Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB)

Obwohl der schriftliche Nachlass Bruckners nicht zur Gänze in die damalige k. k. Hofbibliothek – heute Österreichische Nationalbibliothek – gekommen ist, sondern ziemlich weit verstreut wurde, nimmt die Musiksammlung der ÖNB die zentrale Stellung im Bewahren des Bruckner-Erbes ein und darf sich als Nachlassverwalterin bezeichnen. Die Bibliothek wurde von Bruckner lediglich mit einem Legat bedacht, das aber von überragender Bedeutung war. Im Punkt IV seines Testamentes vom 10.11.1893 hielt er fest: „Ich vermache die Originalmanuscripte meiner nachbezeichneten Compositionen: der Sinfonien, bisher acht an der Zahl, die neunte wird, so Gott will, bald vollendet werden, – der 3 großen Messen, des Quintettes, des Te Deums, des 150. Psalms und des Chorwerkes Helgoland – der kais. und königl. Hofbibliothek in Wien, und ersuche die k. u. k. Direktion der genannten Stelle, für die Aufbewahrung dieser Manuscripte gütigst Sorge tragen zu wollen.“ (Göll.-A. 4/3, S. 360).

Dieses relativ kleine, wenn auch aus heutiger Sicht überaus kostbare Legat von 14 Originalhandschriften wurde zur Keimzelle der größten Bruckner-Sammlung weltweit. Ausgehend vom Legat erwarb die Bibliothek im Laufe von Jahrzehnten, von 1914 bis in die Gegenwart, eine große Menge an schriftlichen Zeugnissen von und über Bruckner. Neben den Werkmanuskripten sind nun Hunderte von Dokumenten, wie Briefe, Taschen-Notizkalender etc., von Bruckners Hand und solche seiner Zeitgenossen über ihn vorhanden. Darunter befinden sich u. a. auch die Nachlässe von Friedrich Eckstein, August Göllerich und Max Auer, Franz Gräflinger, Cyrill Hynais, Max von Oberleithner, August Stradal, Josef Schalk und Franz Schalk.

Die Nationalbibliothek leitete aus dem testamentarisch vermachten Legat nicht nur die selbstverständliche Verpflichtung ab, die Originalhandschriften sorgfältig zu bewahren und – bereits darüber hinaus – diese nach Kräften zu vermehren, sondern auch die Verantwortung, die Werke unverfälscht zu erhalten. Gemeinsam mit dem Filser-Verlag in Augsburg rief sie im Jahre 1928 zu einer Subskription für eine Gesamtausgabe auf. Die wissenschaftliche Betreuung dieser Kritischen Gesamtausgabe im Auftrage der Generaldirektion der Nationalbibliothek mit Förderung der Internationalen Bruckner‑Gesellschaft war Robert Haas, 1920–1945 Direktor der Musiksammlung, anvertraut. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, und nachdem der Musikwissenschaftliche Verlag Wien neu erstanden war, konnte Leopold Nowak, 1946–1969 Direktor der Musiksammlung, ab 1951 eine neue Gesamtausgabe ins Leben rufen.

Die ÖNB veranstaltete mehrere Ausstellungen zum Thema Bruckner, darunter v. a. im Jahr 1974 die Hauptausstellung in ihrem Prunksaal (Anton Bruckner zum 150. Geburtstag), zu der ein umfassender Katalog mit Quellenangaben erschien.

2005 erfolgte die Übersiedlung der Musiksammlung in das Palais Mollard in der Herrengasse 9 (1. Bezirk), wo ihr nun nicht nur neu adaptierte Bearbeitungs- und Benützungsräume, sondern v. a. ein vollklimatisierter und alarmgesicherter Magazinsbereich zur Verfügung steht. Damit wurden für die Originalhandschriften Bruckners die konservatorischen Bedingungen geschaffen, wie sie für die Langzeitarchivierung historischen Materials gemäß internationaler Standards notwendig sind. Dank der Digitalisierung der Zettelkataloge und ihrer Umwandlung in Onlinekataloge ist nun auch die Bestandsinformation zu Bruckner weltweit zugänglich; diese Informationen werden ergänzt durch eine Volltextdigitalisierung der Originalhandschriften, die seit 2012 den unmittelbaren Einblick in die Quellen bei Schonung der Originaldokumente ermöglicht.

Literatur

THOMAS LEIBNITZ

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 12.2.2018

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Abbildungen

Abbildung 1: Österreichische Nationalbibliothek (© Andrea Singer)

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft