Testament

In mehreren Briefen aus den Jahren 1892 und 1893 klagte Bruckner über seine Krankheiten und die Ratschläge der Ärzte. Als sich sein Gesundheitszustand wieder akut verschlechterte errichtete er schließlich am 10.11.1893 in Anwesenheit der erwählten Zeugen Ferdinand Löwe, Cyrill Hynais und Theodor Reisch ein Testament, welches er am 25.9.1894 durch ein Kodizill ergänzte und teilweise abänderte.

Bruckner setzte mittels Testament, das sämtliche Voraussetzungen gemäß § 579 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) erfüllte und somit rechtsgültig war, mangels Nachkommen seine ihn überlebenden Geschwister, Bruder Ignaz und Schwester Rosalia (sechs Geschwister starben bereits im Säuglings- bzw. Kindesalter, die Schwestern Maria Anna und Josefa starben beide kinderlos 1870 bzw. 1874; Bruckner, Familie) als Universalerben ein. Ignaz Bruckner und Rosalia Hueber hätten nach § 727 ABGB ohne Testament im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge Bruckners Nachlass zu gleichen Teilen erhalten. Allerdings wollte Bruckner seine Kompositionen in guten Händen wissen und vermachte die Manuskripte (Symphonien, Messe in d‑Moll, Messe in e‑Moll, Messe in f‑Moll, Streichquintett in F‑Dur, Te Deum, Psalm 150, Helgoland) der k. k. Hofbibliothek (heute Österreichische Nationalbibliothek). Auch Katharina Kachelmaier, die ihm seit 1870 den Haushalt führte und die er mit einem Legat von 700 fl bedachte, wäre ohne Testament leer ausgegangen. Besonders am Herzen lag Bruckner die Bestimmung über seinen Leichnam, den Richard Paltauf einbalsamieren („injicieren“, Göll.-A. 4/3, S. 359) und der in einem Metallsarg unter der Orgel des Stiftes St. Florian seine letzte Ruhestätte finden sollte (Begräbnis). Außerdem wurden Grabpflege und Messstipendien geregelt. Als Testamentsvollstrecker wurde der Hof- und Gerichtsadvokat Th. Reisch bestellt.

Im Kodizill (§ 553 ABGB) präzisierte Bruckner die beiden ersten Punkte des Testaments – Bestattung, Grabpflege und Messstipendien – und nannte als Alternative für seine letzte Ruhestätte den Friedhof in Steyr, sofern die im Testament festgehaltene Aufstellung seines Sarges in der Stiftskirche St. Florian nicht möglich sei. Für eine eventuelle Beerdigung in Steyr sollte eine Gruft errichtet werden. Das Kodizill wurde von den Zeugen Ludwig J. Bermanschläger (1861–1930), Domprediger in Linz, Theodor Gutschick, Kooperator der Stadtpfarre Steyr, und Franz Xaver Bayer, Regens chori in Steyr, mitunterschrieben.

Die Kundmachung des Testaments und Kodizills erfolgte nach Bruckners Tod am 13.10.1896 durch das Obersthofmarschallamt. Die Todesfalls-Aufnahme fand durch Victor Czerny als Abgeordneten des Obersthofmarschallamtes in Gegenwart des Testamentsvollstreckers Reisch und zweier Zeugen am 16.10.1896 statt. Bruckner war durchaus als vermögender Mann gestorben (Finanzen). Der Wert seines materiellen Nachlasses wurde auf rund 20.000 fl (ca. EUR 145.000) geschätzt, darin enthalten waren etwa 16.800 fl Barvermögen. Das Verfahren wurde mit der Einantwortung der Erben durch das Bezirksgericht Landstraße in Wien vom 14.6.1897 beendet. Sämtliche Anordnungen Bruckners wurden erfüllt.

Testament, Kodizill und die weiteren Urkunden der Nachlasssache werden im Verlassenschaftsakt im Wiener Stadt- und Landesarchiv aufbewahrt; eine Abschrift des Kodizills sowie der Schriftverkehr (Johann Evangelist Aichinger mit Johann Baptist Breselmayr [1834–1902], Th. Reisch mit Ferdinand Moser) bezüglich Bruckners letzter Ruhestätte befinden sich im Bruckner‑Archiv des Stiftes St. Florian (Bruckner-Bestände des Stiftes St. Florian II, Gruppe 13).

Literatur

ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 11.1.2018

Medien

Kategorien

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft