Kerndl, Ella (eigentl. Aurelia Francisca Maria)
* 30.9.1863 Unter-Sievering, Niederösterreich/A (Wien, 19. Bezirk), † 18.4.1940 Wien/A. Komponistin und Pianistin.
Tochter eines Kaufmanns. Bereits als Neunjährige erster Auftritt als Pianistin und Violinistin im Salon Streicher. Musikalische Ausbildung in Klavier im Privatunterricht bei Minna Winkler-Deutsch (1840–?) sowie in Violine bei Karl Hofmann (1835–1909). Ab ca. 1882 bis 1887 Studium in den Fächern Orgel bei Karl Hausleithner (1843–1905) und Komposition bei Cyrill Wolf (1825–1915) an der Kirchenmusikschule des Wiener Cäcilien-Vereins. 1887 Maturitätsprüfung für Orgel und Komposition sowie 1888 Staatsexamen für Klavier. Bereits während des Studiums unterrichtete Kerndl Klavier, Harmonielehre und Kontrapunkt. Ab Ende der 1880er Jahre prägte Kerndl den Konzertbetrieb in Wien maßgeblich als Klaviervirtuosin. Besonders ihre „Novitäten-Abende“, bei denen sie das Wiener Publikum „durch eine Serie nordischer Concerte mit den hochinteressanten und meistens trefflichen Claviercompositionen skandinavischer Componisten in höchst verdienstlicher Weise näher bekannt“ (Montags-Zeitung 18.12.1893, S. 2) machte, erweiterten das zeitgenössische Konzertrepertoire um Kompositionen von Edvard Grieg (1843–1907), Niels Wilhelm Gade (1817–1890) und Johann Svendsen (1840–1911). Kerndls kompositorisches Schaffen umfasste neben Klavierwerken ebenso kammermusikalische Kompositionen, Lieder und eine Zahl an Bearbeitungen von Werken Richard Wagners, Max Regers (1873–1916) und Richard Strauss‘ (1864–1949) für Klavier.
Ob Kerndl mit Bruckner in Kontakt stand, ist bisher nicht nachgewiesen. Für die Zeitschrift Die Redenden Künste verfasste sie jedoch einen zweiseitigen Nachruf bei dem neben Bruckners Biografie auch auf Aufführungen der Symphonien sowie die Begräbnis-Zeremonie Bezug genommen wird. Ihre Stellung im Wiener Musikleben legt weiterhin Bekanntschaften zum Bruckner-Kreis nahe. So trat Kerndl als Interpretin der Werke Camillo Horns in Erscheinung und veranstaltete Konzerte zusammen mit u. a. Robert Erben. Auch die bisher erste belegte Aufführung des Klavierstückes Erinnerung durch Kerndl im Rahmen eines Konzertes des Wiener Akademischen Gesangvereins am 16.3.1901 ging möglicherweise auf die Vermittlung eines Bruckner-Schülers – nämlich August Stradals – zurück, der das Werk wenige Monate zuvor bei Doblinger veröffentlicht hatte. Die Ostdeutsche Rundschau berichtet darüber: „Die Pianistin Frl. Ella Kerndl bot wie immer, tadellose künstlerische Leistungen. Besonderes Verdienst erwarb sie sich durch die Wiedergabe des von Aug. Stradal herausgegebenen Klavierstückes »Erinnerung« von Anton Bruckner“ (Ostdeutsche Rundschau 20.3.1901, S. 5f.). Mit Ausnahme der Uraufführung des Klavierstücks sind keine weiteren Bruckner-Interpretationen von Kerndl bekannt.
Der Nachlass Kerndls wird seit 2009 in der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt.
Werke
- Vokalmusik (Ave Maria op. 61)
- Kammermusik (u.a. Concertstück pour Piano et Orchestre op. 18)
- Orchesterwerke (Skizze E-Dur für kleines Orchester op. 38)
- Bearbeitungen (u.a. Tristan und Isolde: Fantasie für Violine und Klavier)
Schriften
- Art. „Anton Bruckner“, in: Die Redenden Künste. Zeitschrift für Musik und Literatur unter besonderer Berücksichtigung des Leipziger Kunstlebens, Jg. 3 1896/97, H. 6, S. 151–153
Literatur
- Theater, Kunst und Litteratur [sic], in: Montags-Zeitung 18.12.1893, S. 2
- H. W., Kunst und Wissenschaft. Konzert des Akademischen Gesangvereins, in: Ostdeutsche Rundschau 20.3.1901, S. 5f.
- Eva Marx/Gerlinde Haas, 210 österreichische Komponistinnen. Vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Biographie, Werk und Bibliographie. Ein Lexikon. Salzburg 2001, S. 225–228
- Ilse Korotin (Hg.), biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Wien 2016, Bd. 2, S. 1624
- Taufbuch 1861–1873 der Pfarre Sievering (Wien XIX), pag. 33
- ABCD.