Dresden

Hauptstadt des 1990 neugegründeten deutschen Freistaates Sachsen, beiderseits der Elbe gelegen. Auf eine um 1200 entstandene Burg zurückgehend, wurde Dresden im Jahre 1585 Regierungssitz der albertinischen Linie der Wettiner. Bis 1918 war es Residenzstadt und wegen seiner schönen Bauten als „Elbflorenz“ bekannt. Seit dem 18. Jahrhundert war es Sammelpunkt von Malern, Dichtern und Musikern. 1945 wurden große Teile der Stadt zerstört. 1871: ca. 177.000, 2019: ca. 550.000 EW.

Bruckner erwähnte Dresden erstmals 1864 im Zusammenhang mit dort und in Leipzig geplanten Orgelkonzerten, die nicht zustande kamen. In den 1870er Jahren kam es dann zu ersten Kontakten bezüglich Aufführungen. So schrieb Bruckner am 9.10.1878 an Wilhelm Tappert: „Willner [recte Franz Wüllner] in Dresden hat mich auch eingeladen, ihm eine Partitur zu schicken“ (Briefe I, 781009). Vermutlich auf Vermittlung des Bildhauers Gustav Adolph Kietz erklang am 11.12.1885 mit der Aufführung der Dritten Symphonie durch die Dresdner Hofkapelle unter Ernst von Schuch, der 1872–1914 das Profil der Dresdner Hofoper und ihrer Kapelle prägte, hier erstmals ein Werk Bruckners. Noch mit der Vorbereitung dieser Erstaufführung befasst, erhielt der Dirigent auf Veranlassung des Komponisten vom Verlag Bote & Bock die Partitur der Vierten Symphonie übersandt, die er allerdings erst im November 1895 dirigierte.

Inzwischen hatte Jean Louis Nicodé, einer der eifrigsten Verfechter der Werke der „Moderne“ und damit auch jener Bruckners, am 15.3.1887 die Siebente Symphonie in einem Philharmonischen Konzert des Gewerbehausorchesters, aus dem später die Dresdner Philharmonie hervorging, erstaufgeführt. In selbst organisierten Nicodé-Concerten, die der Künstler 1893–1900 mit der verstärkten Stadtkapelle Chemnitz in Dresden veranstaltete, brachte er des Weiteren am 18.12.1895 die Achte Symphonie sowie am 23.3.1897 das Te Deum zur Erstaufführung. Das Te Deum wurde danach auch vom Kreuzkantor Oskar Wermann (1810–1906) mit dem Kreuzchor und dem Gewerbehausorchester aufgeführt.

Für weitere Bruckner-Erstaufführungen sorgte Schuch nach der Jahrhundertwende mit der Neunten (5.1.1906), Fünften (8.2.1907), Sechsten (14.1.1910) und Ersten Symphonie (14.3.1911). Noch 1889 war in einem Übungsabend des Tonkünstlervereins das Streichquintett in F-Dur vorgestellt worden. Womöglich hat der aus Wien stammende Eduard Rappoldi (1831–1903), erster Hofkonzertmeister in den Jahren 1877–1898 und Violinprofessor am Konservatorium bis zu seinem Tod, verheiratet mit der einstigen Theorieschülerin Bruckners und späteren Pianistin Laura Rappoldi-Kahrer ([1853–1925]; Schülerinnen und Schüler), mit seinem Einsatz für Bruckner, der damals auch in Dresden noch sehr umstritten war, die Aufführungen bei der Königlichen Hofkapelle mitangeregt.

Auf der Rückreise von Berlin, wo am 31.5.1891 das Te Deum aufgeführt worden war, machte Bruckner mit Max von Oberleithner Station in Dresden und stieg im Hotel „Bellevue“ ab. Der Grund hierfür war Bruckners Wunsch, die Schauspielerin Clara Salbach (1861–1944) aufzusuchen, die sie dann auch im Hoftheater erlebten. Von Schuch erhielten sie Karten für Rheingold und Walküre am 5. und 6.6.1891. In der katholischen Hofkirche wollte Bruckner unbedingt die Gruft mit den Särgen der Könige besuchen.

In der Saison 1935/36 erklangen unter Paul van Kempen (1893–1955) in einem Bruckner-Zyklus der Dresdner Philharmonie zum ersten Mal sämtliche Bruckner-Symphonien in den seinerzeit so genannten „Originalfassungen“ (Fassungen) in Dresden. 1935–1945 bestand die in diesem Zusammenhang gegründete Dresdner Bruckner-Vereinigung unter Arthur Neuberg (1866–1961). 1936 eröffnete Karl Böhm die inzwischen stattliche Reihe von Platteneinspielungen Bruckner‘scher Symphonien bei der Sächsischen Staatskapelle ebenfalls mit den Originalfassungen der Vierten und Fünften Symphonie. In den 1970er bis 1990er Jahren boten Eugen Jochum und Giuseppe Sinopoli denkwürdige Schallplatten- bzw. CD‑Produktionen von Bruckner-Symphonien mit diesem Orchester. Aber auch Dirigenten wie Joseph Keilberth, der im Dezember 1946 die Erstfassung (1873) der Dritten Symphonie uraufführte, Franz Konwitschny, Otmar Suitner, Kurt Sanderling (1912–2011), Herbert Blomstedt und Bernard Haitink waren u. a. berufene Bruckner-Interpreten mit der Staatskapelle, auch auf Schallplatte. Der seit 2012 verpflichtete Chefdirigent Christian Thielemann, ausgewiesener Wagner- und Bruckner-Spezialist, setzt diese Tradition fort, nachdem er bereits zu Beginn seiner Dresdner Tätigkeit sogleich mit bemerkenswerten Aufführungen der Achten und Neunten Symphonie aufgewartet hatte.

Bei der Dresdner Philharmonie machten sich nach dem Zweiten Weltkrieg besonders Hermann Abendroth, Heinz Bongartz (1894–1978), Kurt Masur, Günther Herbig (* 1931), Herbert Kegel (1920–1990), Jörg‑Peter Weigle (* 1953), Marek Janowski und Rafael Frühbeck de Burgos (1933–2014) um Bruckners Symphonien verdient. Seit der Saison 2011/12 sorgt der neue Chefdirigent Michael Sanderling (* 1967) beim zweiten Spitzenorchester der Stadt für eine engagierte Bruckner-Pflege. Seit dem Kreuzkantor Martin Flämig (1913–1998, im Amt 1971–1990) gehören nicht mehr nur die Motetten, sondern auch die Messen Bruckners zum Repertoire des seit 1997 von Roderich Kreile (* 1956) geleiteten Dresdner Kreuzchores.

Literatur

ANDREA HARRANDT, DIETER HÄRTWIG

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.8.2020

Medien

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Abbildungen

Abbildung 1: Franz Wüllner, in: Musikalisches Wochenblatt 13 (1882) H. 34, S. 397

Abbildung 2: Eduard und Laura Rappoldi, in: Musikalisches Wochenblatt 9 (1878) H. 40, S. 485

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ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft