Nicodé, Jean Louis
* 12.8.1853 Jersitz bei Posen/Preußen (Poznań-Jeżyce/PL), † 5.10.1919 Langebrück bei Dresden, Sachsen/D. Pianist, Komponist, Dirigent und Chorleiter.
Nach Studien an der Neuen Akademie der Tonkunst in Berlin wurde Nicodé 1878 von Franz Wüllner (1832–1902) als Lehrer für Klavier an das Dresdner Konservatorium engagiert, wo u. a. Arthur Seidl sein Schüler war. 1885–1888 leitete er die Dresdner Philharmonischen Konzerte mit dem Gewerbehausorchester. 1893 gründete er die sogenannten „Nicodé-Concerte“ (für die er die Chemnitzer Stadtkapelle engagierte), in denen er für die damalige Moderne eintrat, und 1896 den Nicodé-Chor. Um 1900 musste er der Konkurrenz der Königlichen Kapelle unter Ernst Schuch weichen und zog sich in sein Landhaus an der Dresdner Heide zurück, wo er sich der Komposition widmete.
Nicodé war ein begeisterter Anhänger Richard Wagners und Bruckners. Am 15.3.1887 dirigierte er in Dresden die Siebente Symphonie mit dem Gewerbehausorchester, nachdem er Bruckner in einem Brief versichert hatte: „Sie dürfen mich zu Ihren begeistertsten Anhängern Ihrer großartigen Schöpfung [...] zählen.“ (Briefe II, 870311). Es entspann sich ein Briefwechsel, der bis 1896 geführt wurde. Anfang März 1891 reiste Nicodé zur Aufführung seiner Chor-Ode Das Meer nach Wien und besuchte dort auch Bruckner, der ihm eine Fotografie mit Widmung schenkte. Noch im selben Jahr trafen die beiden auf der Tonkünstlerversammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins (ADMV) in Berlin zusammen (vgl. Nicodés Bericht bei Göll.-A. 4/3, S. 144–148). Am 18.12.1895 leitete Nicodé die überwiegend begeistert aufgenommene deutsche Erstaufführung der Achten Symphonie, zu der Bruckner mit Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand aber nicht mehr reisen konnte. In der Saison 1896/97 setzte er das Adagio der Siebenten (28.10.1896) und erstmals das Te Deum (23.3.1897) auf das Programm der „Nicodé-Concerte“.
Werke
- Symphonische Dichtung Maria Stuart op. 4
- Die Jagd nach dem Glück op. 11
- Symphonische Suite op. 24
- Symphonische Ode Das Meer op. 31
- Symphonische Ode Gloria! ein Sturm- und Sonnenlied op. 34
- Männerchor‑ und Klavierwerke
Literatur
- Theo Schäfer, Jean Louis Nicodé. Ein Versuch kritischer Würdigung und Erläuterung seines Schaffens. Berlin 1907
- Otto Taubmann, Jean Louis Nicodé. Leipzig 1909
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/2–3, bes. 4/3, S. 144–148
- Friedbert Streller, „… unter dem Einfluss der verkalkenden Dresdner Luft“. Nicodé, Draeseke und Büttner in der Bewährung, in: Matthias Herrmann/Hanns-Werner Heister (Hg.), Dresden und die avancierte Musik im 20. Jahrhundert. Teil I: 1900–1933 (Musik in Dresden 4). Laaber 1999, S. 258–266
- Dieter Härtwig, Starker Kunstwille und Leistungen von Eigenart: Zum 150. Geburtstag von Jean Louis Nicodé, in: SLUB-Kurier 17 (2003) H. 3, S. 17f.
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Undine Wagner, Art. „Nicodé, Jean Louis“, in: MGG²Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. 29 Bde. (Sach- und Personenteil). 2. neubearb. Ausgabe. Kassel u. a. 1994–2008 12 (2004), Sp. 1047f.
- www.nicode-chor.de/web/jean-louis-nicode/ [14.12.2018]