Wiener Akademischer Gesangverein

Aus der seit 1855 bestehenden Juristen-Liedertafel hervorgegangen, wurde der Wiener Akademische Gesangverein (AGV) 1858 gegründet. Initiator war Rudolf Weinwurm, der auch erster Chormeister des Vereins war und diese Funktion bis 1887 wiederholt ausübte. Bis 1900 hatte der Verein elf weitere Chormeister:
Franz Eyrich (ca. 1838–1873) November 1866–Mai 1870, Oktober 1872–Oktober 1873
Ernst Frank (1847–1889) Jänner 1871–Oktober 1872
Joseph Sucher (1843–1908) Oktober 1872–Juni 1876
Ernst Stoiber (1833–1889) interimistisch April–Juli 1874
Joseph Friedrich Hummel (1841–1919) Oktober 1874–Juli 1875
Richard Heuberger Juni 1876–Februar 1880
Hans Treidler (ca. 1853–1926) Juni–September 1876, November 1879–September 1880
Felix Mottl interimistisch Februar–Juni 1880
Hermann Grädener (1844–1929) November 1887–April 1890
Raoul Mader April 1890–November 1894
Josef Neubauer (ca. 1863–1946) Jänner 1894–März 1901

Jährlich fanden ein oder zwei Konzerte mit Männerchören und – unter der Mitwirkung diverser Damenchöre – gelegentlich auch gemischten Chören statt, weiters Gründungs-, Stiftungs- und Sommerliedertafeln. Der Verein erfreute sich großer Beliebtheit und wirkte bei diversen akademischen Feiern der Universität Wien mit. Von Anfang an unterhielt der Verein gute Beziehungen zu den verschiedenen Burschenschaften. 1920 wurde die Umbenennung des Vereins in Wiener Akademische Sängerschaft Ghibellinen beschlossen, 1924 wurde ihm der Titel Universitäts-Sängerschaft verliehen. Der heutige Nachfolgeverein trägt seit 1952 den Namen Universitätssängerschaft „Barden zu Wien“.

Der erste Kontakt zwischen Bruckner und dem AGV fiel bereits in seine Linzer Zeit durch die Freundschaft mit R. Weinwurm (Freundeskreis). Am 3.7.1876 wurde der Germanenzug in Wien durch den AGV erstaufgeführt. 1879 dirigierte Bruckner eine Probe des dem AGV gewidmeten Chores Das hohe Lied (die Uraufführung erfolgte erst 1902). 1880 tanzte Bruckner auf einem Vergnügungsabend des AGV. Am 15.3.1879 und 15.3.1882 improvisierte er in einem AGV-Konzert im Großen Musikvereinsaal auf der Orgel. Im Rahmen eines Vortragsabends des AGV im Bösendorfersaal wurde am 5.4.1884 das Streichquintett in F‑Dur gespielt. Am 11.4.1886 dirigierte Weinwurm die Uraufführung von Trösterin Musik, am 15.1.1891 Bruckner, seit 1889 Ehrenmitglied (Ehrungen) des AGV, jene von Träumen und Wachen. Beim Bruckner-Kommers zum Ehrendoktorat am 11.12.1891 in den Sophiensälen wirkte auch der AGV mit. Den ihm gewidmeten Chor Das deutsche Lied führte der AGV am 5.6.1892 beim Deutschen Akademischen Sängerfest (Sängerfeste) in Salzburg auf. Am 11.3.1893 schließlich dirigierte Raoul Mader die Uraufführung vom Tafellied. Am 28.10.1896 hielt der AGV einen Trauerkommers für Bruckner. In den Jahren danach veranstaltete der AGV an der Universität Wien regelmäßig Bruckner-Abende. Viele AGV‑Mitglieder kannten Bruckner aus seinen Vorlesungen an der Universität (Lehrtätigkeit). Ihre Protesthaltung gegen die herrschenden Zustände in Kultur, Gesellschaft und Politik führte zu einer enthusiastischen Bruckner-Verehrung. Für die deutsch-nationalen Studenten war Bruckner ein Idol, und sie ehrten in Bruckner den „Deutschen“. Am 17.3.1899 führte der AGV die Messe in e‑Moll im Musikvereinssaal auf, am 15.4.1899 den Psalm 150 in einem Konzert unter der Leitung von Ferdinand Löwe zugunsten des Bruckner-Denkmalfonds, am 25.10.1899, dem Tag der Bruckner-Denkmalenthüllung (IKO 106) sang der AGV in der Votivkirche die Messe in e‑Moll und am 1.3.1907 das Te Deum in einem Orchesterkonzert zur Erinnerung an Bruckner im Musikvereinssaal unter der Leitung von Löwe. Am 11.2.1912 beteiligte sich der AGV an der Enthüllung der Gedenktafel von Joseph Tautenhayn (IKO 126) im Arkadengang der Wiener Universität. Die Universitätssängerschaft „Barden zu Wien“ veranstaltete am 27.6.1987 eine Sängerfahrt „auf den Spuren Bruckners“ und am 8.6.1996 einen großen Bruckner-Festkommers zum 100. Todestag. Beim Stiftungsfestkommers 2012 hielt Ewald Edtbrustner (* 1983) eine Rede zum Thema „Anton Bruckner und Richard Wagner“ (abgedruckt in Barden-Blätter [2012] H. 2, S. 7).

In Bruckners Gedenkjahr 1996 nahm die Universitätssängerschaft „Barden zu Wien“ gleich jeweils drei ihrer Konzertdarbietungen von Sängerbund, Trösterin Musik und Germanenzug auf drei verschiedenen CDs auf (Anton Bruckner und seine Zeit [disc-lazarus DL-USB 8B]; Bruckner-Festabend anlässlich des 100. Todestages von Ehrenmitglied Anton Bruckner [disc-lazarus DL-USB 8C]; Konzert im Brucknerjahr [disc-lazarus DL-USB 8D]). Auf der CD Im Denken treu, im Liede deutsch (disc-lazarus DL-USB 26), die ansonsten traditionelles Studentenliedgut enthält, findet sich eine zwischen 1997 und 2007 entstandene weitere Liveaufnahme des Germanenzugs, in der die Bläser durch Klavier ersetzt sind. Ein Livemitschnitt einer Bearbeitung des Locus iste für Posaunenquartett von der Julfeier der Universitätssängerschaft „Barden zu Wien“ am 19.12.2014 ist auf der CD Hinaus, mein Herz, in freie Luft (Disc-lazarus DL-USB 14) zu finden.

Literatur

ANDREA HARRANDT

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 1.9.2017

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Abbildungen

Abbildung 1: Bruckner-Gedenktafel im Arkadengang der Universität Wien (© Andrea Singer)

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft