Reisch, Theodor
* 9.11.1840 Ödenburg/Ungarn (Sopron/H), † 9.4.1919 Wien/A. Advokat und Gerichtsdolmetscher.
Nach der Gymnasialmatura in Ödenburg Jus-Studium an der Universität Wien 1858–1862, Promotion 1864. Reisch war in Wien als Hof‑ und Gerichtsadvokat und Dolmetscher für Ungarisch tätig. Seine Kanzlei befand sich im 19. Bezirk, zunächst in der [Döblinger] Hauptstraße 5, nach dem 10.7.1895 in der Gatterburggasse 19.
Reisch bekleidete neben seiner juristischen Tätigkeit auch politische Ämter: So war er Vizebürgermeister von Döbling, 1901–1904 (Wiener) Gemeinderat, zudem hochangesehenes Mitglied der Evangelischen Pfarrgemeinde A. B. Wien-Innere Stadt (1902–1914 Kurator der Lutherischen Stadtkirche im 1. Bezirk, Dorotheergasse 8). Durch seine Ämter war er an der Gründung, Einweihung usw. zahlreicher öffentlicher Gebäude beteiligt: So etwa am 16.9.1885 an der Gründung des Gymnasiums Ober-Döbling (19. Bezirk) und am 14.11.1904 an der Einweihung des evangelischen Friedhofes in Simmering (11. Bezirk). Als Obmannstellvertreter der Jubiläumskommission war er auch am 3.7.1908 an der Beschlussfassung zum Bau des Kaiser-Jubiläums-Spitals in Hietzing (13. Bezirk) beteiligt.
Als Mitglied des Wiener Akademischen Wagner-Vereins hatte Reisch offenbar dort Bekanntschaft mit Bruckner geschlossen und wurde dessen Rechtsvertreter. Er kümmerte sich um Verlagsangelegenheiten (Verlage), die Abfassung des Testaments und des Kodizills sowie nach Bruckners Tod um die Vollstreckung des Testaments und war den Erben Bruckners ein treuer und sehr einfühlsamer Beistand.
Trotz seiner großen Seriosität und Sorgfalt war Reisch entscheidend an der Zerstreuung von Bruckners Nachlass mitbeteiligt, da er der Ansicht war, dass von Bruckners Œuvre nur die Fassungen letzter Hand der Hofbibliothek (Österreichische Nationalbibliothek) zu übergeben seien, und deshalb viele Originalhandschriften (Autografe) an Freunde Bruckners verschenkte. 1921 gelangte eine umfangreiche Mappe mit Personaldokumenten Bruckners aus dem Nachlass Reischs als Widmung von dessen Sohn Rudolf an das Stift St. Florian.
Literatur
- Göll.-A.August Göllerich/Max Auer, Anton Bruckner. Ein Lebens- und Schaffensbild (Deutsche Musikbücherei 36–39). 4 Bde. (in 9 Teilbänden [1, 2/1–2, 3/1–2, 4/1–4]). Regensburg 1922–1937, unveränd. Nachdruck 1974
- Verborgene PersönlichkeitElisabeth Maier, Verborgene Persönlichkeit. Anton Bruckner in seinen privaten Aufzeichnungen (Anton Bruckner. Dokumente und Studien 11). 2 Bde. Wien 2001
- Briefe IIAndrea Harrandt/Otto Schneider (Hg.), Briefe von, an und über Anton Bruckner. Bd. II. 1887–1896 (NGA XXIV/2). Wien 2003
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 1: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 1–12) (Wiener Bruckner-Studien 6/1). Wien 2014
- Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian IIElisabeth Maier/Renate Grasberger, Die Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian. Katalog. Teil 2: Das Bruckner-Archiv (Gruppe 13–23) (Wiener Bruckner-Studien 6/2). Wien 2015
- Sterbebuch 1919 der Lutherischen Stadtkirche (Wien I), [fol. 102]
- Archiv der Universität Wien, Studienkataloge der Juridischen Fakultät 1858/59–1862
- Archiv der Universität Wien, Promotionsprotokoll der Juridischen Fakultät 1864 (M 32.1)