Nachlass

Bruckners Hinterlassenschaft wurde seinen letztwilligen Verfügungen entsprechend verteilt: Zu diesem Ergebnis kam der deutsche Jurist Rolf Keller (1935–1998) nach genauer Untersuchung der vorhandenen Dokumente, insbesondere des Testaments, mit dem Bruckner für eine sinnvolle Aufteilung seines Nachlasses gesorgt hatte, und resümierte weiter, dass es keinen Streit, Ärger oder Feindschaft unter den Erben seiner persönlichen Habe und seines Barvermögens gegeben habe. Wohl aber stellte – und stellt noch heute – das Vorgehen des Testamentsexekutors Theodor Reisch hinsichtlich der wertvollen Notenhandschriften die Fachwelt vor nicht unerhebliche Probleme und hat in der Vergangenheit sogar zu lebhaften Auseinandersetzungen, bis hin zu gerichtlichem Vorgehen, geführt.

In der „Todesfalls-Aufnahme“ durch Victor Czerny, Reisch und zwei Zeugen werden drei Kategorien von Hinterlassenschaft angeführt (vgl. Keller, S. 101f.):

1. Barvermögen
Bruckner starb als vermögender Mann (Finanzen); das von ihm hinterlassene Barvermögen betrug rund 16.891,55 fl, verteilt auf zwei Depositenscheine der Österreichisch-ungarischen Bank (zusammen 10.600 fl), acht Sparbücher bei der Ersten österreichischen Sparkasse (zusammen 5.576,55 fl) und drei Guthaben bei der k. k. priv. Allgemeinen österreichischen Bodencredit-Anstalt (zusammen 315 fl) sowie einen Schuldschein über 400 fl zu Lasten von Johann Nepomuk Hueber und seiner Frau Rosalia, geb. Bruckner, der Schwester des Verstorbenen.

2. Persönliche Habe
An Schmuckstücken hinterließ Bruckner zwei Taschenuhren (darunter eine kleine schwarze Damenuhr, von Bruckner „Mohrl“ genannt), eine goldene Tabaksdose, das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens en miniature am Kettchen (der große Orden musste nach dem Tod des Trägers zurückgegeben werden; Ehrungen), eine goldene „chiffrirte“ Krawattennadel (die „Brillantnadel“ Herzog Maximilian Emanuels in Bayern) und einen goldenen Ring mit Smaragd (den Doktorring; Ehrendoktorat). An weiteren Wertgegenständen sind eine Pendeluhr, der 1848 von Franz Sailer geerbte Bösendorfer-Flügel (Instrumente Bruckners), ein Kruzifix aus Ebenholz mit einem Corpus aus Elfenbein, das von ihm sehr geschätzte Messingbett, die ihn jeweils als Halbfigur darstellenden Ölgemälde von Heinrich Ebeling (IKO 11; Ikonografie) und Ferry Bératon (IKO 32) sowie die von Viktor Tilgner stammende Büste (IKO 55) und schließlich Bücher, Möbel, Kleidung und Wäsche (wovon der größte Teil an den Bruder Ignaz Bruckner ging) zu nennen. Nicht näher angeführt im Schriftstück sind die vielen kleinen Gebrauchsgegenstände (Geldbörse, Schreibzeug, Radier- und Rasiermesser, Schnupftabaksdose etc.), die sich bis heute in St. Florian und in Privatbesitz erhalten haben.

3. Manuskripte
„In 2 Wandschränken und 1 Kiste fanden sich diverse Original-Manuscripte und Copiatüren von Bruckner‘schen Compositionen vor.“ (zit. n. Keller, S. 102), setzt die „Todesfalls-Aufnahme“ fort. Die Autografe „aus der letzten Zeit“ Bruckners seien an den Testamentsexekutor „behufs Sichtung“ übergeben, die übrigen „in den Wandschränken aufbewahrt und diese mit dem Siegel des Obersthofmarschallamtes verschlossen“ (zit. n. Keller, S. 102) worden. Hier setzt ein fatales Missverständnis ein, denn Reisch meinte, in Bruckners Sinn zu handeln, wenn er nur die jeweils letzten Fassungen der Werke der Hofbibliothek (Österreichische Nationalbibliothek) übergab. Die anderen Manuskripte, darunter auch Motetten, verteilte er in gutem Glauben an Bruckners Freunde und Verehrer. Vermutlich hatte diese Zerstreuung eines Teils des musikalischen Nachlasses als Andenken für Trauergäste aber schon in den Tagen vor der Versiegelung der Schränke eingesetzt. Auch zum Zeitpunkt von Bruckners Tod Entliehenes blieb außer Acht. Die überaus komplizierte Quellenlage im Falle Bruckners ist zum größten Teil mit diesem Vorgehen zu erklären. Noch heute tauchen vereinzelt Manuskripte mit dem Vermerk „aus Bruckners Nachlaß“ auf, darunter auch einzelne Seiten, die z. B. aus seinen Taschen-Notizkalendern herausgerissen worden waren. Größtes Aufsehen u. a. in den Zeitungen (s. Lit.) machte 1921 und in den Folgejahren der geplante Verkauf der Originalpartitur der Messe in f‑Moll, die der Österreichischen Nationalbibliothek, der rechtmäßigen Besitzerin, zu einer Expertise vorgelegt und von deren Direktor Robert Haas kurzerhand beschlagnahmt wurde (Haas, S. 106). In den meisten Fällen kam es aber bisher zu einer gütlichen Lösung – sogar beim Kitzler-Studienbuch, das nach wiederholten Versuchen 2013 durch die Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek angekauft werden konnte.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 12.12.2017

Medien

Kategorien

Links

ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft