Te Deum (WAB 45,1-2) „Te Deum laudamus“

Soli, vierstimmiger gemischter Chor, Orchester (2 Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Fg., 4 Hr., 3 Trp., 3 Pos., Kbtb., Pk., Str.) und Orgel in C‑Dur

Sätze: Te Deum: „Allegro moderato“; Te ergo: „Moderato“; Aeterna fac: „Allegro Moderato. Feierlich, mit Kraft“; Salvum fac: „Moderato“; In te Domine: „Mäßig bewegt“
EZ: 1. Fsg.: 3.–17.5.1881 (unvollendet)
2. Fsg.: 28.9.1883 (1. Niederschrift) bis 7.3. (Partitur) bzw. 16.3.1884 (Orgelstimme)
W: Omnia ad maiorem Dei gloriam („O.A.M.D.G.“)
UA: 2.5.1885 in Wien (Wiener Akademischer Wagner-Verein; Robert Erben und Franz Schalk an zwei Klavieren; Bruckner); 10.1.1886 in Wien, Musikvereinssaal (Gesellschaftskonzert; Hans Richter; Orchesterfassung)
Aut.: beide Fsg.: Stift Kremsmünster, Musiksammlung (C56/3a und C56/3b)
2. Fsg.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.19486, ohne Orgelstimme; Mus.Hs.29303, Orgelstimme)
ED: Rättig, Wien 1885 (Klavierauszug von Josef Schalk)
NGA: Band XIX (Leopold Nowak, 1962; Klavierauszug von Hans Jancik nach J. Schalk)

Der Text des Te Deum, eines lange Zeit dem hl. Ambrosius von Mailand (340–397) zugeschriebenen Lobgesanges in hymnischer Prosa, wird im Stundengebet der christlichen Kirchen an Sonn- und Festtagen außerhalb der Fasten- und Adventszeit sowie an den österlichen Feriae gebetet bzw. gesungen, aber auch bei anderen feierlichen Gelegenheiten (Prozessionen, Priesterweihen, Dankgottesdiensten etc.). Es ist bereits seit etwa 530 n. Chr. in Gebrauch.

Der Inhalt ist dreiteilig: Einem Lobpreis Gottes des Vaters (1.) schließt sich ein christologischer Teil mit einem Fürbittgebet (2.) an. Ab Vers 22 werden verschiedene Psalmverse (Ps 27,9; 144,2; 122,3; 32,22; 30,2; 70,1) zitiert (3.), die in die Bitte „In te, Domine, speravi, non confundar in aeternum“ („Auf Dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt, in Ewigkeit werde ich nicht zuschanden“) münden.

Das Te Deum ist eines der wenigen Vokalwerke, das Bruckner ohne Auftrag und ohne konkrete Aussicht auf eine Aufführungsmöglichkeit begonnen hat. Verschiedenen Äußerungen (gleichen Inhalts, aber unterschiedlich formuliert) im Schüler‑ und Freundeskreis zufolge komponierte er diesen Hymnus „aus Dankbarkeit gegen Gott“, weil es seinen „Verfolgern noch immer nicht gelungen“ war, ihn „umzubringen“ (Göll.-A. 4/2, S. 142). Ein gewichtiger Grund dürfte aber auch gewesen sein, dass Bruckner seine künstlerischen Vorstellungen von einer den liturgischen und religiösen Ansprüchen genügenden Vertonung des Textes verwirklichen wollte. Ob „das Moment der politischen Demonstration“ tatsächlich dabei eine Rolle gespielt hat und Bruckner nur versucht habe, „das Werk verschiedentlich als weitgehend privates Frömmigkeitszeugnis zu etablieren“ (Wald-Fuhrmann, S. 283), mag zumindest dahingestellt bleiben. Charakteristisch ist Bruckners angeblicher kritischer Ausspruch nach einer Aufführung des Te Deum von Hector Berlioz: „und kirchli‘ is‘ do‘ nöt!“ (Göll.-A. 4/2, S. 142).

