderer geprägt. Vor allem nach der gescheiterten Revolution von 1848 zog es viele enttäuschte und verfolgte Deutsche und Österreicher in diesen Teil der USA, der erst kurz zuvor zur Besiedlung freigegeben worden war. Zwischen 1840 und 1880 nahm die Bevölkerung Milwaukees alle zehn Jahre um 70 bis 80 Prozent zu. 1880: 115.587, 2016: ca. 600.000 EW.
Mit der Gründung des German Male Quartett 1847 durch deutsche Einwanderer begann die lange Tradition des Männergesangvereins (Gesangvereine). Der Österreicher Hans Balatka (1826–1899) wurde zu einer der prägendsten Persönlichkeiten des Musiklebens. Der 1850 gegründete Musikverein pflegte klassisches Konzertrepertoire und setzte Uraufführungen von lokalen Komponisten auf das Programm, reisende Virtuosen gastierten in der Stadt und Milwaukee wurde zum musikalischen Zentrum des nördlichen Mittelwestens. 1874 entstand die erste Musikschule, 1888 gründete Eugene Luening (1852–1944) ein Konservatorium. Der aus Osnabrück stammende William Rohlfing (1830–1908) eröffnete 1878 einen Musikverlag. Nach langen Bemühungen wurde schließlich 1958 das Milwaukee Symphony Orchestra gegründet.
Ende 1881 erhielt Bruckner einen Brief von Michael Ruckengruber (1844–1902), der aus Oberösterreich 1866 nach Amerika ausgewandert war und 1870–1880 als Pfarrer in Barton (Washington County) und dann an der St. Michaels Pfarre in Milwaukee wirkte. Auf seinen Europareisen besuchte er auch das Stift St. Florian und lernte dort Bruckner kennen. Er berichtet Bruckner, dass dessen Name in Milwaukee schon bekannt sei (Briefe I, 811100).
Der Berliner Komponist Hugo Kaun (1863–1932) lebte 1887–1902 in Milwaukee und setzte sich, neben seiner pädagogischen Tätigkeit, in Einführungsvorträgen u. a. auch für Bruckner ein. (Im Besitz des Wien Museums befindet sich eine um 1896/97 angefertigte Bruckner-Lithografie H. Kauns [IKO 98; Ikonografie].) 1893–1896 fanden zwei Symphonie-Aufführungen durch das Chicago Symphony Orchestra unter Theodore Thomas (1835–1905) in Konzerten des Kaun‘schen Männerchores in Milwaukee statt. Am 16.11.1897 erklang im 380. Konzert des Musikvereins das Te Deum. 1899 folgte die Vierte Symphonie unter Thomas, 1900 das Te Deum und das Streichquintett in F-Dur sowie 1902 die Messe in d‑Moll.
Literatur
- Hugo Kaun, Aus meinem Leben. Erlebtes und Erlauschtes. Berlin 1932
- Richard Schaal, Hugo Kaun. Leben und Werk (1863–1932). Ein Beitrag zur Musik der Jahrhundertwende. Regensburg 1946, S. 16, 20, 57
- Bruckner-Ikonographie IRenate Grasberger, Bruckner-Ikonographie. Teil 1: Um 1854 bis 1924 (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 7). Graz 1990
- James Deaville, Art. „Milwaukee“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 6 (1997), Sp. 292ff.
- Andrea Harrandt, „Der Name Bruckners war dem Musikalienhändler schon bekannt“. Neues zur Bruckner-Rezeption in Amerika, in: Josef Gmeiner (Hg.), Musica conservata. Günter Brosche zum 60. Geburtstag. Tutzing 1999, S. 93–103
- Franklin S. Miller, Art. „Milwaukee“, in: NGroveD²Stanley Sadie (Hg.), The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 29 Bde. 2. Ausgabe. London 2001 16 (2001), S. 707ff.
- Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009