Jaques(-Dalcroze), Émile (eigentl. Emmil Henry)

* 6.7.1865 Wien/A, † 1.7.1950 Genf/CH. Komponist, Pädagoge.

Sohn des Julius Ludwig Lucian August Jaques (1827–1904), Kaufmann aus Sainte-Croix/CH, und dessen Frau Julie, geb. Jaunin (1835–1903); erster Klavierunterricht durch die Mutter. Studium in Genf (1877–1883), Paris (1884–1886), am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (1887–1889) bei Bruckner, Adolf Prosniz (1829–1917), Robert Fuchs und Hermann Grädener (1844–1929) und erneut in Paris (1889–1891) bei Mathis Lussy (1828–1910), von dem er wesentliche Anregungen für rhythmische Studien erhielt. 1886/87 wurde er in Algier als zweiter Kapellmeister am Theater engagiert und lernte dort die arabische Musik kennen. 1892–1910 lehrte er am Genfer Konservatorium, wo seine Unterrichtsansätze und experimentellen Techniken – darunter auch das Auftreten der Schüler in kurzärmeliger Kleidung, mit nackten Beinen und barfuß, um Bewegungsfreiheit zu gewähren – schließlich nicht mehr geduldet wurden. Nach Publikation seiner Méthode (1906/07) als dokumentarisches Handbuch, in dem die körperliche Bewegung als wesentlichstes Merkmal aller darstellenden Künste aufgefasst wurde, und der Vermittlung seiner der Arrhythmie (Kugler, Sp. 937) entgegenwirkenden Methode im Bildungsinstitut in Hellerau (heute Dresden), beschloss auch in Wien das Kuratorium der Musikakademie in seiner Sitzung vom 24.6.1913 ab Herbst 1913 die Einführung des Unterrichtes in rhythmischer Gymnastik nach der Methode Jaques-Dalcrozes für die Vorbereitungsklassen in Klavier und Violine und als fakultatives Angebot für Schüler anderer Klassen, um Erfahrungen über die Wirkung dieser Methode zu sammeln (Jahresbericht der k. k. Akademie […] 1913, S. 20f.). 1915 wurde in Genf das Jaques-Dalcroze-Institut gegründet, wo er bis 1948 lehrte und mit seiner „rhythmischen Gymnastik“ die Vereinigung von Musik und Bewegung forderte. Er etablierte eine neue Bewegungskunst, die das klassische Ballett ablösen sollte, als Basis für einen neuen Ausdruckstanz diente und Einzug in die Musikpädagogik hielt.

In zahlreichen – häufig als Anekdoten zu wertenden – Erinnerungsberichten über seine Lehrtätigkeit wird Bruckner als kompetenter, aber auch strenger, strikt nach Lehrbuch vorgehender Didaktiker beschrieben, der ein gutes Verhältnis zu seinen Schülern pflegte, die er oft zu seinem Freundeskreis zählen konnte. In Bezug auf Jaques-Dalcroze scheint Bruckner ein eher unprofessionelles Verhalten gezeigt zu haben. In Briefen an seine Schwester Amélie Emma Hélène (* 10.1.1870 Wien, † ?) berichtete Jaques-Dalcroze, dass Bruckner ihn ständig unbegründet tadele, unhöfliche Bemerkungen über seine französische Muttersprache mache und ihn auffordere, den Harmonielehrekurs zu wiederholen, was er jedoch entschieden ablehne. Nach einem Vorspiel, dessen Jury u. a. Julius Epstein, Prosniz, Robert Fischhof (1856–1918) und Joseph Hellmesberger d. Ä. angehörten, bei dem der Schüler neben Werken von Muzio Clementi (1752–1832) und Ludwig van Beethoven auch eigene Kompositionen spielte, erkannte Prosniz Jaques-Dalcrozes Talent und erklärte sich bereit, ihn in seine Klasse aufzunehmen (The Bruckner Journal 3 [1999] H. 1, S. 18).

Werke
  • Opern (u. a. Janie; Sancho Pansa)
  • Konzerte
  • Klavierwerke
  • Lieder
  • Tanzlieder für Kinder mit erläuterndem Text op. 37. Paris 1904
  • 164 Rhythmische Märsche für eine mittlere Stimme mit Klavierbegleitung. Ergänzung zur Methode der rhythmischen Gymnastik. Paris u. a. 1906
  • Zur Entwicklung des Sinnes für Rhythmus und Tonart wie zur Ausbildung des Gehörs. 8 Bde. Ins Deutsche übertragen von Paul Boepple. Paris u. a. 1907–1911
Schriften
Literatur

ANDREA SINGER

Zuletzt inhaltlich bearbeitet: 13.7.2020

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Abbildungen

Abbildung 1: Neue Zeitschrift für Musik 72 (1905) H. 22/23, Beilage [o. S.]

Normdaten (GND)

Jaques(-Dalcroze), Émile (eigentl. Emmil Henry): 118711873

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