An der ersten, der sogen. „Entwurfsfassung“ des Te Deum arbeitete Bruckner im Mai 1881; die Partitur (Singstimmen und angedeutete Instrumentation) ist durch P. Oddo Loidol ins Stift Kremsmünster gelangt und so erhalten geblieben. Im Rahmen der Bruckner-Tagung in Steyr 2003 (Symposien und Tagungen) legte Franz Scheder eine bemerkenswerte Rekonstruktion der 1. Fassung vor, die er für wissenschaftliche Zwecke auch auf CD einspielte (s. Lit.).

Bruckner unterbrach die Arbeit am Te Deum für etwa zweieinhalb Jahre und arbeitete in dieser Zeit an seiner Siebenten Symphonie. Sofort nach deren Vollendung nahm er es wieder auf und beendete die Arbeit in der 2. Fassung am 7.3.1884 (Partitur) bzw. 16.3.1884 (Orgelstimme).

Hofkapellmeister Joseph Hellmesberger hatte das Te Deum ursprünglich für die Feier der Kardinalsbirettaufsetzung (22.11.1884) des Wiener Fürsterzbischofs Coelestin Ganglbauer (1817–1889, Erzbischof ab 1881) vorgesehen, fand es jedoch, obwohl er es dem von Joseph Haydn vorzog, „viel zu lang geraten“ (Göll.-A. 4/2, S. 143), insbesondere wünschte er die Streichung des Tenor-Solos bei „Te ergo quaesumus“. Nach der 1885 von Bruckner selbst dirigierten Uraufführung mit zwei Klavieren (am selben Abend wurde auch das Streichquintett in F‑Dur gespielt) konnte jene mit Orchester 1886 fast durchwegs positive Beurteilungen ernten.

Formal ist diese vielleicht bedeutendste Vertonung dieses Textes in fünf, nur durch kurze Absätze, nicht durch Pausen getrennten Teilen angelegt:

Der 1. Teil des Hymnus, „Te Deum“, beginnt mit einem machtvollen Chor-Unisono, begleitet von jener charakteristischen Quint-Oktav-Figuration, die nicht nur für das Werk im Allgemeinen gleichsam die „thematische Klammer“ (Wald-Fuhrmann spricht vom „musikalischen Kennbild des Werks“, S. 284), sondern gleichzeitig auch ein altes Tonsymbol („Majestas-Symbol“) darstellt und von Bruckner bereits früher an besonders markanter Stelle, dem „Et resurrexit“ der Messe in f‑Moll, verwendet wurde.

In starkem Kontrast hierzu beginnt der eingeschobene, solistisch – zum Teil sogar a cappella (nur hohe Stimmen) – geführte und von reduziertem Orchester (Str., Ob., Klar.) begleitete Lobpreis der Engel „Tibi omnes Angeli“, mündet aber in ein vom pp bis zum ff mächtig anschwellendes „Sanctus“, stets untermalt von den „Majestas“-Streicherfiguren, die bis zum Ende dieses Abschnittes („Judex crederis esse venturus“, T. 174) eingesetzt werden.

Das „Te ergo quaesumus“, ein Tenor-Solo mit Choreinwürfen, ist als eindringliche, expressive Bitte gestaltet, unterstützt von einer die Spannung verstärkenden, sich fast ostinat durchziehenden pulsierenden Tonrepetition der Streicher (T. 175–212).

Im „Aeterna fac“ (T. 213–256) wird der Chor zunächst blockartig in machtvollem ff eingesetzt, ähnlich dem Beginn bildet die Begleitung eine (allerdings veränderte) ostinate Streicherfigur. Der Abschnitt mündet in eine immer dringlicher werdende, durch sequenzierte Oktavsprünge unterstrichene Bitte („in gloria numerari“).

