Stradal, August

* 17.5.1860 Teplitz-Schönau/Böhmen (Teplice-Šanov/CZ), † 13.3.1930 Schönlinde/Böhmen (Krásná Lípa/CZ). Pianist, Komponist, Musiklehrer und ‑schriftsteller.

Während seines Studiums an der Universität Wien (1878–1882: Jus, Philosophie und Geschichte; auch Hörer von Bruckner [nicht belegt] und Eduard Hanslick) war er seit 1880 privat bzw. am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (nicht belegt) Schüler von Anton Door (1833–1919), Eduard Kremser, Theodor Leschetizky (1830–1915) und Bruckner (seit Jänner 1883 als Privatschüler, vgl. auch Bruckners Eintragungen im Taschen-Notizkalender) sowie 1884–1886 in Weimar von Franz Liszt, den er als Sekretär und „Famulus Stradalus“ auch auf dessen Reisen begleitete. 1893–1895 Lehrer an den Horak‘schen Klavierschulen in Wien, anschließend bis 1914 rege Konzerttätigkeit; seit 1919 Musikpädagoge in Schönlinde. 1927 Ehrenvorsitzender der Internationalen Bruckner-Gesellschaft und ab 1929 – wie auch andere Freunde und Schüler Bruckners – deren Ehrenmitglied sowie ab 1929 Ehrenmitglied des Schweizerischen Brucknerbundes.

Stradal, von Bruckner in einem Brief an Jean Louis Nicodé 1896 als „berühmter Liszt-Schüler und auch ehemals mein Schüler“ (Briefe II, 960224) tituliert, veranstaltete gemeinsam mit August Göllerich private Liszt-Matineen, bei denen seit 1883 immer häufiger auch Werke Bruckners in Klavierbearbeitungen gespielt und auch erläutert wurden. Der Bruckner zunächst eher ablehnend gegenüberstehende Kritiker Theodor Helm soll bei diesen Matineen für den Komponisten gewonnen worden sein. Im April 1885 war Stradal bei Bruckners Besuch bei Liszt in Wien anwesend und nahm dort mit Bruckner auch bei einer Matinee zu Ehren Listzs teil. Stradals spätere Ehefrau (ab 1888), die Sängerin und Schriftstellerin Hildegard Zweigelt (1864–1948), lernte Bruckner 1885 als Chorsängerin bei Proben zum Te Deum kennen. 1886 trafen Stradal und Bruckner bei den Festspielen in Bayreuth zusammen und fuhren nach Liszts Tod gemeinsam ab, wobei Stradal in München ein Missgeschick passierte. Er führte Bruckner, der bei dieser Gelegenheit – wieder sein Interesse für „Extremes“ bekundend – unbedingt den Großglockner, sehen wollte, unabsichtlich in die Irre: Bruckner landete allein und nach mühsamer Anreise enttäuscht am Kitzsteinhorn. Das konnte die Beziehung beider allerdings bei Begegnungen in Bayreuth 1888 sowie bei Stradals späteren Aufenthalten in Wien (er lebte zeitweise auch in Prien, Bayern) vor seiner dortigen Lehrtätigkeit nur oberflächlich trüben. 1891 musste Stradal Bruckner sogar zu einer Gerichtsverhandlung gegen ein wegen mehrerer Dienstmädchenmorde angeklagtes Ehepaar begleiten. 1894 besuchte er in Graz die Uraufführung der Fünften Symphonie, zu der der Komponist selbst verhindert war. Stradal, Gewährsmann für vieles im Leben Bruckners, war auch einer der ersten an dessen Totenbett (Krankheiten und Tod Bruckners) und informierte die Universität Wien und die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien vom Ableben Bruckners. Von Ignaz Bruckner wurden ihm auf sein Bitten hin 1897 zwei Briefe Bruckners als Andenken überlassen.

Stradal stellte von zahlreichen Werken Bruckners Klavierauszüge her (u. a. von Symphonien und dem Streichquintett in F-Dur, zur „annullierten“ Symphonie in d‑Moll einen Klavierauszug zu vier Händen), gab 1900 den Erstdruck von Erinnerung heraus (Verlage) und verfasste Arbeiten über Bruckners Verhältnis zu seinen Vorgängern und Zeitgenossen sowie seit 1921 in verschiedenen Zeitschriften Erinnerungen an Bruckner. Besonders seine in der Zeitschrift für Musik veröffentlichten Erinnerungen aus Bruckners letzter Zeit sind für die Forschung wichtig, in ihrer Wortwahl und Einschätzung des Künstlertums allerdings auch mit Rücksicht auf die heraufkommende Zeit des Nationalsozialismus zu lesen.

Werke
  • Zahlreiche Klavierbearbeitungen besonders Liszt‘scher Orchesterwerke sowie älterer Orgel‑, Kammer‑ und Vokalmusik
  • Klavierstücke und 51 Lieder (u. a. zu Texten seiner Frau)
Schriften
  • Anton Bruckner. Eine Studie, in: Neue Zeitschrift für Musik 69 (1902) H. 23/24, S. 314–317, H. 25, S. 358ff., und H. 26, S. 370–374
  • Franz Liszt und Anton Bruckner. Eine vergleichende Studie, in: Allgemeine Musik-Zeitung 38 (1911) H. 31/32, S. 783ff.
  • Anton Bruckners erste Sinfonie in c-moll. Eine Studie, in: Neue Zeitschrift für Musik 79 (1912) H. 7, S. 81ff.
  • Erinnerungen aus Bruckners letzter Zeit, in: Zeitschrift für Musik 99 (1932) H. 10, S. 853–860, H. 11, S. 971–978, und H. 12, S. 1071–1075
  • Bruckner und die vorhergehenden und zeitgenössischen Meister, in: Bruckner-Blätter 12 (1940) H. 2, S. 9–16
  • Erinnerungen an Franz Liszt. Bern 1929
Literatur

UWE HARTEN

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 4.6.2019

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Abbildungen

Abbildung 1: August Stradal, in: Neue Zeitschrift für Musik 103 (1936) H. 10, S. 1192/1

Abbildung 2: August Stradal, in: Neue Zeitschrift für Musik 97 (1930) H. 6, S. 452/1

Normdaten (GND)

Stradal, August: 11730557X

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft