Karajan, Herbert von (eigentl. Heribert Ritter von)
* 5.4.1908 Salzburg, Salzburg/A, † 16.7.1989 Anif bei Salzburg. Dirigent.
Nach Studium in Salzburg und Wien war er 1928–1934 als Dirigent am Stadttheater Ulm beschäftigt. 1934 ging er nach Aachen, wo er zum Generalmusikdirektor ernannt wurde. 1939 erhielt er den Ruf an die Berliner Staatsoper. Während der NS-Jahre (Nationalsozialismus) rückte er zu hoher Position im deutschen Musikleben auf. 1944 leitete er ein Sonderkonzert mit dem Bruckner Orchester Linz im Stift St. Florian, bei dem die Achte Symphonie auf dem Programm stand. Seine Karriere erfuhr im Jahr 1945 eine Unterbrechung aus politischen Gründen, wurde jedoch ab 1948 glanzvoll weitergeführt. Die Bayreuther Festspiele, die Mailänder Scala, die Metropolitan Opera New York und viele andere bedeutende Opernhäuser betrauten ihn mit großen Aufgaben. 1956 übernahm er die künstlerische Leitung der Salzburger Festspiele, 1957–1965 war er Direktor der Wiener Staatsoper. Nach dem Tod Wilhelm Furtwänglers (1954) hatte er auf Lebenszeit die Leitung der Berliner Philharmoniker inne.
Karajans Wirken im Opern- und Konzertbereich war von singulärem Rang. Er wurde zum Idol einer ganzen Epoche, nicht zuletzt deshalb, weil er – wie kein anderer seiner Vorgänger – die Errungenschaften der Tontechnik für seine Zwecke verwenden konnte. Bereits in jungen Jahren trat er als Schallplattendirigent hervor, in seiner Spätzeit wurde er zum Beherrscher eines musikalisch-technischen Imperiums.
Bruckners Symphonien führte Karajan mit den Wiener und Berliner Orchestern oftmals und mit bedeutendem Effekt auf, wobei ihm der Hang zur Äußerlichkeit und zum „Zelebrieren“ mitunter zum Vorwurf gemacht wurde. Allerdings ereigneten sich in der langen Zeitspanne seines Wirkens viele Änderungen im Musizierstil. Namentlich in seiner späten Schaffenszeit traten eine bedeutende Vertiefung des Vortrags und eine Wendung zur musikalischen Grundstruktur ein. Karajan besaß die Gabe, die höchsten Möglichkeiten der Klangwirkung aus dem Orchester hervorzuholen. Auch Bruckners Chorwerke wie das Te Deum erfuhren durch ihn machtvolle Wiedergaben. Viele seiner Bruckner-Interpretationen sind auf Tonträgern dokumentiert (Diskografie).
Literatur
- Heinrich Kralik, Karajan dirigiert Bruckner, in: ÖMZÖsterreichische Musikzeitschrift. Wien 1946ff. 2 (1947) H. 11/12, S. 328
- Jean Matter, Du concert symphonique comme un art de voir. En écoutant Karajan diriger Bruckner, in: Schweizerische Musikzeitung 101 (1961) Nr. 6, S. 387ff.
- Walter Dobner, Leuchtend klar und packend aggressiv. Karajans Ringen um Bruckners „Achte“, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 33 (Dezember 1989), S. 18–21
- Richard Osborne, Herbert von Karajan. A life in music. London 1998
- Walter Dobner, Frühe Dokumente. CD-Editionen mit Karajan und Haitink, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 65 (November 2005), S. 39f.
- Walter Dobner, „Voller Momente der Stille“. Bruckner, Karajan und weitere Dirigentenprominenz, in: IBG-MitteilungsblattMitteilungsblatt der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Studien & Berichte. Hg. v. der Internationalen Bruckner-Gesellschaft. Wien 1971ff. Nr. 70 (Juni 2008), S. 25–28
- Uwe Harten/Monika Kornberger, Art. „Karajan, Familie“, in: www.musiklexikon.ac.at [20.2.2019]