Siebente Symphonie in E‑Dur (WAB 107)

3 Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Fg., 4 Hr./Wagnertuben, 3 Trp., 3 Pos., Kbtb., Pk., Str.

Sätze: 1. Satz: „Allegro moderato“; 2. Satz: „Adagio. Sehr feierlich und sehr langsam“; 3. Satz: „Scherzo. Sehr schnell“, „Trio. Etwas langsamer“; 4. Satz: „Finale. Bewegt, doch nicht schnell“
EZ: 1881–1883
W: Ludwig II., König von Bayern („Seiner Majestät dem Könige Ludwig II. von Bayern in tiefster Ehrfurcht gewidmet.“, s. Erstdruck)
UA: fraglich, so lt. Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974 4/2, S. 156: 27.2.1884 in Wien, Bösendorfersaal (alle Sätze; Josef Schalk und Ferdinand Löwe auf zwei Klavieren);
gesichert: 4.11.1884 in Wien, Bösendorfersaal (2. Satz; J. Schalk auf dem Klavier; s. Jahresbericht des Wiener Akademischen Wagner-Vereines 1884, S. 10 und Briefe IAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. I. 1852–1886 (NGA XXIV/1). 2., rev. und verbesserte Aufl. Wien 2009 841105/2); 30.12.1884 in Leipzig, Neues Theater (Gewandhausorchester; Arthur Nikisch; ohne Wagnertuben); 10.3.1885 in München, Odeon (Musikalische Akademie München; Hermann Levi; mit Wagnertuben)
Aut.: ÖNB‑MS (Mus.Hs.19479/1–3)
ED: Gutmann, Wien 1885
AGA: Band 7 (Robert Haas, Leipzig 1944)
NGA: Band VII (Leopold Nowak, 1954) und Revisionsbericht (Rüdiger Bornhöft, 2003)

Zur Entstehung

Zwanzig Tage nach Beendigung der Sechsten Symphonie begann Bruckner am 23.9.1881 mit der Komposition der Siebenten. Nach Unterbrechungen aufgrund von Revisionsarbeiten an der Messe in d‑Moll, Messe in f‑Moll und Messe in e‑Moll komponierte er seit dem Sommer 1882 kontinuierlich an der Symphonie. Scherzo und Trio entstanden zwischen dem 14.7. und 16.10.1882. Nach einer Überarbeitung des 1. Satzes, die bis zum 29.12.1882 währte, begann er das Adagio am 22.1.1883 und schloss es schon nach drei Monaten, am 21.4.1883, ab. Im Sommer 1883 arbeitete Bruckner am Finale, das er am 5.9.1883 beendete.

Charakteristik und Rezeption

Die Siebente ist Bruckners meistgespielte Symphonie und gilt in mehrfacher Hinsicht als eines seiner zentralen und bedeutendsten Werke. Mit ihr erzielte er den ersten bahnbrechenden Erfolg, nachdem die früheren Symphonien entweder durchgefallen oder gar nicht zur Aufführung gelangt waren. Im Druck lag 1883 überhaupt erst eine einzige, nämlich die Dritte, vor. Die Uraufführung der Siebenten fand bezeichnenderweise nicht in Wien, sondern in Leipzig statt. Nach anfänglichem Zögern nahm das Publikum das Werk mit Enthusiasmus auf und feierte den eigens angereisten Bruckner frenetisch (vgl. Göll.-A. 4/2, S. 213–220; Briefe I, 850119/2, F. Schalk an Richard Spur; Gülke, S. 195f.). Zahlreiche weitere Aufführungen folgten, v. a. in München (10.3.1885 unter Hermann Levi), Köln (7.1.1886 unter Franz Wüllner [1832–1902]), Hamburg (19.2.1886 unter Julius von Bernuth) und Graz (14.3.1886 unter Karl Muck). In Wien wurde die Symphonie erst am 21.3.1886 gespielt. Bruckner hatte gegen eine dortige Aufführung „wegen Hanslick et Consorten“ (Göll.-A. 4/2, S. 365; Eduard Hanslick) energisch protestiert. Denn er glaubte, dass sie seinen „noch jungen Erfolgen in Deutschland nur hemmend in den Weg treten“ müssten, „aus Gründen, die einzig der traurigen localen Situation entspringen in Bezug der maßgebenden Kritik“ (Briefe I, 851013/1). Als die Siebente durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter dann doch im Wiener Musikverein erklang, war das Urteil der Wiener Presse tatsächlich erneut vernichtend. Das aber konnte Bruckners endgültigen Durchbruch nicht mehr verhindern. Es folgten nun immer häufiger Aufführungen auch der früheren Symphonien in ganz Europa; auch wurden bis 1896 immerhin alle außer der Sechsten Symphonie gedruckt.

Die Siebente ist ferner die einzige Symphonie neben der Sechsten und abgesehen von der unvollendeten Neunten, an der Bruckner nachträglich keine gravierenden Veränderungen mehr vorgenommen hat. Ihre positive Aufnahme machte selbstkritische Korrekturen überflüssig. Sie kann mit Recht – und hier liegt einer der Gründe für ihre Beliebtheit – als die ausgewogenste seiner Symphonien bezeichnet werden. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Abstimmung der Satzcharaktere, ihre kantabel-strömende Thematik, als auch für die formale Anlage der Sätze (Form). Schon der flüchtige Blick auf das Hauptthema des Kopfsatzes macht klar, dass Bruckner hier von seiner bisherigen Art der Themenbildung aus markanten, festumrissenen und meist knappen Setzungen abrückt, um ein ausgedehntes, sich scheinbar ‚unendlich‘ fortspinnendes Thema vorzustellen, dessen Anlage und Melodiösität den ganzen Satz bestimmen.