Das „Salvum fac“, den Solisten mit fallweisen Choreinwürfen und einer kammermusikalischen Orchesterbegleitung anvertraut, greift die Melodik des „Te ergo quaesumus“ auf; in „Per singulos dies benedicimus te“ zitiert Bruckner den Beginn des Te Deum und führt in einer spannungsvollen Steigerung zum Einsatz des Solo-Quartetts „In te Domine speravi, non confundar in aeternum“, worauf eine freie Fuge anschließt, die im fff des Chor-Unisono über den nun von schmetternden Bläserfanfaren begleiteten „Majestas“-Figuren ausklingt. Treffend charakterisiert Melanie Wald-Fuhrmann (S. 286): „Waren die Abschnitte bis hierhin Zeugnisse festen Bekenntnisses, wird die Überzeugung von der eigenen Rettung in Ewigkeit hier in einem der für Bruckner typischen, ganz unten ansetzenden und sich bis zur Ekstase steigernden Entwicklungsprozesse gleichsam erst erarbeitet.“

Als Bruckner in seiner letzten Lebenszeit befürchtete, die Neunte Symphonie nicht mehr vollenden zu können, soll er, mehreren übereinstimmenden Erinnerungsberichten zufolge (so etwa von Carl Almeroth, Adalbert von Goldschmidt, Richard Heller, Amalie Klose, Anton Meißner, Theodor Altwirth, Jean Louis Nicodé, Hermann Haböck [1869–1946]) die Aufführung des Te Deum anstelle des Finalsatzes vorgeschlagen haben. Diese Lösung ist nicht nur vom gedanklichen Inhalt (Widmung des Hymnus „O.A.M.D.G.“, der Symphonie „dem lieben Gott“) plausibel, das musikalische Material des Te Deum wurde von Bruckner auch in seiner Neunten mehrfach zitiert, gewiss mit starkem Aussagewert (so etwa das „Majestas“-Symbol und das „non confundar“). Stilistisch stellt eine solche Anfügung des in einer früheren Schaffensperiode entstandenen Te Deum zwar einen großen Sprung dar, was gewiss niemand klarer erkannte als Bruckner selbst, dennoch hat er unter anderem auch diesen Gedanken erwogen (vgl. Finale der IX. Sinfonie).

Das Te Deum Bruckners fand rasch v. a. in den Konzertsälen begeisterte Aufnahme. Am 10.10.1886 führte der Warnsdorfer Männergesang-Verein unter der Leitung von Bürgerschuldirektor Eduard Wagner (1829‒1912) Bruckners Te Deum in einem Arrangement für Streicher, zwei Klaviere und Harmonium auf (Kastner‘s Wiener musikalische Zeitung 1 [1886] Nr. 5, S. 77; Bearbeitungen). Gustav Mahler dirigierte das Werk an den Karfreitagen der Jahre 1892 und 1893 in Hamburg. Er schrieb am 16.4.1892 an Bruckner: „Gestern (Charfreitag[)] dirigirte ich Ihr herrliches und gewaltiges ‚Te deum‘. Sowol die Mitwirkenden, als auch das ganze Publikum waren aufs tiefste ergriffen von dem mächtigen Bau und den wahrhaft erhabenen Gedanken, und ich erlebte zum Schluß der Aufführung, was ich für größten Triumpf [sic] eines Werkes halte: das Publikum blieb lautlos sitzen, ohne sich zu bewegen, und erst nachdem der Dirigent und die mitwirkenden Künstler ihre Plätze verlassen, brach der Beifallssturm los. An der Aufführung hätten Sie Ihre Freude gehabt. Ich habe selten ein Personal in solcher Begeisterung wirken gesehen, wie gestern.“ (Briefe II, 920416). Und Ida Buhz, die am 8.1.1894 Bruckner zur Aufführung des Te Deum in der Berliner Philharmonie unter Siegfried Ochs begleitet hatte, schrieb noch ganz unter dem Eindruck des Werkes stehend am 13.2.1894: „[…] wie mir nach all‘ dem Verlebten zu Mute war, kann ich gar nicht in Worten ausdrücken, den Abend in der Philharmonie werde ich nie vergessen. Haben Sie tausend Dank. Hatte noch nie so etwas Erhabenes u[nd] Schönes gehört und werde es wohl auch sobald nicht wieder hören.“ (Briefe II, 940213).

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 20.7.2020

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Erstdruck

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft