O’Hegerty, Charles (John Patrick) Graf

* 18.3.1801 Dublin/IRL, † 21.12.1882 Tillysburg, Oberösterreich/A.

Sohn des Charles O‘Hegerty d. Ä. (* 18.3.1767 Nancy/F, † 22.12.1849 Tillysburg), Oberstallmeister des Grafen von Artois, der als Charles X. (1757–1836) 1824 in Nachfolge seines älteren Bruders Louis XVIII. (1755–1824) den französischen Thron bestieg. Die Mutter von Charles O‘Hegerty d. J. war die aus Versailles stammende Comtesse Caroline Thérèse Martine Lebreton de Chapelles.

Charles O‘Hegerty d. J. diente Marie-Thérèse-Charlotte (1778–1851), Duchesse d‘Angoulème, der ältesten Tochter von Louis XVI. (1754–1793) und Marie-Antoinette (1755–1793), als Oberstallmeister. Nach Abdankung von Charles X. im Jahr 1830 reiste die Familie O‘Hegerty mit den Bourbonen über London nach Prag, wo auf dem Hradschin ein Exilhof errichtet wurde.

O‘Hegerty d. J., ab 17.8.1837 mit der jungen Witwe des Prinzen Josef August von Lobkowicz (1799–1832), Maria Franziska, geb. Gräfin von Sternberg-Manderscheid (* 2.11.1805 Prag/Böhmen [Praha/CZ], † 27.5.1845 Tillysburg) verheiratet, kaufte 1841 die damals zu St. Florian gehörende Tillysburg. Außer der Tochter aus erster Ehe Maria Franziskas, Maria (* 10.11.1830 Bilin/Böhmen [Bílina/CZ], † 2.10.1913 St. Florian, Oberösterreich/A), hatte das Paar noch sieben Kinder: Patrick (* 1.8.1838 Canterbury/GB, † 5.6.1867 Debreczen/H [Suizid]), Aldelm (* 15.10.1839 Canterbury, † 25.3.1854 Tillysburg [Unfall]), Caroline (* 8.9.1840 Salzburg, Salzburg/A, † 18.6.1879 Tillysburg), Erwine Maria (auch „Edwine“, * 12.7.1841 Tillysburg, † 18.12.1879 Linz, Oberösterreich/A), Franziska (* 2.7.1842 Tillysburg, † 11.8.1918 St. Florian), Ida (* 24.1.1844 Tillysburg, † 5.9.1927 St. Florian) und Emma (* 5.5.1845 Tillysburg, † 9.4.1929 St. Florian). Nach dem frühen Tod seiner Frau Maria Franziska heiratete O‘Hegerty am 15.10.1849 deren äußerst kunstsinnige Nichte, Comtesse Christine Silva-Tarouca (* 6.6.1819 [Ort?], † 26.5.1872 Tillysburg), die jedoch im Alter von 51 Jahren ebenfalls relativ früh starb. Nach den erlittenen Schicksalsschlägen zog sich O‘Hegerty immer mehr zurück und verlangte die selbst auferlegte Klausur auch von seinen Kindern. Mögliche Heiratskandidaten seiner Töchter schlug er „rechtzeitig“ in die Flucht, indem er befahl, die Hunde loszulassen oder mit Töpfen und Pfannen einen Höllenlärm zu veranstalten. Lediglich Erwine, die als Schwester Maria Charitas in Linz in ein Kloster eintrat, und Ida, die in die gräfliche Familie Eltz einheiratete, schafften es, sich noch zu Lebzeiten des Vaters ein selbständiges Leben aufzubauen.

Bruckner kam spätestens auf Betreiben der zweiten Frau O‘Hegertys ab 1849, vielleicht aber auch schon 1846 als Lehrer der Kinder ins Haus. Es ist erwiesen, dass er nicht nur den jungen Grafen in Ergänzung des Unterrichtes durch den Hauslehrer, eines Herrn Trill, Unterricht in den Schulgegenständen erteilte, sondern auch den Mädchen Musikunterricht gab. Zu dieser Zeit sollen auch die Irischen Lieder für Emma entstanden sein (Verschollenes). Da die meisten Erinnerungen an Bruckners Unterricht von Ida und Emma stammten, die zu diesem Zeitpunkt erst sechs und fünf Jahre alt waren, ist mit einiger Plausibilität anzunehmen, dass der Unterricht Bruckners bis zu seinem Weggang nach Linz (Spätherbst 1855) dauerte. Außerdem sorgte Bruckner wahrscheinlich gegen Ende seiner St. Florianer Zeit für die Tanzmusik bei abendlichen Unterhaltungen der jungen Leute.

O‘Hegerty ist der Männerchor „Des Dankes Wort sei mir vergönnt“ gewidmet, der, allgemein mit 1855 angesetzt, durchaus schon früher entstanden sein kann, da mit dem im Text erwähnten „Engel“, der aus dem Jenseits grüßt, nicht allein der 1854 verstorbene Sohn Aldelm, sondern auch schon die 1845 gestorbene erste Frau Maria Franziska gemeint sein kann. Zudem weist das Werk auch stilistisch eher auf eine frühere Schaffensphase hin. Einer mündlich weitergegebenen Familientradition zufolge wurde der Chor zum 50. Geburtstag O‘Hegertys – also 1851 – komponiert.

Im Jahr 1862 erhoffte sich Bruckner bei seinen Bemühungen um einen Posten in Wien Unterstützung durch den „Graf[en] zu Tillysburg“ (Bruckner an Rudolf Weinwurm, Briefe I, 620923). Nach Göll.-A. (3/1, S. 154) sei hier an einen ehemaligen Schüler Bruckners zu denken, wovon zu diesem Zeitpunkt nur mehr Patrick in Frage kommt (Aldelm war schon verstorben). Wesentlich plausibler wäre jedoch, eine von Charles O‘Hegerty, dem Vater Patricks, erbetene Protektion anzunehmen.

Bruckner hielt zur Familie O‘Hegerty zeitlebens guten Kontakt. Er besuchte den alten Grafen bei Aufenthalten in St. Florian und nahm an Rebhuhnjagden teil, wobei er stets von den Jägern, die ihm seinen großen roten Sonnenschirm „unabsichtlich“ zerschossen, sehr verulkt wurde. O‘Hegertys Stieftochter Maria und eine „Gräfin O‘Hegerty“, Franziska oder Emma, finden sich unter den Gratulanten zu Bruckners 70. Geburtstag.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 27.9.2019

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