Decsey, Ernst (Pseud. Franz Heinrich)
* 13.4.1870 Hamburg/D, † 12.3.1941 Wien/A. Schriftsteller, Musikkritiker.
Jus-Studium an der Universität Wien (Promotion 1894), gleichzeitig am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, u. a. bei Bruckner und Wilhelm Schenner. Im Wintersemester 1895/96 hörte er an der Universität Wien Vorlesungen bei Robert Zimmermann (1824–1898), Max Dietz (1857–1928) und Heinrich Rietsch (1860–1927). Nach dem Studium kämpfte er in Wien neben seiner Tätigkeit als Konzeptspraktikant gegen die Theaterzensur. Ab 1898 engagierte er sich in Graz in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, im Arbeiter-Rechtsschutzverein für die Errichtung eines Gewerbegerichtes sowie im Arbeiter-Gesangverein „Liederfreiheit“ und im Verband der Arbeiter-Gesangvereine in der Steiermark als Chormeister. 1902 wurde er in den Ausschuss des Schriftsteller- und Journalistenvereines „Concordia“ gewählt. 1908 Chefredakteur der Grazer Tagespost, 1920 Musikreferent des Neuen Wiener Tagblattes. Er verfasste Romane, Erzählungen, Theaterstücke (mit Victor Léon Der Musikant Gottes; Literatur) und Libretti sowie Bücher über Achille-Claude Debussy (1862–1918), Franz Lehár (1870–1948), Johann Strauss (Sohn), Hugo Wolf sowie viele Publikationen über Bruckner.
Decseys Bruckner-Erinnerungen und ‑Anekdoten basieren auf persönlichen Beziehungen, da er 1889 als Schüler zu Bruckner ans Konservatorium kam. Die Schilderungen sind allerdings stark belletristisch verzerrt, überzeichnen Details und rücken nicht selten die eigene Person in den Vordergrund (Bruckner – skizziert, S. 223ff.). Durch die biografischen Bezüge einerseits und durch das unverhohlene Ziel der Popularisierung andererseits wurde Decsey zu einem wichtigen, jedoch zwiespältigen Informanten. Das durch ihn wesentlich fundierte Klischee vom „Musikanten Gottes“ hat die Wirkungsgeschichte Bruckners folgenschwer geprägt. Neben den Konstanten tiefe Frömmigkeit und Martyrium spielen weiters Cäsaren- und Österreichertum in Decseys Bruckner-Bild eine tragende Rolle. Auch in der Beschäftigung mit dem musikalischen Werk (Bruckner. Versuch eines Lebens, mehrere Auflagen) ist der Romancier erkennbar, der neben analytischen Beobachtungen häufig in banale Belletristik und Hermeneutik gerät.
Schriften
- Joseph Marx. Wien–Leipzig 1900
- Anton Bruckner als Lehrer der Sechterschen Theorie. Erinnerungen und Beiträge, in: Die MusikDie Musik. Stuttgart–Berlin–Leipzig 1901/02–1914/15 und 1922/23–1942/43. Zusatz ab 1934: Amtliches Organ der NS-Kulturgemeinde; Zusatz ab 1937/38: Organ des Amtes für Kunstpflege beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1939: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung und Schulung der NSDAP; Zusatz ab 1940/41: Organ der Hauptstelle Musik beim Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP 6 (1906/07) H. 22, S. 191–204
- Zigarettenrauch. Plaudereien. Graz 1911
- Die Insel der sieben Träume. Berlin 1912
- Memoiren eines Pechvogels. Berlin 1917
- Bruckner. Versuch eines Lebens. Berlin 1919
- Bruckner und seine Welt, in: Die Musikwelt 2 (1922) Nr. 1, S. 1–4
- Die Spieldose. Musiker-Anekdoten. Leipzig u. a. 1922
- Johann Strauss. Ein Wiener Buch. Stuttgart u. a. 1922
- (gem. mit Victor Léon), Der Musikant Gottes. Vier volkstümliche Bilder aus dem Leben Anton Bruckners (Tagblatt-Bibliothek 107/108). Wien 1924
- Das Notenhaus am Schottenring. Zum Brucknertag, in: Neues Wiener Tagblatt, Tages-Ausgabe 4.9.1924, S. 2f.
- Das Theater unserer lieben Frau. Ein Wiener Roman. Berlin u. a. 1927
- Libretto zu Das Kaiserliebchen. Singspiel (Musik: Emil Berté)
- Libretto zu Dame im Traum. Oper in drei Akten (Musik: Franz Salmhofer)
- Libretto zu Die Kathrin. Oper in drei Akten (Musik: Erich Wolfgang Korngold)
- Claude Debussy. Biographie. Graz 1936
- Anton Bruckner, in: ÖMZÖsterreichische Musikzeitschrift. Wien 1946ff. 1 (1946) H. 1, S. 9ff.
Literatur
- Theatercensur und „Arbeiterbühne“, in: Neues Wiener Tagblatt, Tages-Ausgabe 28.12.1896, S. 3
- Der Kampf gegen die Theaterzensur, in: Arbeiter-Zeitung 16.1.1897, S. 4
- Der Schriftsteller-, und Journalistenverein „Concordia“, in: Grazer Volksblatt, Abend-Ausgabe 13.1.1902, S. 4
- Harald Rüdiger Hampel (Hg.), Ernst Decsey. Musik war sein Leben. Lebenserinnerungen. Wien–Stuttgart–Basel 1962
- Bruckner – skizziertRenate Grasberger/Erich Wolfgang Partsch, Bruckner – skizziert. Ein Porträt in ausgewählten Erinnerungen und Anekdoten (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 8). 2., verbesserte Aufl. Wien 1996, S. 201–255
- Stefan Schmidl/Erich Wolfgang Partsch, Die Geburt Bruckners aus dem Geist der Operette. Über Traditionslinien im Musikanten Gottes von Victor Léon und Ernst Decsey, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 70 (Juni 2008), S. 6–12
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