Zahlensymbolik

Da Bruckners Persönlichkeit, seine geistige Gestalt und daher konsequenterweise auch sein Schaffensprozess viele Jahrzehnte lang in das Klischee des halb naiv, halb ekstatisch, auf jeden Fall aber „unbewusst“ Schaffenden gepresst wurde, stehen Untersuchungen über spekulative Grundlagen des kompositorischen Prozesses bei Bruckner noch immer fast am Anfang. Um hier vorschnellen Urteilen vorzubeugen, die einer objektiven, sachbezogenen Forschung nur hinderlich sein können – so wurde in der Vergangenheit z. B. häufig unreflektiert die 3‑Thematigkeit der Bruckner‘schen Sonatenhauptsatzform (Form) als Symbol für die Trinität bezeichnet, ohne ihre historische Genese von Franz Schubert her zu beachten –, wird man hier zunächst bei jenen Werken ansetzen müssen, bei denen die Möglichkeit eines Gehalts an Zahlensymbolik entweder vom Text her oder mit biografischen Fakten abgestützt werden kann.

Welche Bedeutung die Zahl an sich für Bruckner hatte, wird bei der geradezu obsessiven Sorgfalt ersichtlich, mit der er den Periodenbau seiner Werke überprüfte. Bruckner dachte speziell in seiner Symphonik (Symphonien) architektonisch, d. h. er hatte besonders in seinem Spätwerk „Raumvorstellungen“, die er nachträglich „füllte“ (in dem auf uns gekommenen Skizzenmaterial [Entwürfe und Skizzen] finden sich Belege hiefür). Das für Außenstehende zwanghaft erscheinende Kontrollieren des Periodenbaus darf nicht vorschnell mit Bruckners Zählzwang während seiner schweren Nervenkrise (Bad Kreuzen) in Zusammenhang gebracht werden; die Akribie des Vorgangs mag vielleicht neurotisch erscheinen, die Ursache ist jedoch eine musikalisch völlig logische.

Ohne Zweifel war Bruckner von der spirituellen Bedeutung der Zahlen fasziniert. Kenntnisse hierüber und speziell über die spirituellen Grundlagen der Baukunst dürften ihm u. a. von Friedrich Eckstein und dem Dombaumeister Friedrich Schmidt (St. Stephan) vermittelt worden sein.

Literatur

ELISABETH MAIER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 22.9.2017

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