Notenbeispiel 1: Siebente Symphonie, 1. Satz, Vc., T. 3–11.

Einmalig ist v. a. auch die Lösung des Finalproblems. Die Steigerungs- und Höhepunktbildung, wie sie für Bruckner so typisch ist, beherrscht nicht nur jeden einzelnen Satz für sich. Vielmehr werden auch die vier Sätze in ihrem symphonischen Zusammenhang dem Steigerungsprinzip unterworfen, in dem sie über ihre eigene Satzklimax hinaus auf die Ausbildung des gesamtsymphonischen Höhepunktes zielen. Da die Sätze der Siebenten aufgrund ihrer thematischen Gestaltung weit weniger schroffe, kontrastierende Blockbildungen aufweisen als die der früheren Symphonien, verlangen die Höhepunkte gewissermaßen einen geringeren Kraftaufwand, so dass das Finale nicht an die Grenzen der Überforderung gerät, wie etwa in der Fünften. Zudem ist der Schlusssatz selbst so angelegt, dass er nicht nur wie das geradlinig erreichte Ziel, sondern auch wie ein auf den Anfang der Symphonie zurückgreifender Bogen wirkt. Denn das Hauptthema des Finales ist unmissverständlich aus dem des Kopfsatzes als dessen beweglichere, agilere Variante gebildet.

Notenbeispiel 2: Siebente Symphonie, 4. Satz, Vl. 1, T. 1–9.

In der Reprise des Finales wird die Reihenfolge der Themen genau umgestellt. Dadurch mündet der Satz symmetrisch in sein 1. Thema und kann seinen eigenen Höhepunkt am Schluss mit diesem bestreiten, um schließlich ohne Gewalt das alles überstrahlende Hauptthema des Kopfsatzes und damit das Hauptthema der gesamten Symphonie hervorzubringen.

Vorbereitet wird das Finale durch das „sehr schnelle“, vorwärtsdrängende und typischerweise im Höhepunkt abrupt endende Scherzo in a‑Moll. Es greift, wie oft bei Bruckner, auf das Unisono-Thema des Kopfsatzes zurück, indem es dessen markanten Rhythmus variiert übernimmt und zu einer permanent wiederholten Begleitfigur macht. Darüber erhebt sich ein knappes Fanfarenmotiv, das in ebenfalls vielfacher Wiederholung zu immer wieder neuen großen Steigerungszügen verdichtet wird. Die äußere Form (Scherzo – Trio – Scherzo da capo ohne Coda) entspricht der der meisten Scherzi Bruckners, wobei das Trio in F‑Dur den beruhigend-sanglichen, pastoral wirkenden Mittelteil bildet.

Der berühmteste Satz der Siebenten ist der zweite, das Adagio. Darin setzt Bruckner erstmals die sogenannten Wagner-Tuben ein, die gleich zu Beginn das Hauptthema vortragen und dem ganzen Satz einen besonders feierlichen Ton verleihen („Sehr feierlich“ lautet die Spielanweisung). Den 2. Abschnitt des Hauptthemas (T. 4ff.) gestaltete Bruckner aus einem Motiv, das er auch im nahezu gleichzeitig entstandenen Te Deum, und zwar zu den Schlussworten „Non confundar in aeternum“, verwendete.

Notenbeispiel 3: Siebente Symphonie, 2. Satz, Vl. 1, T. 4–7.

Notenbeispiel 4: Te Deum, T, T. 465–468.

Mit diesem gleichsam sprechenden Themenabschnitt werden v. a. die Steigerungen bestritten. Über der typischen Bewegung der Bruckner‘schen Klangkette führen sie zu einer der großartigsten Höhepunktbildungen in Bruckners Adagio-Sätzen, die sich nach ungemein angestauter Spannung mit größter Vehemenz des vollen Orchesterapparates im harmonischen Durchbruch vom übermäßigen Quintsextakkord zum Vorhaltsquartsextakkord von C‑Dur entlädt. Müßig ist die vielgestellte Streitfrage, ob man diese Stelle mit Becken, Triangel und Pauken verstärken soll, wie Bruckner es – wohl auf Anraten von Nikisch – nach der Uraufführung vorgeschrieben hat, oder ob man sie ohne diese instrumentale Überhöhung spielt, so wie sie ursprünglich lautete und auch später von Bruckner wiederhergestellt wurde. Die Stelle kommt ebenso ohne den Zusatz aus, wie sie mit ihm nicht verdorben wird. Den Schlussteil des Adagio schrieb Bruckner unter dem Eindruck der Nachricht von Richard Wagners Tod (13.2.1883). Die letzten 35 Takte nannte er selbst seinen Trauergesang „zum Andenken an den Hochseligen, heißgeliebten unsterblichen Meister“ (vgl. Briefe I, 850318).

Literatur

WOLFRAM STEINBECK

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 17.6.2020

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Erstdruck

AGA

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